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Hausgeburt, Risiken Geburtshaus oder Hausgeburt: zu hohe Risiken?

98 Prozent aller Entbindungen finden hierzulande in einer Klinik statt, denn die meisten Frauen wollen im Notfall die bestmögliche medizinische Versorgung bekommen. Zwei Prozent der Schwangeren entscheiden sich für eine Hausgeburt oder für die Entbindung in einem Geburtshaus – begleitet von einer Hebamme, ohne Arzt. Welche Vorteile bringt eine Entbindung in intimer Atmosphäre? Gehen die werdenden Mütter damit ein unnötiges Risiko ein? Gesundheit! hat mit Hebammen und Ärzten über Chancen und Gefahren der außerklinischen Geburtshilfe gesprochen.

Von: Bernd Thomas

Stand: 14.01.2019

Klinik- oder Hausgeburt: Wie steht es um die Sicherheit? | Bild: BR

Frauen haben die Wahl: Wer sein Kind nicht in einer Klinik zur Welt bringen will, kann das in den Einrichtungen der außerklinischen Geburtshilfe tun, sofern keine medizinischen Ausschlusskriterien dagegensprechen. Rund 110 Hebammenpraxen und Geburtshäuser gibt es und deutschlandweit über 500 Hebammen, die auch eine Hausgeburt in den eigenen vier Wänden begleiten.

Außerklinische Geburtshilfe: intensive Begleitung

Geburtshäuser sind amulante Einrichtungen, die von Hebammen geleitet werden.

Viele Frauen schätzen an der außerklinischen Geburtshilfe besonders die Eins-zu-Eins-Betreuung während der Geburt, die oft schon Wochen vor dem eigentlichen Termin beginnt. Gegenseitiges Vertrauen, Ruhe und Geborgenheit, die Möglichkeit, die Geburt bewusst nach eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen gestalten zu können, der Verzicht auf Interventionen und mögliche medizinische Eingriffe sind für viele werdende Mütter dabei ausschlaggebend. Die Entscheidung für eine geplante außerklinische Geburt wird von vielen Frauen oft sehr bewusst getroffen, sagt Prof. Christiane Schwarz vom Lehrstuhl für Hebammenwissenschaften der Universität Lübeck.

Außerklinische Geburtshilfe: Nischendasein in Europa

Klinik- oder Hausgeburt? 98 Prozent aller Kinder kommen hierzulande in Kliniken zur Welt.

Von den rund 787 000 Neugeborenen in Deutschland erblickten 2017 circa 12 000 außerhalb von Kliniken das Licht der Welt. Das entspricht einem Anteil von rund 1,5 Prozent. In Bayern sind es mit zwei Prozent etwas mehr. Nach Ansicht des Bayerischen Hebammen Landesverbandes könnte die Zahl durchaus höher sein.
In anderen europäischen Ländern bewegen sich die Zahlen ebenfalls im einstelligen Prozentbereich. Spitzenreiter in Europa sind bis heute die Niederlande, owohl auch hier der Anteil seit den 1960er Jahren deutlich zurückgegangen ist. Laut Prof. Christiane Schwarz liege er immer noch bei über 20 Prozent.

Für welche Frauen sind außerklinische Geburten möglich?

Geburtshaus: Viele Frauen schätzen die intensive Eins-zu-Eins-Betreuung der außerklinischen Geburtshilfe.

Grundsätzlich kommen nur so genannte Low-risk-Schwangerschaften für eine geplante außerklinische Geburt infrage. Das sind Schwangerschaften gesunder, junger Frauen, in deren Verlauf keine medizinischen Risiken auftreten, also keine Risikogeburten zu erwarten sind. Mehrlingsgeburten, Schwangerschaften von Frauen mit Vorerkrankungen oder zum Beispiel auch Schwangerschaften, bei denen sich das Ungeborene in Beckenendlage befindet, scheiden genauso aus, wie Geburten, die nicht im vorgesehenen Zeitfenster stattfinden. Denn bei einer außerklinischen Geburt werden Frauen ausschließlich von Hebammen begleitet, Ärzte sind nicht anwesend.

Außerklinische Geburt: Warum sie Ärzte ablehnen

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) lehnt die außerklinische Geburtshilfe ab. In einem Positionspapier, das 2018 veröffentlicht wurde, kritisiert die DGGG, dass es erhöhte gesundheitliche Risiken für Mutter und Kind gebe und außerdem keine zuverlässige Perinatalerhebung, also nur ungenaue Zahlen, was die Geburten und ihre Folgen insgesamt angehe.

Kireißsaal in der Klinik: Viele Ärzte lehnen geplante außerklinische Geburten ab.

