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Nach Flugzeugabsturz Berufsverbot für depressive Menschen?

Auslöser der Diskussion ist der Flugzeugabsturz der Germanwings-Maschine vor wenigen Wochen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach halten ein Berufsverbot für depressive Menschen in sensiblen Berufen, wie bei Piloten oder Busfahrern, für denkbar. Doch welche Konsequenzen hätte so ein Berufsverbot?

Stand: 21.04.2015

Suche nach Wrackteilen nach dem Absturz der Germanwings-Maschine

Der Copilot, der die Germanwings-Maschine vor wenigen Wochen offenbar absichtlich zum Absturz brachte, soll an Depressionen gelitten haben. Doch andere Menschen bei einem Suizid mit in den Tod zu reißen, ist für depressive Menschen untypisch. Das sagt Professor Florian Holsboer. Er forscht seit Jahrzehnten an Depressionen und Suizid-Phänomenen. Ein Berufsverbot ist für ihn der falsche Weg.

"Patienten mit einer Depression, egal ob sie mal eine hatten oder gerade in einer depressiven Episode sind, begehen keine Morde. Patienten, die Morde begehen, und das ist sehr selten, haben entweder eine Schizophrenie, eine Psychose, einen Wahn, wo sie Stimmen hören, die ihnen befehlen, jemanden umzubringen oder sie haben eine Persönlichkeitsstörung."

Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Florian Holsboer, Psychiater und Depressionsforscher

Symptome einer Depression

Die Hauptsymptome für Depressionen sind eine gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit und Antriebsmangel. Viele Betroffene haben auch Suizidgedanken.
Etwa jeder fünfte Deutsche entwickelt in seinem Leben mindestens einmal eine Depression. Die Dunkelziffer ist hoch, die Angst vor Stigmatisierung auch. In Deutschland sollen nach Schätzungen der Stiftung "Deutsche Depressionshilfe" etwa vier Millionen Menschen in Deutschland an einer behandlungsbedürftigen Depression leiden.

Taxi- und Busunternehmer sind sich uneins

Wie sieht es auf der Arbeitgeberseite aus, etwa bei Taxi- oder Busunternehmern? Sollte die ärztliche Schweigepflicht gelockert werden und so der Weg frei sein für ein Berufsverbot?
Der Vorstand des Landesverbandes Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmern e.V. hält ein Verbot weder für sinnvoll noch für realisierbar. Schon heute würden Taxifahrer regelmäßig auf ihre Fahrtüchtigkeit hin untersucht.

"Wir hätten dann auch einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten. Jede psychische Erkrankung hätte dann so den Geruch, da läuft ein Attentäter rum. Das geht mir zu weit."

Wolfgang Ziegler, Landesverband Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmer

Anders sieht das Nico Schoenecker von der AutobusOberbayern GmbH.

"Ich könnte mir vorstellen, dass man über eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht nachdenkt, um Unternehmen in die Möglichkeit zu versetzen, Informationen zu bekommen, wenn der Zustand eines Mitarbeiters möglicherweise verkehrsgefährdend ist."

Nico Schoenecker, AutobusOberbayern GmbH

Der Landesverband Bayerischer Omnibusunternehmen e.V. sieht dringenden Handlungsbedarf.

"Der LBO hat das Innenministerium aufgefordert, auch unter Beteiligung der Verbände des Bayerischen Verkehrsgewerbes das Thema Berufsausübungsverbot / Entzug der Fahrerlaubnis und Unterrichtung der Arbeitgeber im Rahmen eines runden Tisches zu untersuchen. Auf Seiten der Verkehrsverbände betrifft dies neben dem Omnibusgewerbe auch das Güterkraft- und Taxigewerbe."

Horst Schilling, Landesverband Bayerischer Omnibusunternehmen

Menschen mit Depressionserfahrung sind verantwortungsvoll

Aus Expertensicht sind Arbeitnehmer, die eine Depression hatten, sogar sehr wertvolle Mitarbeiter, besonders vertrauensvoll, einfühlsam und sensibel. Ein Argument gegen ein Berufsverbot, aber es gibt noch ein gewichtigeres, sagen Therapeuten.

"Wenn wir eine Situation im Gespräch haben, bei der der Patient fürchten muss, dass wir das, was er uns erzählt, dann weitergegeben wird und zum Berufsverbot führt, dann wird er uns noch viel weniger sagen. Das heißt, dass er unbehandelt bleibt, und seine Depression und seine Suizidgefährdung nicht bekannt werden, das führt dann zu einer Erhöhung der jetzt schon sehr hohen Suizidrate."

Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Florian Holsboer, Psychiater und Depressionsforscher


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