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Wolf(s)hunde: Treue Gefährten oder gefährliche Haustiere?

Von: Susanne Roser, Eva-Maria Class

Stand: 26.08.2019

Anna-Caroline Hein macht sich Sorgen um Wolfshunde. | Bild: BR/Ralph Zipperlen

Wolf(s)hunde - Mischlinge aus Wolf und Hund - das sind die Sorgenkinder von Anna Caroline Hein. Anna lebt mit ihrer Familie auf einem ehemaligen Bauernhof gut eine Stunde nördlich von Hamburg. Hier haben sie und ihr Mann vor sieben Jahren ein Hundehotel eröffnet. Beide arbeiten seit mehr als 20 Jahren professionell mit den Tieren und haben ihr Leben komplett auf sie eingestellt.

Halter von Mischlingen nicht selten überfordert

Fast jede Woche bekommt Anna Caroline Hein Anfragen, doch ihre Kapazitätsgrenze ist längst erreicht. Denn in Europa gibt es nicht nur den Markt für die zwei anerkannten Wolfhunderassen, sondern auch einen Graumarkt für Mischlinge. Die Tiere mit unterschiedlich hohem genetischen Wolfsanteil werden unter anderem aus den USA eingeführt. Für die Behörden ist dabei nur sehr schwer zu kontrollieren, ob es sich um erlaubte Züchtungen oder um unter Artenschutz stehende Wildtiere handelt.

Überhaupt ist das Thema höchst umstritten. Schon ob man die Tiere als "Wolfshunde" oder "Wolfhunde" bezeichnet, ist strittig. Auch, ob es sich um "Hybriden" handelt. Manche Experten sind der Meinung, Hund und Wolf seien zu nahe verwandt, um die Wolf(s)hunde als "Hybriden" zu bezeichnen.

Verpaarung von Wolf und Hund nur mit Sondergenehmigung

In Deutschland ist die Verpaarung von Wolf und Hund ohne Sondergenehmigung verboten. Passiert es trotzdem, stehen die Mischlinge bis zur vierten Generation unter Artenschutz. Um Auflagen zu umgehen, werden sie oft als normale Hunde deklariert.

"Kauf dir ein Stück Wildnis", so werden diese Welpen gerne im Netz beworben. Mehrere tausend Euro kann ein Züchter an ihnen verdienen. Mindestens acht Züchter gibt es allein in Deutschland, dazu viele im Ausland.

Wölfe haben eine natürliche Scheu vor Menschen

Alle Hunde stammen vom Wolf ab. Doch nach vielen tausend Jahren Züchtung ist von ihren Urahnen nur noch wenig zu spüren. Hunde sind zu seinem treuen Begleiter und Helfer geworden. Der Wolf hingegen besitzt eine natürliche Scheu vor dem Menschen.

Ein Wolf fürs Sofa

Doch nicht alle Wolf(s)hunde sind scheu wie wilde Tiere. Selbst in einem Wurf kann das Verhalten drastisch variieren. Wenn Käufer die verspielten Welpen sehen, hoffen sie, einen Wolf fürs Wohnzimmer zu bekommen. Mit drei oder vier Jahren werden die Wolf-Hund-Mischlinge jedoch erwachsen und dann beginnen häufig die Probleme.

Das Leben mit einem Wolf(s)hund kann funktionieren, oft tut es das aber nicht. Zu unberechenbar ist, wie sich ein Welpe entwickelt. Und die Gefahr, dass erwachsene Tiere ausgesetzt werden oder entlaufen, ist groß. Denn gerade sehr wölfische Tiere überfordern ihre Besitzer oft.

Hohe Anforderungen an die Halter

Wer Wolfsmischlinge hält, muss bereit sein, die Konsequenzen zu tragen – das kann bei einem Paar bedeuten: keine gemeinsamen Urlaube mehr. Für Wolf(s)hunde ist es kein Problem, selbst durch geschlossene Scheiben zu springen. Sie alleine im Haus zu lassen, ist unmöglich. Wolfsmischlinge sind Ausbruchskünstler.

Gelangen Wolf(s)hunde auch in die Natur?

Es ist bekannt, dass Tiere entlaufen sind oder ausgesetzt wurden. Schafhalter haben zusätzlich zu den Genanalysen des in Deutschland zuständigen Instituts noch ein privates forensisches Labor eingeschaltet und Gen-Proben von gerissenen Tieren prüfen lassen. Nun gibt es Streit, denn das Labor behauptet, dass Mischlinge einige der Tiere gerissen haben. Wolf(s)hundeliebhaber glauben an eine Hetzkampagne gegen ihre Tiere, Wolfsexperten an den Versuch, gezielt Ängste gegenüber Wölfen zu schüren.

