BR Fernsehen - Kontrovers


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Fehlende Solidarität Europa und die Flüchtlingswelle

Nach Angaben der EU-Kommission hat im Juli erstmals die Zahl der Migranten, die über die Außengrenze in die EU gelangt sind, die Marke von 100.000 überschritten. Nun regt sich Widerstand in den Transfer- und Aufnahmeländern.

Stand: 20.08.2015 | Archiv

Syrian refugees take a boat to reach Greek Island Lesvos at Green Harbour Beach near Behramkale, coastal district of Ayvacik, Canakkale, Turkey | Bild: picture-alliance/dpa

Vor einer Woche warfen sich Frankreich und Großbritannien noch gegenseitig Untätigkeit vor. Jetzt beschloss das Nationale Sicherheitskabinett in London, gemeinsam mit Paris gegen die tausenden Flüchtlinge vorzugehen, die versuchen über den 50 Kilometer langen Eurotunnel von Frankreich nach England zu kommen. Beide Länder beschlossen verstärkt Infrarot-Ortungsgeräte, Flutlicht-Scheinwerfer und Überwachungskameras zu installieren, um so die Einreise der Flüchtlinge zu verhindern. Gleichzeitig wird die Polizeipräsenz vor dem Tunnel verstärkt.

Holland und Belgien statt Großbritannien?

Inhalt des Dublin-III-Vertrages:

Stellt eine geflüchtete Person innerhalb der EU einen Asylantrag, so überprüft der jeweilige Staat, ob er für die Durchführung des Asylverfahrens verantwortlich ist. Grundlage dafür ist die Bestimmung, dass der Mitgliedstaat, in dem eine geflüchtete Person erstmals europäisches Territorium betritt, das Asylverfahren durchführen muss.

Derzeit sollen rund 5000 Menschen in einem Zeltlager in Calais leben. Seit Juni kamen bereits zehn Migranten ums Leben, als sie verusuchten, teils auf Züge aufzuspringen oder sich unter Lastwagen zu verstecken, die den Transittunnel benutzten. Noch immer sollen bis zu 150 Versuche pro Nacht unternommen werden. Anfang Juli berichteten die Betreiber des Eurotunnels noch von 2.000 pro Tag.

Großbritannien warnte jetzt davor, dass sich durch die verschärften Maßnahmen die Fluchtziele nach Belgien und Holland verlagern könnten. England kämpft seit zehn Jahren mit hohen Einwanderungszahlen. Die Briten akzeptierten die Migrationspolitik der Regierung in den letzten Jahren immer weniger, aus Angst ihren sozialen Wohlstand zu verlieren. Nur noch vier Prozent würden demnach einer noch höheren Migration zustimmen. Großbritannien weigert sich, an einem gemeinsamen europäischen Quotensystem für Flüchtlinge teilzunehmen. Von 2,2 Millionen Syrern, die 2013 aus ihrem Land geflohen sind, haben nur 1648 in Großbritannien Asyl beantragt.

Situation in Österreich

Völlig überfülltes Flüchtlingslager in Traiskirchen, Österreich

Auch das Nachbarland Bayerns kämpft mit einer Flüchtlingsflut. Wöchentlich, so meldet das österreichische Innenministerium, kämen bis zu 2.000 neue Asylbewerber in Österreich an. Die Behörde hat deshalb an diesem Montag einen Stab in einer "Besonderen Aufbauorganisation" eingerichtet. Dort arbeiten Beamte des Innenministeriums, aber auch beispielsweise Hilfsorganisationen zusammen, um neue Qartiere und weitere Hilfe zu organisieren. Die Regierung schätzt die Zahl der Asylbewerber auf 80.000 in diesem Jahr. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner will die EU unter Druck setzen und denkt über eine Klage nach, damit die Flüchtlinge besser und gerechter auf alle Staaten verteilt werden. Sie bezieht sich dabei auf die Dublin-III-Verordnung: "Wir haben nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte", so Johanna Mikl-Leitner. Sie fordert deshalb eine generelle Solidarität und Lastenverteilung auf alle Staaten in dern EU.

Situation in Mazedonien

Das Land will seine Grenzen zu Griechenland stellenweise komplett schließen. Bisher galt Mazedonien als Transferland. Viele Flüchtenden aus Syrien, Eritrea, Pakistan und Afghanistan ließen sich hier lediglich registrieren, um so schnell wie möglich nach Serbien, Ungarn und von dort nach Österreich zu kommen. Gleichzeitig hat die Regierung in Skopje den Ausnahmezustand ausgerufen und fordert Hilfe von der EU. Bis zu 2.000 Menschen sollen bis jetzt täglich illegal die griechisch-mazedonische Grenze überquert haben. Vor allem will die mazedonische Regierung versuchen den Druck auf die Stadt Gevgelije zu nehmen. Dorthin flüchten viele, um auf Züge nach Serbien zu kommen.

Situation in der Slowakei

Robert Fico, slowakischer Premierminister

Von den 40.000 Flüchtlingen in der Türkei, in Italien und Griechenland, soll die Slowakei 200 Asylsuchende aufnehmen. Doch die Regierung ließ verlauten, dass sie nur Christen bei sich aufnehmen will, da es keine Moscheen im Land gebe.

"Wir wollen Europa wirklich bei dieser Flüchtlingswelle unterstützen, aber wir sind nur ein Transitland und die Menschen wollen nicht bei uns bleiben. Wir könnten 800 Muslime aufnehmen, aber wir haben in der Slowakei überhaupt keine Moscheen. Wie sollen sie sich hier integrieren, wenn es ihnen nicht gefällt?"

Ivan Netik, Sprecher des Innenministeriums, gegenüber dem britischen Sender BBC

Der Europarat hat wegen der Bevorzugung von christlichen Asylbewerbern reagiert. Generalsekretär Thorbjörn Jagland erklärte über den Kurznachrichtendienst Twitter: "Flüchtlinge wegen ihrer Religion abzuweisen, ist eine eklatante Diskriminierung." Die Slowakei, Tschechien, Ungarn und Polen hatten im Juni einen EU-Plan für die Verteilung Zehntausender Flüchtlinge in der Gemeinschaft blockiert. Sie seien bereit zu helfen, aber nur auf freiwilliger Basis, erklärten die vier Regierungen.


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