BR Fernsehen - Gesundheit!


56

Weißfleckenkrankheit Neue Therapie für Vitiligo-Patienten

Lange Zeit galt Vitiligo, auch genannt Weißfleckenkrankheit, als rein kosmetisches Problem. Doch die Erkrankung ist für Betroffene oft sehr belastend. Welche wirksamen Therapien gibt es?

Von: Isabel Hertweck-Stücken

Stand: 15.05.2023

Mehr Akzeptanz in der Öffentlichkeit: Models wie Winnie Harlow haben Vitiligo auf die internationalen Laufstege gebracht. Die Entwicklung von neuen Therapien und neuen Wirkstoffen macht Vitiligo-Patienten nun Hoffnung auf mehr Lebensqualität.

Langwierig und individuell: Behandlung der Vitiligo

Model Winnie Harlow

Bei der chronischen Hautkrankheit werden pigmentbildende Zellen vom eigenen Immunsystem angegriffen. Die Therapie der Vitiligo galt in der Dermatologie lange als schwierig und schwer vorhersehbar. Patienten, die sich mit der Erkrankung bei Hautärzten vorstellten, bekamen oft nur ein Schulterzucken und die Auskunft: "da könne man nichts machen". Das stimmt heute so nicht mehr.

"Wir können mittlerweile die Vitiligo deutlich besser behandeln - und haben grade in den letzten Jahren wichtige neue Erkenntnisse zur Entwicklung und zu Ursachen der Erkrankung bekommen."

Prof. Dr. med. Michael Sticherling, Stellvertr. Klinikdirektor, Hautklinik, Uniklinikum Erlangen

Mit Schwarzlicht machen die Ärzte die Hautareale sichtbar, in denen die pigmentbildenden Zellen fast oder ganz zerstört worden sind. Die Ursache ist wahrscheinlich eine Überreaktion des Immunsystems im Zusammenspiel mit einer Überempfindlichkeit gegen Sauerstoffradikale. Vollständig geklärt sind die Ursachen nicht. Wahrscheinlich handelt es sich um ein Zusammenspiel verschiedener Prozesse, die bei verschiedenen Patienten unterschiedlich ausgeprägt sind.

"Die Ursache der Vitiligo ist sehr vielfältig. Es gibt verschiedene Theorien. Eine davon bezieht sich auf eine Autoimmunreaktion, also eine Körperabwehrreaktion, gegen die Melanozyten, die Pigmentzellen der Haut. Eine weitere Theorie sieht ein gestörtes Redox-Verhältnis, also ein gestörtes Sauerstoffradikalenverhältnis bei den Melanozyten als bedeutsam an. Es gibt eine Theorie, die eine stärkere Auswanderung von Melanozyten sieht - und eine, die alle drei vereint. Wahrscheinlich ist das auch so, dass alle drei in Teilen richtig sind, und möglicherweise auch bei verschiedenen Patienten in unterschiedlicher Bedeutung und Gewichtung einbezogen sind."

Prof. Dr. med. Michael Sticherling, Stellvertr. Klinikdirektor, Hautklinik, Uniklinikum Erlangen

Unterschiedlich wirksam: Therapien für Vitiligo

Kortison ist ein Wirkstoff, der das Immunsystem bremst, und der deshalb bei Vitiligo angewendet werden kann - meist zur äußerlichen Anwendung. Da Kortison Nebenwirkungen hat, sollte es nicht als dauerhafte Therapie angewendet werden.

"Die Wirksamkeit ist sehr unterschiedlich, manche Patienten sprechen sehr gut an, es sind auch die Körperregionen unterschiedlich ansprechbar. Das Problem der Anwendung von Kortison sind die Nebenwirkungen: zum Beispiel dünne Haut zu bekommen oder Infektionen zu bekommen. Bei einer chronischen Erkrankung wie der Vitiligo ist eine Therapie mit Kortison auf lange Frist nicht wirklich vertretbar."