Aufklärung und Überwachung

Anna Caroline Hein fragt sich, wohin all die faszinierenden, jungen Wolf-Hund-Mischlinge verschwinden, mit denen sich ihre Halter in den sozialen Netzwerken präsentieren – nach dem Motto: Je wölfischer der Hund, desto cooler der Besitzer. Die Hundekennerin liebt ihre Schützlinge und versucht, sie an geeignete Halter weiter zu vermitteln. Gleichzeitig fordert sie dringend mehr Aufklärung und die kontrollierte Überwachung der Zucht von Tieren mit hohem Wolfanteil.

Wolfspark in Malaga

In der Nähe von Malaga hat sich der Deutsche Daniel Weigend vor 17 Jahren einen Lebenstraum erfüllt und einen Wolfspark eröffnet. Hier wird Verhaltensforschung betrieben und er ist für Besucher geöffnet.

Einzelne Tiere hält Weigend in einem Aufzuchtgehege. Er kennt die europäische Wolfshundeszene gut. 47 Wölfe verschiedenster Unterarten leben hier in fünf Rudeln in einem Steineichenwald im Herzen Andalusiens.

Wölfe stehen unter Artenschutz

Selbst als Mischlinge sind ihre Nachkommen noch bis in die vierte Generation geschützt. Erst ab der fünften Generation wird aus dem Wolfsmischling auf dem Papier ein Hund und er darf ohne Auflagen gehalten werden.

Daniel Weigend lässt Besucher nur zu geführten Touren in den Park. Wölfe mit Hunden zu verpaaren, lehnt er entschieden ab. Für ihn ist sicher: Die Sehnsucht nach einer besonderen Verbindung zwischen Mensch und wildem Tier führt manche auf einen falschen Weg.

Immer mehr Wolf-Hund-Mischlinge

Ihm ist aufgefallen, dass immer mehr Besucher mit Wolf-Hund-Mischlingen bei ihm auftauchen. Den wachsenden Trend, diese Tiere zu Haustieren zu machen, sieht er mit Sorge.

Er beobachtet, dass vieles bislang unter dem Radar der Behörden geschieht. Deshalb gibt es keine genauen Zahlen, wie viele der gezielt gezüchteten Mischlinge derzeit in Europa leben. Experten sprechen von vielen tausend. Gewinn machen allein die Züchter, sagt Weigend. Die Verlierer sind die Tiere und ihre überforderten Halter.

Vermischung mit Hunden gefährdet die Art Wolf

Dass sich Wölfe in ganz Europa wieder ausbreiten, sieht er mit großer Freude. Er möchte alles unternehmen, um ihre Zukunft zu sichern. Daniel Weigend hofft darauf, dass die Menschen aus Liebe zu den Wölfen aufhören, Mischlinge zu produzieren und zu kaufen.

Wölfe können nur erhalten werden, wenn sie Wölfe bleiben dürfen. Viele genetische Hundemerkmale reduzieren die Überlebensfähigkeit von Mischlingen in der Natur. Eine Hybridisierung der Wölfe kann deshalb negative Folgen für ihren Genpool haben und die ganze Art gefährden.

Wolfsmonitoring im Senckenberg-Institut in Gelnhausen

In Deutschland ist seit neun Jahren das Senckenberg-Institut in Gelnhausen zuständig für das genetische Wolfsmonitoring. Es ist die zentrale Stelle, an die alle im Land gesammelten Proben mit Wolfsverdacht eingereicht werden, um deren Genetik zu bestimmen. Hier werden Erkenntnisse über das Vorkommen von Wölfen in Deutschland gesammelt. Es werden einzelne Individuen unterschieden, Rudelstrukturen ermittelt und Hybridisierungsgrade analysiert.

Daniel Weigend

Hundetrainer und Mitbegründer und Betreiber des Wolfsparks "Lobo Park" in Andalusien 

Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Senckenberganlage 25
60325 Frankfurt
Deutschland

Auffangstation für Wolfhunde

Anna Caroline Hein 
CAMCHATCA  Wolfshundehalterhilfe gUG
Immenstedter Straße 32
25782 Süderdorf


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