A simple man Zoltan und seine Lebenslieder
Zoltan ist Mitte 50, arbeitet und lebt in München scheinbar ein normales Leben. Doch das täuscht. Seit dreißig Jahren lebt Zoltan mit einer psychischen Erkrankung. Das Wichtigste in seinem Leben sind das Theater und – seit einigen Jahren – die Musik: Er schreibt und singt Lieder über sein Leben.
„A simple man …“ ist eines der Lieder, die Zoltan über sein Leben singt.
"A simple man ... "
I fall down from the sky.
I had stand up from the ground.
I asked the people for the way, but nobody couldn`t say.
Then a girl said to me:
Take the guitar and play for me.
Now what I want to be:
I´m a simple man today.
And every day from reality that is what I want to see. ...
Mit dem Songschreiben begann er auf den Rat eines Psychologen.
"Ich hatte Panikattacken und dann auch einen Zwang: Worte wiederholen. Die habe ich halt wiederholt, innerlich nicht laut. Das war schwierig, denn ich musste eine bestimmte Reihenfolge einhalten, dann noch eine genaue Anzahl und Zeit, und das war wirklich anstrengend. Dann war ich bei einem Psychologen gewesen. Der hat gesagt, ich soll aus den Wörtern Lieder machen. Und vierzehn Tage später war dann das erste Lied da."
Zoltan Sloboda
Kindheit: Ankunft in einer fremden Welt
Geboren in Serbien im ehemaligen Jugoslawien als Mitglied der ungarischen Minderheit, kam er mit seinem Vater 1970 nach München. Seine Mutter konnte erst Monate später folgen. Zoltan lernte innerhalb eines knappen Jahres deutsch, besuchte die Grundschule und kam auf das Gymnasium. Obwohl er ein guter Schüler war und auch damals versetzt worden wäre, verließ er die Schule nach der neunten Klasse. Statt dessen machte eine Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechaniker.
Krankheit mit schleichendem Beginn
Die Krankheit begann, als Zoltan Mitte zwanzig war. Zuerst hielt er es für normal, Ängste zu haben. Aber schleichend veränderten sie sein Leben und seine Wahrnehmung. Statt Gesichter anderer Menschen sah er bedrohliche Fratzen. Er bekam immer öfter Panikattacken und plötzliche Todesängste. Auf Dauer eine Belastung, die ein normales Leben unmöglich machte.
"Du nimmst anders wahr als ein Gesunder. Das habe ich jetzt zum Glück nicht mehr, den Verfolgungswahn und die Wahnvorstellungen, das hatte ich früher. Leute, die Todesangst hatten, die verstehen das vielleicht. Der Körper reagiert und die Psyche. Wenn man so eine Todesangst hat und am nächsten Tag wieder, dann ist es vorbei mit Erholen. Dann läufst du durch die Gegend und weißt nicht, was los ist, warum das so ist."
Zoltan Sloboda
Die Krankheit, Diagnose Paranoide Psychose, machte sein bisheriges Leben endgültig zunichte. Das Taxifahren, für ihn finanzielle Lebensgrundlage, gleichbedeutend mit Freiheit und Möglichkeit, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, wurde unmöglich. Immer wieder suchte er von sich aus Hilfe. Es folgten mehrere Aufenthalte in der Psychiatrie. Eine Rückkehr in ein normales Leben schien unmöglich.
Theater und Musik: Wege zurück ins Leben
Doch Zoltan kämpfte sich zurück, fand sein inneres Gleichgewicht, lernte seinen eigenen Lebensrhythmus zu finden. Und er macht das bis heute jeden Tag auf´s Neue.
Normalerweise spricht er nicht viel. Um sich mitzuteilen und auszudrücken, hat er das Theater und die Musik entdeckt. Bis heute prägen ihn Momente und Erfahrungen seines Lebens, lassen ihn nicht los.
Aus der Kindheit blieb die Erfahrung, sich schnell zurechtfinden zu müssen, Fremder zu sein. Dann kam die Trennung seiner Eltern. Er blieb bei seiner Mutter, mit der ihn auch über ihren Tod vor knapp drei Jahren, eine tiefe innere Beziehung verbindet.
In seiner Zeit als Taxifahrer traf er seine große Liebe, eine amerikanische Sportreporterin, eine Begegnung von nur wenigen Tagen.
Zu Beginn der Krankheit prägte sich ihm das Schweigen eines Arztes ein, der bei jedem Besuch nur Tabletten verschrieb, ohne mit ihm jemals über die Erkrankung zu sprechen.
Und schließlich gab es die Begegnung mit einem Freund, der ihn zur Musik brachte.