Prof. Dr. med. Michael Sticherling, Stellvertr. Klinikdirektor, Hautklinik, Uniklinikum Erlangen

Ein anderer möglicher Wirkstoff zur äußerlichen Anwendung sind die sogenannten Calcineurin-Inhibitoren:

"Calcineurin-Inhibitoren sind auch immunologisch wirksam. Dazu gibt es kleinere Studien, die eine Wirksamkeit belegen, insbesondere auch in Verbindung mit UVB-Licht. Aber die Wirksamkeit ist nicht 100 Prozent und es wirkt nicht bei allen Patienten."

Prof. Dr. med. Michael Sticherling, Stellvertr. Klinikdirektor, Hautklinik, Uniklinikum Erlangen

Die Vitiligo-Therapie ist oft ein Ausprobieren, was für den individuellen Patienten funktioniert. Dabei braucht es viel Geduld und einen langen Atem, bis sich Erfolge der Therapie zeigen. Das gilt auch für die Phototherapie - als lokale Bestrahlung mit UVB-Licht, oder als Ganzkörperphototherapie. Das kurzwellige Licht soll die Bildung neuer Pigmentzellen anregen.

"Das UVB-Licht wenden wir gerne auch bei anderen Hauterkrankungen an. Es ist aber auch kritisch anzusehen, weil es die Hautalterung bis hin zur Entstehung von Hautkrebs fördert. Das ist eine kritische Abwägung, die man bei Vitiligo-Patienten machen muss."

Prof. Dr. med. Michael Sticherling, Stellvertr. Klinikdirektor, Hautklinik, Uniklinikum Erlangen

Neue Therapien: JAK-Inhibitoren bei Vitiligo

Professor Sticherling forscht aktuell an neuen Wirkstoffen, den sogenannten JAK-Inhibitoren. Medikamente, die die spezielle Fehlfunktion des Immunsystems in der Haut von Vitiligo-Patienten unterdrücken können - auch hier wieder nicht bei allen Patienten.

"Diese Medikamentengruppe, diese Wirkstoffgruppe ist eher zufällig gefunden worden, weil man andere Erkrankungen, schwere Tumorerkrankungen damit behandelt hat - und eine zufälligerweise gleichzeitig bestehende Weißfleckenkrankheit unter der Therapie zurückgegangen ist. Erst dann hat man diese Medikamente weiterentwickelt."

Prof. Dr. med. Michael Sticherling, Stellvertr. Klinikdirektor, Hautklinik, Uniklinikum Erlangen

JAK-Inhibitoren

Zu den Januskinase-Inhibitoren gehören eine Reihe von Wirkstoffen, die unter anderem bei Autoimmun-Erkrankungen eingesetzt werden. Zu einigen dieser Wirkstoffe haben die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Abstimmung mit den Herstellern im März 2023 einen Rote-Hand-Brief veröffentlicht. Damit werden die Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen bei der Anwendung bereits zugelassener Medikamente mit den entsprechenden Wirkstoffen aktualisiert.

Eine erste Creme mit einem JAK-Inhibitor ist vor kurzem in der EU zugelassen worden, und wird von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden. Das freut Georg Pliszewski von der Vitiligo Selbsthilfeorganisation „Deutscher Vitiligo-Bund e.V.“ :

"Es ist mit Sicherheit ein neues Kapitel in der Therapie der Vitiligo, in dem Sinn, dass eben eine Zulassung auch in Deutschland und Europa erfolgt ist. Inwieweit dieses neue Produkt, diese neue Creme, Nebenwirkungen hat, das wissen wir nicht. Das müssen dann die Ärzte, die Dermatologen, die die Creme verschreiben, mit ihren Patienten beobachten."

Georg Pliszewski, Deutscher Vitiligo Bund e.V.

Mit der Erforschung der neuen Wirkstoffe ist Bewegung in die Forschung zu Vitiligo, auch zu ihren Ursachen und zu möglichen Therapien gekommen. Das ist für Georg Pliszewski auf jeden Fall eine positive Entwicklung. Die Entscheidung für oder gegen eine Therapie ist nach wie vor eine Entscheidung, die Patient:innen mit ihren Ärtz:innen gut abwägen müssen.

Viele Betroffene haben gute Erfahrungen mit einer psychotherapeutischen Unterstützung und dem Kontakt und Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfeorganisationen gemacht.


56