BR Fernsehen - Sehen statt Hören


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Politiker & Aktivist Steffen Helbing im Hungerstreik

Steffen Helbing ist Aktivist, Politiker - und hochengagiert für die Teilhabe von gehörlosen Menschen in Deutschland. Er selbst ist gehörlos, sitzt im Rollstuhl und hat 2020 die Diagnose Dickdarmkrebs bekommen. Das hält ihn nicht davon ab, in ein Zelt am Bundeskanzleramt zu ziehen und in den Hungerstreik zu treten. Sehen statt Hören hat ihn besucht.

Stand: 18.11.2021

Am 25.Oktober 2021 wird vor dem Bundeskanzleramt ein Pagodenzelt aufgebaut: Der Aktivist Steffen Helbing bezieht hier Stellung. Indem er in den Hungerstreik tritt, protestiert er gegen die derzeitige Situation gehörloser Menschen in Deutschland. In den sozialen Netzwerken verbreitet er seine Botschaft. Motiviert wurde er durch den Hungerstreik der Klimademonstranten, der Erfolg hatte. Ihm geht es um Barrierefreiheit. Seine Frau Gerlinde unterstützt ihn dabei.

"Wie alle anderen Gehörlosen habe ich auch große Schwierigkeiten, was die politische Arbeit betrifft. Es ist ein schwerer Kampf, immer wieder auf sich aufmerksam zu machen und ständig abgewiesen zu werden. Deshalb stehe ich auf und möchte so meinen Protest zeigen und in den Hungerstreik treten. Nach so vielen Jahren habe ich es einfach satt."

Steffen Helbing

Großes Engagement

Steffen Helbing wohnt in Berlin, ist Mitglied der CDU, Aktivist und Politiker, engagiert sich für verschiedene Gehörlosenvereine und –verbände, gehört seit 2019 auch dem Präsidium des Weltverbandes der Gehörlosen an. Seit einem Treppensturz in der Arbeit mit anschließender OP sitzt er im Rollstuhl. Und seitdem kämpft er gegen die Barrieren an, die ihm sowohl als Rollstuhlfahrer als auch als Gehörlosem im Alltag begegnen. Und das sind jede Menge. Im September dieses Jahres wurde Steffen Helbing vom brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke für sein Engagement ausgezeichnet. Darüber hat er sich sehr gefreut. Geholfen hat es ihm dennoch nicht.

"2009 ist die Behindertenrechtskonvention ratifiziert worden. Ich dachte mir „toll“ und ich war unheimlich motiviert. Ich bin dann gleich 2012 bei der CDU Mitglied geworden und habe mich über die ganze Zeit sehr engagiert. Am Anfang war es für die meisten natürlich erst einmal wie ein Schock mit mir als Gehörlosem. Ich habe versucht, ruhig und freundlich zu bleiben. Viele Themen waren auch Neuland. Es hat eine gewisse Zeit gebraucht, bis es dann lief. Mittlerweile haben sie ein ganz anderes Verständnis für Gehörlose."

Steffen Helbing

Viel Austausch, große Unterstützung

Auch nachts brennt noch Licht im Zelt...

Während seines Hungerstreiks bleibt Steffen Helbing auch die Nächte über wach, um für alle erreichbar zu sein – vor Ort und im Netz. Erst morgens legt er sich für ein paar Stunden hin, seine Frau Gerlinde übernimmt dann. Der Aktivist bekommt an seinem Zelt auch Besuch von der Presse und anderen Politikern – wie etwa der Behindertenbeauftragten des Landes Brandenburg Janny Armbruster. Er diskutiert, zeigt Probleme auf, bringt konkrete Beispiele, wo es hakt mit der Barrierefreiheit – und berichtet sehr anschaulich, was das für Gehörlose in Deutschland bedeutet.

Der Demozug endete im Zelt bei Steffen Helbing

Unterstützung bekommt er im Netz, die dann schließlich auch bei ihm direkt vor Ort ankommt: Über die sozialen Medien wird zu seiner Unterstützung zu einem Demonstrationszug aufgerufen, vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum Bundeskanzleramt - also bis zum Pagodenzelt von Steffen Helbing. Eine Unterstützung, die den Aktivisten zu Tränen rührt.

Sorgen wegen des Hungerstreiks

Steffen Helbing mit Bundestagsabgeordnete Stephanie Aeffner (Bündnis 90/ Die Grünen)

Wegen Steffen Helbings Hungerstreik machten sich viele Menschen große Sorgen um ihn, darunter auch einige Politiker: Die neugewählte Bundestagsabgeordnete Stephanie Aeffner und die Landesbehindertenbeauftragte Janny Armbruster aus Brandenburg kamen in Steffen Helbings Zelt und baten ihn eindringlich, den Hungerstreik zu beenden. Der knüpfte das aber an einige Bedingungen: Er wollte es schwarz auf weiß, dass seine Anliegen bei den Koalitionsverhandlungen mit der Ampelkoalition berücksichtigt werden – am 6.Dezember könne man das dann niedergeschrieben haben. Das konnte Steffen Helbing schließlich akzeptieren. Er beendete seinen Hungerstreik.

Zuversicht und Erfolge – auch nach gesundheitlichen Rückschlägen

Ein wichtiger politischer Erfolg, der Steffen Helbing anrührte. Schließlich musste er die letzten zwei Jahre viele seiner Ämter abgeben und auch sonst kürzertreten, denn damals bekam er eine Darmkrebsdiagnose. Doch auch davon lässt er sich schließlich nicht unterkriegen, auch wenn er damals einige Zeit braucht, um den Schock zu überwinden. Mit eisernem Willen beginnt er Sport zu machen und nach vorne zu schauen – trotz schwerer Operationen. Er ist zuversichtlich. Und das auf mehreren Ebenen.

Politisch gesehen hofft er jetzt auf den Nikolaustag.

"Ich hoffe und würde mich freuen, wenn in meinen fleißig geputzten Schuhen, die ich dann vor die Tür stellen werde, am nächsten Morgen vom Nikolaus ein unterzeichnetes Papier, schwarz auf weiß stecken wird. Dann bin ich glücklich. Vielen Dank."

Steffen Helbing


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