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Mehrfach ungesättigte Fettsäuren Wie gesund sind Omega-3-Fettsäuren?

Omega-3-Fettsäuren wurden lange als Wundermittel in der Nahrungsergänzung beworben. Doch immer mehr Studien stellen die Wirkung der Kapseln auf die Gesundheit in Frage. Was genau sagen Wissenschaftler dazu aktuell?

Von: Monika Hippold

Stand: 19.10.2020

Wie gesund sind Omega-3-Fettsäuren? | Bild: BR

Omega-3-Fettsäuren sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren und gehören zu den essentiellen Fettsäuren: Der Körper kann sie nicht selbst herstellen, der Mensch muss sie mit der Nahrung aufnehmen.

Omega-3-Fettsäuren für die Zellen

In Lebensmitteln finden sich Omega-3-Fettsäuren vor allem in Fischen mit viel Fett aus kalten Gewässern – wie Lachs, Makrele, Hering oder Sardine. Aber auch in Ölen wie Raps- und Leinöl, in Walnüssen und Leinsamen.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt: Von allen Kalorien, die ein Mensch am Tag zu sich nimmt, sollten 0,5 Prozent aus Omega-3-Fettsäuren bestehen. Das entspricht rund einem Gramm am Tag. Pro Person kann sich der Bedarf aber stark unterscheiden, sagt Kardiologe Prof. Clemens von Schacky. Er misst mit seinem Team den Omega-3-Fettsäurespiegel im Blut und sieht in einem optimalen Spiegel viele Vorteile.

"Die Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren ist von Person zu Person sehr unterschiedlich. Wir sehen bei rund drei Viertel der Menschen in Deutschland einen Mangel. Jede Zelle braucht Omega-3-Fettsäuren. Wenn die Fettsäurezusammensetzung der Zelle stimmt, dann funktioniert sie besser und ist auch stabiler. Es heißt, wir haben weniger Muskelkater, unsere kognitiven Fähigkeiten sind besser, wir reagieren auf Traumata geringfügiger. Wir können entzündliche Prozesse besser im Zaum halten. Das geht so weit, dass man mit optimalen Spiegeln von Omega-3-Fettsäuren deutlich länger lebt als mit schlechteren Spiegeln."

Prof. Dr. med. Clemens von Schacky, Kardiologe, Experte für Omega-3-Fettsäuren, München

So wirken Omega-3-Fettsäuren im Körper

Es gibt verschiedene Omega-3-Fettsäuren, wie zum Beispiel die Alpha-Linolensäure (ALA), die Eicosapentaensäure (EPA) und die Docosahexaensäure (DHA). Omega-3-Fettsäuren haben im Körper verschiedene Aufgaben, erklärt Ernährungsmediziner Prof. Hans Hauner.

"DHA ist ein wichtiger Bestandteil unseres Gehirns, spielt im Nervensystem eine wichtige Rolle und ist auch für die frühe Entwicklung des Gehirns wichtig. Es gibt auch noch viele Funktionen der Omega-3-Fettsäuren in anderen Bereichen: Es werden Gewebshormone hergestellt, vor allem solche, die antientzündlich wirken. Unser Organismus baut die Omega-3-Fettsäuren also in die Gewebshormone um, oder nutzt sie für andere Stoffwechselwege, wo sie einfach notwendig sind."

Prof. Dr. med. Hans Hauner, Ernährungsmediziner, Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin, TU München, Klinikum rechts der Isar

Wirkung auf das Herz: kontroverse Diskussion

Laut der Werbung sollen Omega-3-Fettsäuren positiv wirken auf das Herz-Kreislauf-System, die Sehkraft und das Gehirn. Außerdem sollen sie helfen bei Demenz, Depressionen und in der Schwangerschaft. Doch das alles haben Studien bisher nicht eindeutig bestätigt. Zum Beispiel bei der Wirkung auf das Herz kursieren viele unterschiedliche Studien-Ergebnisse.

"Die Studienlage wird kontrovers diskutiert. Es sind aber in letzter Zeit neue Studiendaten dazugekommen, die sehr klar zeigen, wie wichtig hohe Spiegel von Omega-3-Fettsäuren im kardiovaskulären Bereich sind. Die Lebenserwartung steigt, es treten weniger kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle auf. Und diese Reduktion ist deutlich, sie beträgt rund 50 Prozent."