Selbst bei normal verlaufenden, risikoarmen Schwangerschaften komme es bei bis zu zehn Prozent während der Geburten zu Situationen, die ein medizinisches Eingreifen erfordern, erklärt Prof. Birgit Seelbach-Göbel. Sie ist im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie und leitet die Geburtshilfe und Gynäkologie der Klinik St. Hedwig der Barmherzigen Brüder in Regensburg. Mit über 3 000 Geburten pro Jahr ist die Klinik eines der großen Geburtszentren in Deutschland.

"Der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtsmedizin ist die außerklinische Geburtshilfe nicht sicher genug, weil eben im Notfall nicht rechtzeitig reagiert werden kann."

Prof. Dr. med. Birgit Seelbach-Göbel, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinik St. Hedwig, Barmherzige Brüder, Regensburg

Vor allem die so genannte E-E-Zeit, das ist die Zeit von der Entscheidung für einen Eingriff bis zur Entbindung im Notfall, dauere oft länger als die in den Leitlinien geforderten zwanzig Minuten. Die Folge sei 2017 ein knapp fünffach erhöhtes Sterblichkeitsrisiko für Kinder, die während der außerklinischen Geburt in eine Klinik verlegt werden mussten.

Außerklinische Geburt: Risikomanagement und Aufklärung für werdende Mütter

Im Bayerischen Hebammen Landesverband e.V. kennt man die aktuellen Zahlen, und bestätigt, dass es in bestimmten Situationen tatsächlich ein erhöhtes Risiko gibt. Die Landesvorsitzende Astrid Giesen betont aber, es komme darauf an, Frauen entsprechend aufzuklären und das Notfallmanagement zu optimieren.   

"Unter bestimmten Bedingungen gibt es ein erhöhtes Risiko, das ist so. Und das ist genau das, worüber die Frauen auch aufgeklärt werden müssen. Das Risiko tragen dann alle zusammen. Aber dieses Risiko ist nur sehr minimal, wenn man die Ausschlusskriterien einhält und auch daran denkt, dass die Wegezeiten in die nächste Klinik nicht zu groß sind und dass das Notfallmanagement wirklich funktioniert. Bei der intensiven Eins-zu Eins-Betreuung erkennen die Hebammen sehr früh, wenn sich Probleme ankündigen und veranlassen eine Verlegung in die Klinik."

Astrid Giesen, Bayerischer Hebammen Landesverband e.V., Regensburg

Geburtshaus Erlangen: Rund 110 Hebammenpraxen und Geburtshäuser gibt es in Deutschland.

So werden zum Beispiel zwischen zwölf und fünfzehn Prozent der im Erlanger Geburtshaus begonnen außerklinischen Geburten doch in der Klinik beendet. Die meisten Verlegungen finden dabei ohne Hast und Eile statt, immer in Begleitung der betreuenden Hebammen. Die Strecke zur Klinik beträgt rund drei Kilometer und die Zusammenarbeit zwischen Klink und Geburtshaus empfindet das achtköpfige Hebammenteam als sehr gut. Inzwischen haben Geburtshausteam und Klinik gemeinsam spezielle Verlegungsbögen und auch Verlegungsabläufe entwickelt.

Klinik- und außerklinische Geburt: Gleichwertige Dokumentationen?

Vergleichbar der wissenschaftlichen Qualitätsforschung der Institute AQUA und IQTIG für den klinischen Bereich erfasst die Zahlen im Bereich der außerklinischen Geburtshilfe die Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe e.V., kurz QUAG. Angestoßen von den Hebammenverbänden selbst, begann die QUAG Mitte der neunziger Jahre mit der systematischen Erfassung, Dokumentation und Veröffentlichung geplanter außerklinischer Geburten nach Standards der wissenschaftlichen Qualitätsforschung zunächst auf freiwilliger Basis.

Seit 2008 ist die Dokumentation für gesetzlich krankenversicherte Mütter und deren Kinder in Geburtshäusern verpflichtend, seit 2015 gilt das auch für Geburten im häuslichen Umfeld. Im aktuellen Qualitätsbericht 2017 kommt die QUAG zu folgendem Ergebnis:

"Diese Angaben unterstreichen die Ansicht, dass die außerklinische Geburt für Mutter und Kind sicher ist."

QUAG, Qualitätsbericht 2017

Kritik: trotz seltener Notfälle zu hohes Risiko

Geburtshilfe: Wie schnell kann im Notfall geholfen werden?

