BR Fernsehen - Kunst + Krempel


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Biedermeier-Bierkrug Im Giraffenrausch

Um das Jahr 1830, als dieser außergewöhnliche Bierkrug geschaffen wurde, befand sich Europa gerade im Giraffenrausch. Und der machte auch vor Glas nicht halt.

Stand: 03.06.2012 | Archiv

Es ist sein gravierter und vergoldeter Dekor, der diesen Bierkrug in Form eines Biedermeierbechers so interessant macht. Denn er spiegelt eine rauschhafte Begeisterung, die Europa seit 1827 erfasst hatte. Ausgelöst wurde sie durch ein Geschenk des ägyptischen Vizekönigs: Muhammed Ali Pascha hatte, um Kontakt zu den Herrschern Europas zu gewinnen, drei Giraffen auf die Reise geschickt: eine nach London, eine nach Wien und eine nach Paris. Nur die Pariser Giraffe namens Zarafa erreichte ein angemessenes Giraffenalter, nämlich 19 Jahre. Heute ist sie, ausgestopft, im Naturhistorischen Museum auf La Rochelle zu bewundern. Die beiden anderen starben bald nach ihrer Ankunft.

Doch alle drei – solche Tiere hatte 1827 in Europa noch niemand leibhaftig gesehen! – animierten die Menschen auf unterschiedliche Weise: in Wien komponierte man Giraffenwalzer, die ‚valses à la girafe‘. In Paris – und überall, wo man modisch auf sich hielt - türmten die Damen ihre Haare hoch zu einem Knoten, à la girafe. Und die Herren trugen extra hohe Hüte, so genannte ‚girafiques‘; dazu Krawatten und gefleckte (!) Westen.

Kein Wunder also, dass auch die Glasgraveure sich dem Giraffenrausch nicht entziehen konnten und sie in ihrem Material verewigten. Der vorgestellte Krug ist eine besonders feine Arbeit. Und ein Grund, mal wieder einen Flohmarkt zu besuchen - wie den in Gmund, wo dieser außergewöhnliche, kulturhistorisch interessante und seltene Becher wieder aufgetaucht ist.

Fakten:

  • Geschätzter Wert: 250 bis 350 Euro
  • Datierung: um 1830
  • Sendung vom 9. Juni 2012

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