Prof. Dr. med. Clemens von Schacky, Kardiologe, Experte für Omega-3-Fettsäuren, München

Ernährungsmediziner Prof. Hans Hauner sieht das anders. Er sagt: Eine positive Wirkung bei Herzkrankheiten zeigen die großen Studien bisher nicht.

"Die Einnahme von Fischöl bei Herzkrankheiten und anderen Krankheiten ist nicht gesichert und kann deshalb nicht empfohlen werden. Hier hat die Wissenschaft in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Und was wir leider feststellen mussten ist, dass Fischöl in den Mengen, die wir früher gegeben hätten, eigentlich keine Wirkung und keine Schutzfunktion fürs Herz besitzt. Es ist leider so: Fischöl kann nicht vor Herzkrankheiten schützen."

Prof. Dr. med. Hans Hauner, Ernährungsmediziner, Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin, TU München, Klinikum rechts der Isar

Der Hintergrund der Uneinigkeit: Die Experten sehen bei verschiedenen Studien methodische Mängel.

Rheuma und Fettstoffwechselstörungen

Gesichert ist aktuell aber: Bei Fettstoffwechselstörungen mit zu hohen Triglycerid-Werten kann die Einnahme von Omega-3-Kapseln helfen. Ebenso bei Rheuma:

"Zu hohe Triglycerid-Werte, eine Komponente der Blutfette, kann man durch Fischöl ganz gut senken. Zumindest in einer akuten Entgleisungs-Situation macht es Sinn. Dann braucht man aber relativ große Mengen von Fischöl, also mehrere Gramm, um die Triglyceride gut senken zu können. Bei entzündlichen Erkrankungen wie Rheuma gibt es inzwischen auch viele Studien, die zeigen, dass eine schwache, entzündungshemmende Wirkung tatsächlich da ist. Die Leute haben etwas weniger Beschwerden, können vielleicht auch Medikamente einsparen. Aber auch hier ist der Effekt eher schwach. Selten ist es so, dass man dann auf Medikamente verzichten kann."

Prof. Dr. med. Hans Hauner, Ernährungsmediziner, Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin, TU München, Klinikum rechts der Isar

Wirkung auf die Blutgerinnung

Die Einnahme von zu viel Omega-3-Fettsäuren kann aber auch Probleme mit sich bringen.

"Bei größeren Mengen, also ab circa drei Gramm aufwärts, kann es zu verlängerten Blutungs-Zeiten kommen, weil die Gerinnung partiell lahmgelegt wird. Manche Menschen vertragen das auch schlecht, es kommt zu Aufstoßen oder Übelkeit. Und: Das sind teure Nahrungsergänzungsmittel. Man muss da schon viel Geld hinlegen, wenn man das auf eine längere Zeit einnehmen möchte. Wenn man davon ausgeht, dass der Nutzen eigentlich nicht nachweisbar ist, muss man wirklich sagen, das ist in gewisser Weise Geldmacherei."

Prof. Dr. med. Hans Hauner, Ernährungsmediziner, Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin, TU München, Klinikum rechts der Isar

Schädlich für den Darm?

Forscher der medizinischen Universität Innsbruck warnen jetzt sogar: Fischölkapseln mit Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren könnten Entzündungen auch fördern – und zwar im Darm. Das hat das Team um Dr. Timon Adolph und Prof. Dr. Herbert Tilg in Versuchen an Mäusen festgestellt. Die Forscher gaben den Mäusen drei Monate lang Futter, das mit Fischöl angereichert war. Mäuse mit Vorerkrankungen entwickelten daraufhin eine Entzündung des Dünndarms, die einem Morbus Crohn ähnelte.

"Aus diesen Ergebnissen vermuten wir, dass mehrfach ungesättigte Fettsäuren die Entstehung oder den Verlauf von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen beeinflussen können. Für den Menschen gibt es noch keine Beweise dafür, dazu laufen momentan mehrere klinische Studien an unserer Universität. Ich kann nur sagen, dass es einzelne Menschen geben wird, die tatsächlich auf mehrfach ungesättigte Fettsäuren entzündlich reagieren könnten."

Dr. med. univ. Timon Adolph, Facharzt für Innere Medizin, Universitätsklinik Innsbruck

Die Ergebnisse der klinischen Studien soll es voraussichtlich in einem Jahr geben.

Um Omega-3-Fettsäure schwelt im Moment also ein Streit unter namhaften Experten. Vor der Einnahme von Kapseln gilt deshalb: Besser den Arzt fragen - und im Zweifel auf eine ausgewogene Ernährung setzen.


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