Die Kritik der Ärzte bezieht sich vor allem auf die Situationen der außerklinischen Geburtshilfe, in denen das Risiko nach den Zahlen von QUAG steigt. Von den 12.738 außerklinisch begonnenen Geburten des Jahres 2017 wurden insgesamt 2.110 verlegt. Darunter gab es 136 Verlegungen in Eile, zehn Kinder starben. Das entspricht einem Anteil von 4,7 Promille bezogen auf alle verlegten Geburten. Aufgrund der geringen Fallzahlen kommt es dabei zu erheblichen Schwankungen pro Jahr. Im Jahr 2016 starben bei ähnlichen Notfällen fünf Kinder, das entspricht einem Anteil von 2,5 Promille. Ohne Notfälle liegt der Wert bei 1,0 Promille, insgesamt im Mittel der letzten Jahre bei rund 1,7 Promille. Die Zahlen insgesamt seien zwar gering, bestätigt auch Prof Seelbach-Göbel, aber bei Notfällen aus ärztlicher Sicht eben zu hoch.

Komplizierte Statistiken: Keine direkte Vergleichbarkeit

Ein direkter statistsicher Vergleich der Risiken bei klinischer und außerklinischer Geburtshilfe ist schwierig, weil die Statistiken unterschiedlich geführt werden und auch die Möglichkeit besteht, dass nicht alle Geburten erfasst sind. Zwar soll sich das ändern, aber noch ist es nicht soweit.

Klinik- oder Hausgeburt? Zahlen & Hintergründe

Perinatale Mortalität

Die perinatale Mortalität bezeichnet die Sterblichkeitsrate von Neugeborenen. Sie umfasst alle Todesfälle von Kindern bis einschließlich zum siebten Tag nach der Geburt.

Außerklinische Geburtshilfe: Probleme bei der Erfassung der Zahlen

Im außerklinischen Bereich ist es möglich, dass Geburten einzelner Hebammen nicht erfasst werden.
Dazu kommen ungeplante Geburten in Rettungswägen, Alleingeburten, Babyklappenkinder und nicht zuletzt durchschnittlich rund 40 Mordfälle pro Jahr, denen Neugeborene zum Opfer fallen.

Zudem gibt es in der außerklinischen Geburtshilfe immer wieder bewusst von Müttern gewünschte Geburten schwer mehrfachbehinderter Kinder, die von vorneherein keine Überlebenschance haben und nach der Geburt versterben. Auch dadurch erhöht sich die Sterblichkeitsrate.

Klinische Geburtshilfe: Probleme bei der Erfassung der Zahlen

Jedes Jahr schließen einige Geburtsstationen in Kliniken. Dadurch kann es zu fehlerhaften, unvollständigen Meldungen und Zahlen kommen.
In Klinikstatistiken fehlen oft auch Todesfälle, wenn Mütter mit ihren Kindern bereits am dritten Tag nach der Geburt entlassen werden, diese dann aber zum Beispiel am fünften Tag außerhalb der Klinik versterben.
Die Daten von Müttern und deren Neugeborenen flossen bisher, sobald diese in spezielle Neonatologie-Abteilungen verlegt wurden, in unterschiedliche Erhebungen ein. Nicht immer befinden sich Neonatologie und Kreißsaal dabei innerhalb einer Klinik.

Sterblichkeit bei außerklinischer und klinischer Geburtshilfe

Nach den QUAG-Auswertungen sind die Sterblichkeit von Müttern und Kindern in der außerklinischen Geburtshilfe insgesamt geringer als im klinischen Bereich. Die Kindersterblichkeit liegt in der außerklinischen Geburtshilfe im Mittel bei 0,17, in der klinischen Geburtshilfe im Mittel bei 0,55 Prozent.
Allerdings sind die klinischen Zahlen deshalb höher, weil es im Gegensatz zur außerklinischen Geburtshilfe Frühgeburten oder Geburten bereits im Mutterleib verstorbener Kinder und viele operative Geburten mit hohen Risiken gibt. Somit lassen sie sich nicht miteinander vergleichen.

Unterschiedliche Risikobewertungen

Die Hebammenausbildung in Deutschland befindet sich aktuell im Umbruch und wird, nach einer EU-Vorgabe, akademisiert. Prof. Christiane Schwarz ist Inhaberin des ersten universitären Lehrstuhls für Hebammenwissenschaften an der Universität Lübeck. Sie hält die deutschen Zahlen zur Sicherheit der außerklinischen Geburtshilfe für exzellent. Auch viele Studien der letzten Jahre, die vor allem die Mortalität und Morbidität von Klinik- und Hausgeburten miteinander vergleichen, kommen überwiegend zu dem Ergebnis, dass außerklinische Geburten so genannter Low-Risk-Schwangeschaften sicher sind. Die aktuell hochwertigsten, evidenzbasierten Leitlinien, in denen zusätzlich aktuelle Studien hinterlegt und zugänglich seien, liefert laut Prof Schwarz das NICE, das National Institute of Health and Care Excellenz in Großbritannien.

