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Der Weg ist das Ziel Selbsthilfegruppen in Bayern

Wer an einer seltenen Krankheit leidet oder in einer persönlichen Krise steckt, fühlt sich schnell allein gelassen. Ein Treffen unter Gleichgesinnten kann dann sehr helfen. Immer mehr Menschen suchen deshalb Unterstützung in einer Selbsthilfegruppe.

Von: Antonia Böhm

Stand: 25.10.2017

Selbsthilfegruppen können den Angehörigen Suchtkranker oft helfen - im Bild: Selbsthilfegruppe für Suchtkranke | Bild: picture-alliance/dpa

In Bayern gibt es mittlerweile 11.000 davon. Der Stellenwert solcher Gruppen nimmt zu, denn sie entlasten auch unser Gesundheitswesen und fangen Randgruppen unserer Gesellschaft auf.

Diese Menschen wollen keinen Rekord knacken, es zählen die kleinen Erfolge

Im Augsburger Siebentischwald treffen sich zwei Mal die Woche Parkinsonkranke, manchevzusammen mit ihren Angehörigen. Es geht nicht allein ums Laufen, es geht darum, sich auszutauschen, Probleme loswerden, Gesellschaft zu haben.
Sonja Mayer hat die Truppe zum Laufen gebracht. Das war vor sechs Jahren. Sie leidet selbst an Parkinson. Angefangen hat sie mit einem Ehepaar. Mittlerweile sind zwischen 10 und 15 Betroffene regelmäßig in der Selbsthilfegruppe dabei.

"Es ist vielleicht eine Hilfe zur Selbsthilfe. Wir reden nicht dauernd über die Krankheit. Das ist schon ein wichtiger Punkt, wir tauschen uns aus, der eine hat einen Tipp für den anderen. Doch wir erzählen uns auch manchmal Dinge, die man vielleicht jemand anderes nicht erzählt, die bleiben aber auch in der Gruppe und das weiß jeder."

Sonja Mayer

Die Krankheit verbindet. Trotz unterschiedlichster Lebensgeschichten ist aus der Gruppe inzwischen eine eingeschworene Gemeinschaft geworden. Über das Laufen hinaus.
Doch auch Sonja war am Anfang "nur" Betroffene. Die Diagnose Parkinson bekam sie sehr früh, mit knapp 50. Ein Schock für die ambitionierte Sportlehrerin.

"Da hat´s mir erst mal den Boden unter den Füßen weggezogen, das ist klar. Es war eine schwierige Zeit und man ist erst mal in der Situation, dass man sich zurückzieht und erst mal für sich klar werden muss: Wie geht`s weiter oder wie kann es weiter gehen."

Sonja Mayer

Auf der Suche nach einem Ausweg schließt sich Sonja einer Selbsthilfegruppe an. Nach kurzer Zeit wird sie von den Teilnehmern ermuntert, eine Laufgruppe aufzubauen.

Die Zahl der Selbsthilfegruppen steigt an

Immer mehr Menschen suchen wie Sonja Mayer Hilfe in einer Selbsthilfegruppe. In Bayern sind es 500.000. Auch die Zahl der Gruppen steigt kontinuierlich. Mittlerweile gibt es 11.000. Sie werden von Selbsthilfekontaktstellen und anderen Einrichtungen unterstützt und vernetzt. Und: Selbsthilfe wird bunter: Betroffene tauschen sich zu 900 verschiedenen Themen aus, werden bei Treffen immer aktiver.

Selbsthilfegruppen, früher eher belächelt, haben inzwischen einen ganz anderen gesellschaftlichen Stellenwert.

"Immer da, wo es neue Probleme gibt, neue Probleme auftauchen, greift die Selbsthilfe als erstes, weil Menschen sich einfach zusammentun aus der Not heraus."

Theresa Keidel, Selbsthilfekontaktstelle Bayern

Selbsthilfegruppen werden von den Krankenkassen finanziell unterstützt

Seit 2008 werden Selbsthilfegruppen von den Krankenkassen finanziell unterstützt. Das ist gesetzlich verpflichtend. Waren es anfangs etwa drei Millionen Euro Gesamtförderung in Bayern, sind es 2017 bereits knapp acht Millionen Euro. Etwa die Hälfte geht an die Selbsthilfegruppen selbst, der Rest an Kontaktstellen und Organisationen für Projekte. Welche Selbsthilfegruppen konkret unterstützt werden, ist dabei genau durch den GKV Spitzenverband geregelt.

"Es sind Selbsthilfegruppen für chronisch kranke Menschen. Auch die Krankheiten sind festgelegt, für die Unterstützung gewährt werden kann: für chronisch Kranken, für Schlaganfallpatienten, Rheumapatienten oder auch Krebspatienten,"

Sigrid König, BKK Landesverband Bayern

Den meisten Zulauf haben Gruppen für psychische Erkrankungen und Sucht

Enormen Zuwachs haben Selbsthilfegruppen für psychische Erkrankungen. Für die Betroffenen ist das oft der letzte Hoffnungsschimmer. Auch für Elfriede Sontag. Nach einer Krankheit fällt die 67-jährige in eine tiefe Depression. Sie kann ihren Alltag nicht mehr selbstständig bewältigen. Ihren Beruf als Altenpflegerin muss sie aufgeben.
Elfriede Sontag findet Trost in der Friedberger Selbsthilfegruppe "Kennen und Verstehen". Stück für Stück findet sie wieder ins Leben zurück. Heute leitet sie selbst eine Gruppe. Kann andern etwas zurückgeben.

Auch Sonja Mayer hat durch ihre Laufgruppe viel Kraft getankt. Sie schaut wieder mit mehr Zuversicht und Selbstbewusstsein in die Zukunft. So wie viele andere, die in Selbsthilfegruppen Halt finden.

Veranstaltungshinweis

"Gemeinsam tun – Wege zu mehr Gesundheit": Darüber diskutieren am 26.10.2017 in Augsburg Betroffene und Fachleute auf dem 11. Bayerischen Selbsthilfekongress, Rathaus Augsburg, Oberer Fletz, Rathausplatz 2


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