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Notaufnahmen am Limit Was bringt die geplante Krankenhausreform?

In deutschen Krankenhäusern sind die Notaufnahmen überfüllt, vor allem am Wochenende, wenn die regulären Praxen geschlossen haben. Patientinnen und Patienten müssen stundenlang warten, Ärztinnen und Ärzte sind immer länger und öfter damit beschäftigt, akute ernsthafte Notfälle von leichteren Verletzungen und Beschwerden zu selektieren. Das Bundesgesundheitsministerium will hier mit einem neuen Leitstellensystem Abhilfe schaffen. Auch sollen mehr telemedizinische Beratungen angeboten werden. Die Union schlägt sogar eine Notaufnahmegebühr vor. Was bringen diese Maßnahmen?

Von: Florian Heinhold

Stand: 23.05.2023

Der Morgen in der Notaufnahme des Münchner LMU-Klinikums beginnt hektisch. Schon früh füllt sich der Warteraum mit Patienten und der erste Fall für Unfallchirurgin Dr. med. Mareen Braunstein ist ein Mann mit Verdacht auf Unterschenkelbruch. Der Rettungsdienst bringt ständig neue Notfälle, wie etwa jene ältere Dame, die starke Schmerzen hat und ohnmächtig geworden ist. Prof. Dr. med. Markus Wörnle, ist für die internistischen Fälle zuständig. Er erklärt, dass es sich um eine sogenannte Synkope handelt - ein kurzer Kreislaufzusammenbruch.

Dr. med. Mareen Braunstein (r.) bei der Arbeit in der Notaufnahme.

Die Notaufnahme ist ein Ort, an dem es schnell um Leben und Tod gehen kann, wie im Fall eines Patienten mit Herzstillstand. Ein Team aus 15 Ärztinnen und Pflegern versammelt sich im Schockraum. "Jetzt haben wir den Verdacht, dass er eine Lungenembolie erlitten hat," bemerkt Dr. med. Mareen Braunstein, die Chirurgische Leiterin der Notaufnahme. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, um das Blutgerinnsel im Körper des Patienten mit einer Lyse, einer Substanz, die Blutgerinnsel auflöst, zu behandeln, während ein mechanisches Reanimationsgerät ihn am Leben erhält.

Was tun gegen überlastete Notaufnahmen?

Seit Jahren klagen Notaufnahmen über die Belastung, immer wieder kommt es auch in Bayern zu Engpässen in der Notversorgung. Besonders ärgerlich ist es dann, wenn Menschen, die gar keinen Notfall haben, die Notaufnahmen zusätzlich verstopfen. Jetzt will die Politik das Thema angehen.

"Heute ist es so, dass bis zur Hälfte derjenigen, die die Notfallaufnahme aufsuchen, selber angeben, dass sie kein richtiger Notfall sind."

Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister. Berlin, Februar 2023.

Auch am LMU-Klinikum kennt man das Prolem durchaus.

"Da gibt es diese klassischen Beispiele: Patient kommt in der Früh um drei und will eine Schlaftablette, weil er nicht schlafen kann. Diese Anspruchshaltung, dass man einfach sieben Tage die Woche rund um die Uhr irgendwo hingehen kann, ist natürlich störend."

Prof. Dr. med. Markus Wörnle, internistischer Leiter, Notaufnahme, LMU-Klinikum München

Prof. Wörnle betont aber auch, dass die deutliche Mehrheit der Patienten, die sich selbst einweisen, wirkliche medizinische Probleme haben und nicht zu Unrecht in der Notaufnahme sind. Die Problemstellungen sind also nicht an allen Notaufnahmen identisch, Lösungsansätze müssen die individuellen Herausforderungen der verschiedenen Gesundheitsversorger berücksichtigen.

Eine Regierungskommission hat Vorschläge für eine Reform der Notfallversorgung gemacht. Im Kern sollen neue, integrierte Leitstellen geschaffen werden. Zukünftig sollen sich Patienten dann in jedem Notfall telefonisch voranmelden. Geschulte Fachkräfte in den integrierten Leitstellen würden dann beraten, ob ein Praxistermin ausreicht, ob Rettungsdienst benötigt wird oder ob der Anrufer selbst ein Notfallzentrum aufsuchen sollte.

Diese Vorschläge werden jedoch von vielen Leitstellen mit gemischten Gefühlen aufgenommen. "Wir Leitstellen sehen es immer ein bisschen kritisch. Menschen, die sich selbst in die Notaufnahme einweisen, machen einen großen Anteil der Patienten aus. Wenn die jedes Mal vorher die Leitstelle anrufen wollen, damit wir beurteilen, ob sie für die Notaufnahme richtig sind oder nicht, dann würde das die Leitstelle wiederum ziemlich stark überfordern," erklärt Florentin von Kaufmann, Brandoberrat bei der Branddirektion München. Eine solche Änderung wäre nur mit deutlich höheren Mitteln und viel mehr Personal zu stemmen. Die Union im Bundestag schlägt sogar vor, eine Notaufnahme-Gebühr für Patienten einzuführen, die sich nicht telefonisch anmelden.

Debatte um Gebühren

Wie funktioniert die Koordination im Notfall zwischen Patient und Rettungsdienst zuverlässig und schnell?

Der Allgemeinarzt und Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger hat selbst als Arzt in Notaufnahmen gearbeitet und kennt die Belastung. Er ist überzeugt, dass "es 'zumutbar' ist, dass man Menschen verpflichtet, telefonisch davor anzurufen, um die Notaufnahmen zu entlasten. Nur wer das ablehnt und sich konsequent weigert anzurufen, der soll 20 € zahlen." Es gehe also nicht um eine allgemeine Gebühr, sondern mehr um einen Anreiz, die telefonische Voranmeldung durchzuführen.

Dieser Vorschlag wird jedoch von der Bundesregierung abgelehnt und auch das Team der Münchner Notaufnahme sieht die größten Herausforderungen woanders. Dr. Braunstein sagt, dass das größte Problem in den Notfallzentren am LMU-Klinikum darin besteht, Patienten nach der Notfallbehandlung in Klinikstationen unterzubringen.

"Und diese Patienten dann aus der Notaufnahme in das eigene Haus oder in die anderen Häuser zu bringen - das ist eine große Herausforderung aktuell. Und es stellt uns tatsächlich manchmal vor vollkommen überfüllte Notaufnahmen, in denen wir nicht weiterarbeiten können."

Dr. med. Mareen Braunstein, Chirurgische Leiterin, Notaufnahme, LMU-Klinikum München

Die harte Realität der Arbeit in der Notaufnahme zeigt sich auch heute wieder. Der Patient, der im Schockraum reanimiert werden musste, stabilisiert sich auch nach zwei Stunden nicht. Das Ärzteteam hat alles gegeben. Vergeblich. Trotz der Debatte um die genauen Maßnahmen zur Entlastung der Notaufnahmen besteht Einigkeit darüber, dass Änderungen notwendig sind. Die geplante Krankenhausreform wird die Gesundheitspolitik in den kommenden Wochen und Monaten beherrschen – bleibt zu hoffen, dass am Ende eine Lösung steht, die die Notaufnahmen entlastet, ohne die Versorgung der Patientinnen und Patienten komplizierter zu machen.

Wichtige Infos:

Information zu den Öffnungszeiten der Kassenärztlichen Bereitschaftspraxen in Bayern gibt es hier:

Ärztlicher Bereitschaftsdienst

Die Telefonnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes, der Bereitschaftspraxen in der Nähe Vermitteln kann:

116 117


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