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Supermarkt-Offensive Rekordgewinne durch Eigenmarken-Boom

Unseren täglichen Einkauf bestimmen inzwischen ein paar wenige Discounter und Supermarktketten. Die Konzentration nimmt immer weiter zu. Allein in Bayern wurden 170 Tengelmannfilialen zu Edeka. Zudem verschwindet die Markenvielfalt, es stehen immer mehr Eigenmarken der Ketten im Regal. Was bedeutet das für Hersteller der Waren und Lebensmittel. Und was kommt auf die Verbraucher zu?

Von: Reinhard Weber und Elke Schmidhuber

Stand: 27.09.2018

Sprühsahne im Check  | Bild: BR

Testeinkauf bei Edeka: Wir schauen nach Produkten, die hier als Eigenmarke geführt werden. Die Liste der Waren ist lang - wir könnten viele Tüten füllen. 3600 Produkte verkauft die Handelskette inzwischen unter dem Namen „Edeka“ für hochwertigere, und unter dem Namen „Gut & Günstig“ für preiswertere Waren. Edeka ist dabei nicht alleine.

40 Eigenmarken in Discountern und Supermärkten

Standen bei Discountern und Supermärkten vor 20 Jahren etwa 20 Prozent der Waren als Eigenmarken in den Regalen, sind es heute schon 40. Bald wird es wohl jedes zweite Produkt sein. Das hat Folgen für die Hersteller und Lieferanten. Landwirt Peter Glöckl aus Karlshuld in der Nähe von Ingolstadt produziert Kartoffeln für Edeka. Der Familienbetrieb, aus dem die bayerische Kartoffelkönigin Ramona stammt, bekommt seit Jahren etwa denselben Preis für seine Ernte. Kosten und Aufwand aber steigen ständig.

"Wir haben zu kämpfen, wir müssen mehr produzieren um auf den gleichen Level, um auf das gleiche Einkommen zu kommen."

Peter Glöckl, Kartoffelbauer, Karlshuld

Peter Glöckl bekommt im Schnitt rund zwölf Cent pro Kilo. Kostenpunkt im Supermarkt: etwa ein Euro. Und der Landwirt muss immer mehr Auflagen erfüllen, wie seine Kartoffeln aussehen sollen. Geschmack ist zweitrangig, meint er.

"Der Einzelhandel will waschfähige Ware, abgepackte, fertige, gewaschene Ware, und die müssen wir eigentlich so dementsprechend produzieren."

Peter Glöckl, Kartoffelbauer, Karlshuld

Hohe Auflagen für Kartoffelbauer

Zusätzlich verlangt Edeka Qualitätszertifikate, die gesetzlich gar nicht nötig wären. Peter Glöckl muss alles dokumentieren bis hin zur Unfallverhütung. Das kostet ihn jedes Jahr viel Zeit und einige hundert Euro. Erfüllt er die Auflagen nicht, bleibt er auf seinen Kartoffeln sitzen. Aber nicht nur die Edeka-Produzenten, auch die Hersteller von Markenartikeln geraten unter Druck. Marketingexperte Viktor Muser berät Handel und Hersteller in Sachen Verkauf. Er kennt die Verhandlungstaktik der Supermarktketten.

"Zum einen wollen sie günstigere Preise haben, also hier auf die Einkaufspreise Druck ausüben. Und zum anderen wird angedroht, Produkte aus dem Regal zu nehmen. Und da muss man dann entscheiden, ob man als Hersteller bereit ist, da nachzugeben oder ob man hart bleibt und dann vielleicht aus dem Regal fliegt. Warum können sie so spielen? Weil sie tatsächlich behaupten, dass sie Alternativen haben, die sie selber durch ihre Eigenmarken geschaffen haben."

Viktor Muser, plan + impuls, München

Was sagt Edeka zum Druck auf Lieferanten und Markenherstellern? Auf unsere Anfrage heißt es schriftlich: "Die Beliebtheit der Edeka-Eigenmarken ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Das Wachstum der Eigenmarken geht dabei nicht zu Lasten der Marke."

Für die Verbraucher wird der Einkauf zunächst preiswerter. Die Stiftung Warentest hat verschiedene Traditionsmarken gekauft - und vergleichbare Handelsmarken. Der Warenkorb mit den Eigenmarken war dabei um rund 45 Prozent günstiger. Doch stimmt die Qualität? Gibt es einen Haken bei der Sache? Wir bringen unseren Edeka-Einkauf zur Lebensmittelexpertin Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern.

