Das Gehirn Die wichtige Schaltzentrale
Ohne unser Gehirn könnten wir Informationen, Eindrücke, Wahrnehmungen und Erlebnisse nicht verarbeiten. Sogar im Schlaf ist das Gehirn in Aktion. Aber was ist das eigentlich, unser Gehirn? Wie ist es aufgebaut und wie funktioniert es? Diesen und anderen Fragen geht Sehen statt Hören-Moderator Ace Mahbaz nach.
In unserem Gehirn gibt es über 86 Milliarden Nervenzellen, die unablässig Informationen austauschen und dauerhaft aktiv sind. Das Gehirn ist in verschiedene Hirnareale aufgeteilt, die alle unterschiedliche Aufgaben haben.
Der Frontallappen beispielsweise ist für den kognitiven Bereich, also für das Denken und Beurteilen zuständig. Der Parietallappen ist für die räumliche Wahrnehmung verantwortlich und übernimmt damit die Koordination von Bewegungsabläufen. Der Hirnstamm kontrolliert automatische Funktionen wie Atmung, Herzfrequenz und Blutdruck. Selbst wenn wir schlafen, schaltet der Hirnstamm nicht ab – damit das Herz auch nachts schlägt und wir weiteratmen.
Neu und spannend – der Filter im Gehirn
Insgesamt muss das Gehirn viel verarbeiten – im Moment bei vielen sogar noch mehr als bisher: Erst die Corona-Pandemie, jetzt der Krieg in der Ukraine und dann auch noch der Klimawandel - es sind viele negative Nachrichten, die auf uns einprasseln Und das wirkt sich auch auf unser Gehirn aus. Doch genau für solche Zeiten hat das Gehirn eine besondere Filterfunktion.
"Wenn alles, was wir aufnehmen, bei uns hineinkommen könnte, wären wir in kürzester Zeit in der Psychiatrie. Weil: es wäre zu viel. Das heißt, es wird aussortiert."
Dr. Udo Baer, Traumatherapeut
Hängen bleibt durch diesen Filter nur das, was neu ist und uns emotional interessiert "Die Wetterkarte vergessen Sie, aber wenn es eine Überschwemmung gibt, dann bleibt die in Erinnerung. Wenn Sie Kriegsbilder sehen oder Nachrichten, dann wird das mehr wahrgenommen als die 34. Bundestagssitzung", erklärt Dr. Baer. Diese Nachrichten sind emotional aufwühlend, beschäftigen uns und haben damit auch Auswirkungen auf unsere Gesundheit.
Die SOS-Zentrale: Der Mandelkern
Um unsere Gesundheit zu schützen, gibt es ein klitzekleines Organ in unserem Hirn – die Amygdala. Das Organ, das nur etwa so groß ist wie ein Mandelkern, ist ein „Überbleibsel“ aus der Steinzeit. Dessen einzige Funktion ist es, Menschen vor existenziellen Krisen zu bewahren: Es untersucht alle Informationen danach, ob sie lebensgefährlich sein könnten. Kommt beispielsweise ein Foto aus dem Krieg oder von anderen Katastrophen im Gehirn an, übernimmt die Amygdala das Kommando - sowohl über das Gehirn, als auch über den ganzen Körper. Dann werden Hormone ausgeschüttet, der Verstand schaltet sich in den Sparmodus, die für diese Situation unnützen Informationen verschwinden sozusagen im Hintergrund. Es geht um Kampf, um Flucht oder ums Verstecken – ums Überleben eben.
Genauso wichtig wie das Hochfahren ist allerdings auch, dass der Organismus anschließend wieder runterfahren kann. "Wenn die Erregung bleibt, wenn uns das in die Nacht hineinbeschäftigt, wenn der Blutdruck hoch bleibt, dann hat es gesundheitliche Auswirkungen", betont Dr. Baer. Die Auswirkungen: Entzündungen, Magenschmerzen, Herzkreislauferkrankungen. Doch die Flut an Nachrichten führt bei manchem zu ständiger Unruhe im Hirn und macht Stress- mit negativen Auswirkungen auf den Körper.
Den Kopf frei bekommen
Was können wir tun, um den Kopf wieder freizubekommen? Betty Schätzchen, Yogalehrerin und Coach, hat dafür einige Tipps. Zum einen sollte man den Fokus auf die Atmung legen. Bei Stress ist die sehr flach und schnell, der Atem soll jedoch tiefer in den Körper hinein und zudem langsamer fließen – dann wird die Anspannung weniger. Eine weitere Art, Stress abzubauen, ist die sogenannte Schütteltechnik. In Stresssituationen neigt der Körper dazu zu verkrampfen. Um hier wieder locker zu werden, hilft Schütteln von Kopf bis Fuß. Einfach wellenartige Bewegungen durch den ganzen Körper – Gesicht und Kiefer inklusive. Ganz allgemein sollte man die Flut an Nachrichten eindämmen. Der Tipp: Nur ab und zu Nachrichten lesen. Dann wird man auch innerlich ruhiger.
