Journalist Stefan Kornelius
Er ist einer der erfolgreichsten Außenpolitik-Journalisten der Bundesrepublik. Mit Sorge blickt er auf die Polarisierung im US-Wahlkampf – und spricht mit Hinblick auf den Bundestagswahlkampf in Deutschland eine Warnung aus.

Stefan Kornelius, der im baden-württembergischen Weinheim geboren wurde, hat eine beeindruckende Karriere im Journalismus vorzuweisen. Für die Süddeutsche Zeitung war er von 1991 bis 1996 als Korrespondent in Bonn – seine Schwerpunkte: Verteidigungs- und sicherheitspolitische Themen. Während der Clinton-Präsidentschaft berichtete er dann als Korrespondent aus Washington. Von 2000 an leitete Kornelius, der als außergewöhnlich gut vernetzt gilt, das Außenpolitik-Ressort der SZ. Seit 2021 ist er Politik-Chef bei der SZ.
Scharfer Beobachter und brillanter Kommentator
Der 58-Jährige gilt als scharfer Beobachter und brillanter Kommentator des politischen Geschehens. Aktuell beschäftigt ihn vor allem die anstehende Präsidentschaftswahl in den USA – und die dort fortschreitende gesellschaftliche Spaltung in zwei sich unversöhnlich gegenüberstehende Lager:
"Die USA stehen vor einer Schicksalswahl, die Spaltung erscheint fest betoniert: Die politischen Institutionen des Landes, die Justiz, die Exekutive, die Parlamente, die Medien, die Lobbygruppen – die Polarisierung hat sich festgefressen."
(SZ, 24.10.24)
Für diesen Zustand gibt er nicht allein Trump die Schuld – das Problem liege tiefer: Kornelius sieht auch das amerikanische Mehrheitswahlrecht als Ursache für die starke Polarisierung: Dieses habe „den Kompromiss zerstört“– Politiker seien fast gezwungen, zu polarisieren, um an die Macht zu kommen.
Trumps „Charakterlosigkeit“ als Erfolgsrezept
Den Erfolg Donald Trumps erklärt er auch mit dessen Talent, in verschiedenste Rollen zu schlüpfen – und dabei nicht wirklich greifbar zu werden. Dadurch fungiere er für viele als Projektionsfläche:
"Die Charakterlosigkeit ist sein eigentlicher Charakterzug. Gewiss: Er ist ein Narziss, ein Egomane. Aber in Wahrheit ist er Charakterdarsteller – jeden Tag aufs Neue, jeden Tag in einer anderen Rolle, oft widersprüchlich, halt- und bodenlos. Er bedient Fantasien, Wünsche, Träume; er spricht aus vielen Seelen – und verstört ebenso viele."
(SZ, 24.10.24)
Besorgter Blick auf den deutschen Wahlkampf
Auch den deutschen Vor-Wahlkampf beobachtet Kornelius mit Skepsis – vor allem das frühzeitige kategorische Ausschließen bestimmter möglicher Koalitionen. Die "Verteufelung der Grünen" von Seiten Markus Söders und der CSU hält der Politikexperte für "taktisch unklug". Wenn demokratische Parteien nicht miteinander sprechen, nütze das am Ende vor allem einer Partei:
"Die CSU hat mit dieser Härte die Freien Wähler aufgewertet, sich aller anderen Koalitionsoptionen beraubt und auf eine Anti-Grünen-Stimmung vertraut, die in den schwarz-grün regierten Ländern Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein bis heute nicht zu spüren ist und auch nicht dem Charakter der Grünen gerecht wird. Am Ende hilft es nur der AfD, wenn man AfD-Denke und -Sprache kopiert – diese Weisheit sollte inzwischen leicht zu akzeptieren sein."
(SZ, 21.9.24)
Schwäche der politischen Mitte kann zur Gefahr werden
Als größte Herausforderungen für die Politik sieht er die Überwindung der ökonomischen Schwäche, die Finanzierung der Sicherheitspolitik und den Klimawandel. Die Probleme würden immer komplexer – und die Parteien der Mitte würden aktuell daran scheitern, den Populisten Einhalt zu gebieten. Mit Blick auf die Bundestagswahl 2025 fällt seine Prognose wenig optimistisch aus:
"Die Parteienlandschaft in Deutschland ist in Aufruhr wie seit den Gründerjahren der (West-)Republik nicht mehr. Es ist mehr als realistisch, dass ein Viertel, wenn nicht gar ein Drittel aller Stimmen an Parteien gehen, die zu klein oder zu extrem sind, als dass sie für eine Fortsetzung des deutschen Demokratiemodells aus Koalition und Kompromiss taugen."
(SZ, 21.9.24)