"Die Eigenmarken von den Supermärkten und Discountern müssen nicht unbedingt schlechter sein als die Marken. Manchmal sind sie sogar von der Zutatenliste gelesen deutlich besser. Das Problem ist eigentlich, was den Verbraucher häufig ärgert, dass sie nicht die Produzenten nennen müssen. Dann steht nur der Anbieter, also der Supermarkt oder Discounter, drauf. Ich kann also nicht rauslesen: woher kommt das Lebensmittel, wie ist es produziert, und das ist einfach intransparent."

Daniela Krehl, Verbraucherzentrale Bayern

Eigenmarke oder Markenklon?

Wir machen uns auf die Suche: Wer steckt dahinter? Vielleicht sogar die Markenhersteller selbst? Beispiel Sprühsahne. Die Markenware von Glücksklee gibt es bei Edeka für 1,99 Euro. Direkt daneben steht eine Dose von Gut & Günstig für 1,19 - etwa 40 Prozent preiswerter.

Die Glücksklee-Sahne wird von der Firma Hochwald Foods GmbH hergestellt, bei Gut & Günstig steht nur Edeka drauf. Doch anhand der sogenannten Milchnummer - hier DE NW 402 – lässt sich im Internet der Hersteller ausfindig machen. Und siehe da, es ist ebenfalls die Hochwald Foods GmbH, eine Großmolkerei aus Nordrhein-Westfalen. Da bei Sprühsahne der Herstellungsprozess genau vorgeschrieben ist, können sich in diesem Fall die Produkte gar nicht nennenswert unterscheiden. Da ist also die Gut & Günstig-Sahne quasi der Markenklon von Glücksklee - zum fast halben Preis.

Wie wollen die Markenhersteller so einen Preisdruck ausgleichen? Wird dann vielleicht an anderer Stelle gespart? Wir haben ein Sortiment verschiedener Pestos gekauft, bringen sie zur Verbraucherzentrale und lassen die Zutatenlisten checken.

"Wenn natürlich der Preis im Vordergrund ist, dann werden häufig Zutaten, die im Einkauf sehr teuer sind, ersetzt gegen günstige. In dem Beispiel mit dem Pesto haben wir statt Olivenöl Sonnenblumenöl, oder wir finden Pinienkerne ersetzt durch Cashewkerne. Das Produkt ist dann an sich sicherlich nicht schlechter, aber halt günstiger in der Produktion."

Daniela Krehl, Verbraucherzentrale Bayern

Köchin Claudia macht ihr Pesto lieber selbst

Eine günstigere Produktion kann noch weitere Konsequenzen haben. So hat die Zeitschrift Ökotest im Juni beim Marken-Nudelprodukt Barilla im Labor Rückstände von acht Pestiziden gefunden. Qualität – ein Grund für das italienische Restaurant Tiziano, keine Fertigprodukte zu kaufen. Köchin Claudia Canzoniere macht ihr Pesto mit frischen Zutaten immer selbst.

"Es ist von der Zubereitung her und mit den Küchenmaschinen, die man heute hat, eigentlich gar kein Problem, das zuzubereiten. Was da hinein gehört in ein richtiges Pesto ist natürlich frischer Basilikum, Pecorino, Parmesan, Olivenöl und geröstete Pinienkerne."

Claudia Canzoniere, Restaurant Tiziano, München

Wer seine Sachen selber zubereitet, weiß, wo sie herkommen und was drin ist. Und kann zuhause seine ganz eigene Eigenmarke herstellen.

Pesto Genovese für 6 Personen: Rezept von Claudia Canzoniere, Restaurant Tiziano in München

3 Bund Basilikum
50 g Parmigiano
50 g Pecorino
50 g Pinienkerne
1 Knoblauchzehe
100 ml Olivenöl

Zubereitung: Die Pinienkerne leicht rösten. Basilikum waschen und gut trocknen, Pecorino und Parmesan reiben. Die Pinienkerne mit der Knoblauchzehe, der Hälfte des Olivenöls und dem Käse zusammengeben. Mixen, bis eine homogene Pasta entsteht. Nach und nach die Basilikumblätter und den Rest des Olivenöles dazugeben. Zum Konservieren das Pesto mit Olivenöl bedeckt halten. Man kann es auch Portionsweise einfrieren.