Theater: Sich zeigen, spielen, leben
Zoltan hat wenige Freunde, aber mit ihnen trifft er sich regelmäßig. Einer seiner besten ist Rudi Vogel. Beide kennen sich über das „Theater Apropos“, einem Ensemble in dem Menschen mit und ohne psychisches Handicap gemeinsam Theater spielen. Rudi Vogel war gemeinsam mit Anette Spola, Chefin des renommierten Münchner Tams Theaters, einer der ersten Regisseure der Gruppe. Zoltan ist ihm damals gleich aufgefallen.
"Da hatten wir Valentin Dialoge, unter anderem hieß es: „Im Sommer sind da viele Ameisen, aber die gehen ganz leise.“ Den Dialog hatten wir aufgeteilt und Zoltan den Satz gegeben: „Aber die gehen ganz leise.“ Das höre ich heute noch, das hat mich ganz stark gerührt, wie er diesen Satz gesprochen hat. Das verriet für mich schon eine Empathie. Und dieses Mitgefühl habe ich in allen Varianten immer wieder bei Zoltan festgestellt, in wirklich ungewöhnlicherer Weise als bei anderen Menschen. Und das hat für mich dann auch eine Verbindung zu seiner Liebesgeschichte, die, ja, ich kann nicht anders sagen, etwas ganz Außerordentlich ist."
Rudi Vogel, Regisseur und Dramaturg
Besonders sein Talent für komische Rollen schätzt Rudi Vogel. Inzwischen gehört Zoltan auch zum regulären Ensemble des Schwabinger TAMS Theaters um Lorenz Seib und Chefin Anette Spola. Sie führte bei mehreren Inszenierungen des Ensemble Apropos Regie.
"Für mich war es am Anfang auch neu: Eine Gruppe, die nie Theater gemacht hatte, psychisch Kranke hieß das damals noch. Psychiatrieerfahrene ist dann das Nächste gewesen. Ich weiß nicht, wie man jetzt sagen darf, ist ja auch mittlerweile vollkommen egal. Zoltan ist auf jeden Fall sehr begabt und beneidenswert in sich ruhend. Und dadurch entsteht immer eine Figur. Er spielte eine große Rolle in der Inszenierung „Kleiner Mann - was nun?“ Da hatte ich wirklich, wenn er zurückkommst und dem Lämmchen erzählt, dass sie ihn verjagt haben, fast jedes Mal Tränen in den Augen. Das war wirklich großartig!"
Anette Spola, Tams Theater München
Zoltans Lebenslieder: Singen und Songschreiben
Noch wichtiger sind Zoltan inzwischen aber die Musik und seine Lieder, unmittelbare, raue, einfache und gleichzeitig tief emotionale Songs. Zur Zeit arbeitet er an einer ersten CD, die im Herbst 2017 erscheinen soll. Seit einiger Zeit tritt er auch öffentlich auf, gemeinsam mit seinem Freund, dem Musiker und Komponisten Anton Prestele. Der schätzt die Qualität seiner Songs und unterstützt ihn musikalisch.
"Ich habe mir gedacht, warum ist es eigentlich so: Er benutzt Mittel, die ein Musiker mit einer klassischen Ausbildung so nicht unbedingt verwenden würde. Aber es klingt überhaupt nicht kitschig, was er macht. Ich spüre, dass er etwas mitteilen kann, aufgrund dessen, wie er es fertigbringt, das Erlebte über einfache Harmonien, über einfaches Englisch rüberzubringen. Ich finde das grandios."
Anton Prestele, Musiker und Komponist
Stabiler Alltag: Arbeit in einer Werkstätte
Seit 23 Jahren arbeitet Zoltan in den Isar Würm Lech Werkstätten in München. Auch das, meint er selbst, ist wichtig für sein Leben. Die ersten Jahre hatte er noch die Hoffnung, auf dem freien Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen, aber das klappte nicht.
"In dieser beschützten Werkstatt hast Du halt geregelte Arbeitszeiten, das ist schon gut für mich, wegen der Musik. Außerdem, was wäre, wenn ich nur zu Hause sitzen und Musik machen würde? Auch beim Theaterspielen ist das so, plötzlich ist es dann wieder vorbei. Natürlich hätte ich gerne Erfolg auch mit der Musik. Aber das ist nicht sicher, keiner kann sagen, wie das wird und für mich ist es nicht das Entscheidende. Das Wichtigste für mich ist Gesundheit: Ich hab´ jetzt keine Angstzustände mehr, ich hab keine Wahrnehmungsstörungen mehr, gar nichts hab ich mehr. Also, alleine das Medikament macht das nicht. Und jetzt mache ich wieder Musik ..."
Zoltan Sloboda