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Buch von Josephine Apraku "Kluft und Liebe"

Die Liebe vermag es, alle Grenzen zu überwinden. So wird es uns zumindest in Filmen, Liedern und in der Literatur oft vermittelt. Ist das aber wirklich so? Josephine Apraku hat darüber ein Buch geschrieben. "Kluft und Liebe" heißt es.

Author: Andreas Krieger

Published at: 27-9-2022

Die Liebe. Bringt uns dazu frei zu sein. Und miteinander. Wir haben die Augen weit geöffnet. Und: sind ignorant. "In unserer Gesellschaft wird Liebe als etwas verhandelt, was vermeintlich ausschließlich positiv ist", sagt Josephine Apraku, Autor:in des Buches "Kluft und Liebe". "Wir haben Schmetterlinge im Bauch und sind sozusagen volltrunken des Glückes, wenn wir in Liebe sind. Aber die Realität ist, dass die unterschiedlichen Formen von Diskriminierung auch in unseren Liebesbeziehungen wirken, in uns selbst, in unserem Handeln wirken. Und dass diese unterschiedlichen Formen von Diskriminierung uns auch in unseren Liebesbeziehungen trennen. Da kann es einerseits darum gehen, wie beispielsweise Sorgearbeit zugeschrieben wird, in heterosexuellen Liebesbeziehungen beispielsweise. Es kann aber auch über Zuschreibungen geschehen. Etwa wenn schwarze Personen in Konflikten als besonders aggressiv dargestellt werden, obwohl sie vielleicht einfach nur ein Thema ansprechen, das angesprochen werden muss."

"Du bist aber wenig zickig!"

"Kluft und Liebe". Die "Luft" steckt auch im Titel. Hoffnung! Die Liebe ist ein Widerspruch: Bringt Menschen nah zusammen, um ihnen einen Graben aufzutun. "In meinem Buch schreibe ich, dass Liebesbeziehungen im Grunde Petrischalen sind, in denen sich gesellschaftliche Umstände im Kleinen zeigen. Das kann zum Beispiel beim Kennenlernen so etwas sein wie eine Mikroaggression. So etwas wie: 'Du bist aber wenig zickig. Das kenne ich gar nicht von Frauen.' Oder: 'Du bist aber schön für eine schwarze Person.' Oder: 'Du hast ein hübsches Gesicht' zu einer Person, die dick ist. Also diese ganzen kleinen Momente, in denen sich Diskriminierung zeigt und an denen sich auch Momente der Diskriminierung festmachen, sind natürlich auch bedeutsam in unseren Liebesbeziehungen."

Fetischisierung - Wenn die tatsächlichen Eigenschaften unsichtbar werden

Das Äußere zieht uns an. Oder nicht. Unser Blick auf den anderen ist von Rastern geprägt. Körper, Hautschattierung, Kleidung. Wir sortieren. Wir diskriminieren. Bevor wir dem anderen die geringste Chance geben. "Ein großer Faktor, auch wenn es um Attraktivität geht oder um Vorstellungen von Attraktivität, ist Fetischisierung", sagt Josephine Apraku. "Zum Beispiel die Zuschreibung hinsichtlich schwarzer Körper, dass sie besonders wild sind, besonders exotisch, dass sie etwas Ungestümes haben, das nicht gezähmt werden kann, auch tatsächlich sexuell gedacht. Und diese Fetischisierung ist ziemlich gängig und wird oftmals mit Attraktivität oder Anziehung oder Verlangen verwechselt. Aber in Realität handelt es sich dabei um eine Zuschreibung, in der eine Person zu einer Projektionsfläche degradiert wird, die nichts mit der Realität von dieser Person zu tun hat, sondern im Gegenteil: Die Person ist quasi eine Leinwand und wird dahinter selbst unsichtbar mit ihren tatsächlichen Eigenschaften, mit ihren tatsächlichen Wünschen, mit ihren tatsächlichen Gefühlen und Bedürfnissen."

Die Kluft überhaupt zu registrieren, ist der erste Schritt, sie zu überwinden. Dafür müssen wir Momente der Unterdrückung erkennen lernen. Verinnerlichte Marginalisierung. Verinnerlichte Dominanz. Machtgefälle. "In Liebesbeziehungen ist es zentral wahrzunehmen, dass wir unterschiedliche Erfahrungen machen und dass das grundsätzlich erst mal okay sein kann", sagt Josephine Apraku. "Also, dass es nicht unbedingt darum geht zu sagen: 'Ich kann deinen Schmerz erst anerkennen, wenn ich ihn verstehen und nachfühlen kann.' Weil genau das ist es, was Diskriminierung schafft: nämlich eine Trennung nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch zwischen zwei Menschen in Liebesbeziehungen. Zum Beispiel dadurch, dass die Erfahrungen einfach sehr unterschiedlich ausfallen."

Raum geben für den Schmerz

Wenn der eine Partner diskriminierende Erfahrungen gemacht hat, sollte der andere, der diese Erfahrungen nicht gemacht hat, einfach nur mal zuhören. Raum geben für den Schmerz. Je mehr Raum sich Menschen erlauben, desto näher kommen sie sich. "Ich bin davon überzeugt, dass es gut ist, sich für die Liebesbeziehung zu entscheiden und dann gemeinsam zu sagen: 'Wir gehen als Team gegen die Formen von Diskriminierung vor, die bedeutsam sind im Rahmen dieser Liebesbeziehung.' Das kann zutiefst verbindend sein. Zu prüfen: Was sind gemeinsame Commitments, die wir eingehen? Wie wollen wir Diskriminierung begegnen? Sich den Raum zu nehmen und aktiv zu reflektieren: Was ist das, was wir hier miteinander machen?"

Das Buch "Kluft und Liebe" hilft zu erkennen, wo wir uns vermeintlich nah fühlen. Und wie wir es tatsächlich auch sein können. Die Liebe. Bringt uns dazu frei zu sein. Wenn wir sie neu definieren: als aufrichtige Übernahme von Verantwortung.

Buch

Kluft und Liebe: Warum soziale Ungleichheit uns in Liebesbeziehungen trennt und wie wir zueinanderfinden
von Josephine Apraku
288 Seiten
erschienen bei Eden Books


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