Lang gemerkt oder schnell vergessen?
Wie speichert unser Gehirn eigentlich Informationen ab? Warum können wir uns manches dauerhaft merken und anderes wiederum ist nach kurzer Zeit wieder vergessen? Unser Gehirn funktioniert wie eine Art Festplatte, wobei es ständig Netzwerke baut und Informationen tauscht; das eine speichert, das andere löscht, Verbindungen knüpft und andere kappt. Beim Fernsehen beispielsweise landen die Bilder alle im Ultrakurzzeitgedächtnis – nur die spannendsten schaffen es ins Kurzzeitgedächtnis. Auch gelernte Vokabeln sind nach 20 Minuten schon wieder vergessen – doch bei voller Konzentration können auch die im Langzeitgedächtnis landen. Denn: Viel genutzte Nervenbahnen werden stabiler, es entsteht eine Art "Autobahn", man kann sich mehr merken. Das gilt auch für emotionale und schöne Erinnerungen, die die Nervenzellen mehr aktivieren. Solche Erinnerungen bleiben dann hängen. Allerdings kann man die Merkfähigkeit des Gehirns auch trainieren – beispielsweise durch Merksätze und Eselsbrücken.
Wenn die Erinnerung trügt …
Doch nicht alles, an das wir uns erinnern, ist auch tatsächlich so passiert. Erinnerungen können sich im Laufe des Lebens verändern – dabei denken wir, wir hätten es genauso erlebt. Dabei kann es durchaus sein, dass es sich um Erzählungen einer anderen Person handelt – und wir in der erinnerten Situation tatsächlich gar nicht dabei waren. Doch warum verändert das Gehirn unsere Erinnerungen? Schon lange wird in Philosophie, Medizin und Psychologie daran geforscht, was Erinnerung eigentlich ist. Die Neurologie sieht das Gehirn als einen Speicherort für Erinnerungen an – und Erinnerungen sind dabei nicht reine Informationsreize: Bevor sie im Gehirn abgelegt werden, durchlaufen sie aber unsere Wahrnehmung – und häufig schon allein dadurch verändert abgespeichert.
Aber auch durch Alter, durch Krankheiten wie Demenz oder durch toxische Substanzen können Nervenzellen zerstört werden und so kann das Erinnerungsvermögen beeinträchtigt sein. Deshalb verschwinden manche Erinnerungen auch wieder und andere bleiben ein Leben lang bestehen oder sind nur latent vorhanden.
Grundsätzlich ist das Erinnerungsvermögen von Mensch zu Mensch individuell verschieden, was auch mit den jeweiligen Biografien zu tun hat. Und: Erinnerungen können auch "überschrieben" werden. Wenn etwas besonders unangenehm war, dann können Erinnerungen so umstrukturiert werden, dass sie annehmbar werden.
Gedächtnisverlust infolge von traumatischen Ereignissen
Manchmal löscht sich die Erinnerung aber komplett aus – infolge eines Traumas beispielsweise. Wird einer schlimmen Situation mit Flucht oder Angriff begegnet, entsteht seltener ein Trauma. Wird der Moment jedoch als ausweglos erlebt, fühlt sich die Person hilflos und verloren, dann kann sie traumatisiert werden. Der menschliche Körper und das Gehirn sind überfordert, eine Verarbeitung ist nicht möglich - und so wird automatisch verdrängt. Das heißt: Die Erinnerungen sind einfach weg, zum Selbstschutz der Person. Der Fachbegriff hierfür ist Dissoziation. Manchmal wirken diese Personen gefühllos und kalt. Erst nach einer Weile, nachdem die Ereignisse verarbeitet wurden, kommen die Erinnerungen langsam wieder zurück. Allerdings gibt es auch die Möglichkeit, dass die Erinnerung schlagartig ausgelöst durch eine bestimmte Situation wiederkommt. Ein sogenannter Flashback bringt den Betroffenen in eine hilflose Lage. Denn: Das traumatische Ereignis wurde in diesem Fall noch nicht verarbeitet, sondern lediglich verdrängt.
Das Gehirn kann vieles - sich Dinge merken, lernen, sich an Dinge erinnern und auch wieder vergessen. Und vieles ist noch längst nicht erforscht. Und trotzdem: Unser Gehirn ist keine Maschine! Wir sollten unserem Kopf auch mal Auszeiten gönnen. Und mal abschalten.