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Sozialprojekt "Brot am Haken"

Es sind die ganz einfachen Dinge, die unser Leben lebenswert machen: das tägliche frische Brot, ein Kaffee in der Sonne, die erste Kugel Eis zum Frühlingsanfang. Doch es gibt Menschen, die sich genau diese Kleinigkeiten schlicht nicht leisten können. In München will man da Abhilfe schaffen.

Von: Viola Nowak

Stand: 22.04.2017

Sozialprojekte | Bild: BR

Über ein Bon-System erhalten Bedürftige kleine Aufmerksamkeiten, die den mühsamen Alltag ein bisschen angenehmer machen. "Brot am Haken" nennt sich dieses Sozialprojekt, und erfreut sich eines immer größeren Zulaufs.  

Vor zwei Jahren rief Michael Spitzenberger das Projekt ins Leben. Als Münchner wollte er seine Heimatstadt auch für die Menschen lebenswert machen, die in ihrem Leben vielleicht nicht so viel Glück hatten. Und davon gibt es viele in München – mehr als man in einer so reichen Stadt eigentlich vermuten würde. Dabei geht es vor allem um die versteckte Armut: Rentner, die sich die Mieten nicht mehr leisten können, alleinerziehende Mütter und Väter, Arbeitslose.

Das Prinzip von "Brot am Haken" ist ganz einfach: Bedürftige können sich zum Beispiel in teilnehmenden Bäckereien Brot, Kaffee oder etwas anderes zum Essen holen, was ein anderer Kunde vorher schon bezahlt hat. Ersichtlich ist das an einem Bon, der an einem Hakenbrett hängt. So kann wirklich jeder mit kleinem Aufwand und quasi im Vorbeigehen Gutes tun.

"Ein Ziel von 'Brot am Haken' ist auf jeden Fall, diese Menschen zurück in die Mitte der Gesellschaft zu holen. Wenn sie in solche Ladengeschäfte gehen, fühlen sie sich wieder gesehen, sie fühlen sich wieder teilgenommen an der Gesellschaft, eine Teilhabe findet statt."

Michael Spitzenberger, Initiator „Brot am Haken“

Idee aus Neapel

Die Idee des "Anschreibens für den guten Zweck" wird übrigens weltweit praktiziert. So gibt es seit über 100 Jahren in Italien die Möglichkeit, einen Espresso für sich und einen zweiten, den "caffé sospeso", einen aufgeschobenen Kaffee, für Bedürftige zu bestellen. Und in Istanbul wurde früher tatsächlich Brot für Bedürftige im Beutel an den Haken gehängt.

In München steckt das Projekt noch in den Anfängen. Mittlerweile machen 30 Läden mit: Bäckereien, Eisdielen, ein Falafel-Laden. Auch immer mehr Dienstleistungen sind im Angebot: So kann man nach dem Motto "Kultur am Haken" ein Konzert in der Jazzbar Vogler besuchen – bei einem Friseur gibt es den „Haarschnitt am Haken“, in einem Kosmetikstudio „Wellness am Haken“. Eine Liste mit den teilnehmenden Geschäften erhält man über den Verein.

Das eigene Gewissen ist Kontrollinstanz

Kontrolliert, ob jemand bedürftig ist, wird übrigens nicht. Da appellieren Michael Spitzenberger und sein Team an das eigene Gewissen. Zudem geht es ja auch nicht darum, Hunger oder Durst zu stillen. Vielmehr will man mit kleinen Gesten kleine Freuden bereiten und bedürftigen Menschen den oft beschwerlichen Alltag ein bisschen erträglicher machen. Ein Bon am Haken sagt: Heute hat jemand an dich gedacht. Lass es Dir gut gehen!  


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