Aus dem Leben auf die Bühne G² - Stefan und Christof Goldschmidt
Bis heute sind die beiden Brüder Stefan und Christof Goldschmidt eng miteinander verbunden und jeder ist in seiner Welt erfolgreich. Einziger Unterschied: Christof kann als Hörender jederzeit in Stefans Welt wechseln. Umgekehrt ist das für Stefan nicht so einfach. Sehen statt Hören hat die beiden Brüder besucht…
Stefan fühlt sich mit seinem jüngeren Bruder Christof von Beginn an verbunden. Die beiden verstehen sich gut und gebärden miteinander. Die Eltern - der Vater ist Kinderarzt - folgen kollegialen Empfehlungen und verbieten ihnen, miteinander zu „plaudern“, wie sie die Gebärdensprache nennen. Stefan soll lautsprachlich aufwachsen. Das funktioniert aber nicht, weil Christof weiter mit Stefan gebärdet. Gegen die starke Brüderbindung können sich die Eltern nicht durchsetzen – und lassen die beiden schließlich gewähren.
"Zu dieser Zeit, 1970, 1975 war Gebärdensprache in der Gesellschaft noch nicht selbstverständlich. Da waren es Fachleute, also Ärzte, Lehrer denen hat man sich untergeordnet und ihren Rat befolgt, Gebärdensprache nicht zu verwenden. Diese Haltung wurde in die Familien getragen. Aber unsere Mutter musste bei uns sehr schnell aufgeben."
Stefan Goldschmidt
Enge Bindung, Verletzungen und Missverständnisse
Das Verhältnis zwischen Stefan und Christof wird immer enger. Auch wenn die Mutter etwas gebärden kann, ist Christof für Stefan der einzige wirkliche Gesprächspartner in der Familie. Und Christof fühlt sich in der Welt der Gehörlosen zuhause. Selbst die unterschiedlichen Schulen können die beiden nicht entzweien. Natürlich gibt es auch Verletzungen und Missverständnisse auf dem Weg ins Erwachsenenleben. Die Rollen „kleiner“ und „großer“ Bruder vermischen sich, weil Christof den Auftrag der Mutter hat, auf seinen gehörlosen Bruder aufzupassen. Und auch Christof erlebt Ausgrenzung, als er als Hörender nach sieben Jahren Mitgliedschaft im Gehörlosen-Sportverein von der Teilnahme an einem Wettkampf ausgeschlossen wird.
"Sie haben Christof gesagt, er soll auf mich aufpassen. Er hatte also schon als kleiner Junge dieses Gefühl, auf mich aufpassen zu müssen. Das hätten sie lassen sollen. Der Kleine schaute immer sorgenvoll nach mir. Ich hab gesagt, lass den Quatsch, aber er konnte es einfach nicht lassen. Ich war zudem jemand, der überall hin wollte und neugierig war. Und er? Wollte ständig auf mich aufpassen. Das hatte er richtig verinnerlicht."
Stefan Goldschmidt
"Ich war traurig, weil ich ausgeschlossen wurde. Ich war doch für die Gehörlosen, für die Gebärdensprache. Die Gebärdensprache war für mich wichtig und dann werde ich auf einmal ausgeschlossen, weil ich hörend bin. Das Problem war ja, dass früher die Gehörlosen in der Gruppe gemeinsam sehr stark waren, aber sie von hörender Seite zurückgedrängt wurden. So haben sich dann die Gehörlosen ein Stück weit selbst verteidigen müssen und haben ihrerseits Hörende abgelehnt. Das konnte ich ja noch verstehen, aber wenn ein Hörender kam, der gebärden konnte, ihn einfach abzulehnen? Das war zu viel!"
Christof Goldschmidt
Publikumslieblinge
All diese starken Gefühle, die wundervollen Momente aber auch Probleme ihres Aufwachsens brachten die beiden, die mittlerweile längst als Lektor an der Uni Hamburg und als Rechtsanwalt und Kanzleipartner erfolgreich im Leben stehen, auf die Bühne. Und für Christof bleibt Stefan immer der große Bruder. Die Brüder Stefan und Christof Goldschmidt waren die Publikumslieblinge des DeGeTh-Festivals 2014.In ihrer Geschichte von Zusammenhalt, gemeinsamer Sprache, Identitätssuche und Erwachsenwerden haben sich viele Zuschauer wieder gefunden ...