Relatives und absolutes Risiko

Laut Prof. Christiane Schwarz müsse man beim Thema Sicherheit immer zwischen relativem und absoluten Risiko unterscheiden: Also der Möglichkeit, dass ein Fall eintritt und der tatsächlichen Häufigkeit, in der er passiert. Aktueller Stand der Forschung der Hebammenwissenschaften sei, dass es bei außerklinischen Geburten des ersten Kindes zwar ein rund dreifach erhöhtes relatives Mortalitätsrisiko gäbe. Absolut gesehen, also in tatsächlichen Fallzahlen, sei das aber gering und erhöhe das Sterblichkeitsrisiko insgesamt kaum. Ab dem zweiten Kind seien gar keine Unterschiede mehr feststellbar. Auch eine kleinere Studie aus Niedersachsen aus dem Jahr 2017 zeige, dass außerklinische Geburten bei guter Risikobewertung und Verlegungsorganisation sicher sind.

Außerklinische Geburtshilfe: Organisatorisch bedingte Risiken?

Prof. Birgit Seelbach-Göbel beurteilt die Situation anders. Erhöhte Risiken bei Notfällen müssen nicht sein. Wenn sich Kreißsaal, OP und Neonatologie unter einem Dach befinden, wie in Zentren wie St. Hedwig in Regensburg, ist schnelle Hilfe auch in schwierigen Situationen möglich. Sie führt an, dass 2018 in der Klinik St. Hedwig kein einziges Kind bei oder nach einer Geburt verstorben ist, das betrifft auch Früh- und Risikogeburten. Außerdem waren rund 90 Prozent der in St. Hedwig durchgeführten Notfallkaiserschnitte der letzten Jahre Eingriffe bei Frauen mit risikoarmer Schwangerschaft.

Außerklinische Geburten im Ausland: Sind Vergleiche möglich? 

Vergleiche mit dem Ausland sind problematisch, denn wie sicher die außerklinische Geburtshilfe ist, hängt davon ab, wie gut sie in das jeweilige Gesundheitssystem insgesamt eingebunden ist. Für besonders wichtig halten Forscherinnen wie Prof. Christiane Schwarz dabei klare gesetzliche Strukturen, die verbindliche Vorgehensweisen festlegen, wie zum Beispiel in den Niederlanden oder auch in Großbritannien. In Tschechien beispielsweise sind außerklinische Geburten grundsätzlich nicht erlaubt.

Außerklinische Geburtshilfe: Beispiel Großbritannien

Im staatlichen Gesundheitssystem Großbritanniens können Frauen wählen, wo sie ihr Kind zur Welt bringen wollen. Dabei haben sie zum Beispiel die Möglichkeit, sich im Netz auf der Seite des Verbraucherverbandes which? schon vor dem Beratungs- und Aufklärungsgespräch über wichtige Kriterien für die Wahl des Geburtsortes zu informieren. Wünscht eine Frau eine Hausgeburt, wird diese über die Klinik organisiert. Die Hebammen sind fest angestellt und auch für Notfälle gibt es klare Regelungen. In einzelnen Ballungsräumen werden so inzwischen bis zu zehn Prozent der Kinder außerhalb der Kliniken geboren, obwohl der Anteil der außerklinischen Geburten auch in Großbritannien national zwischen zwei und drei Prozent liegt.

Allerdings hat Prof. Birgit Seelbach-Göbel auch hier einen Einwand. Denn auch die Fachgesellschaften der ärztlichen Geburtshelfer in Großbritannien seien, trotz des staatlichen Systems, grundsätzlich gegen die außerklinische Geburt.

Klinische Geburtshilfe in der Kritik

Geburt in der Klinik: zu technisch, zu viele Interventionen und Kaiserschnitte?

Prof. Sven Hildebrandt ist Frauenarzt in Dresden und arbeitet eng mit einem Geburtshaus zusammen. Er empfindet die ablehnende Position seiner ärztlichen Kollegen der außerklinischen Geburtshilfe gegenüber als problematisch. Denn die klinische Geburtshilfe befinde sich selbst in keinem guten Zustand: Klinikschließungen, Zentralisierungen bei oft schwieriger finanzieller Ausstattung und Personalengpässe seien nur einige der Probleme.

Hauptfrage sei immer, egal ob in der klinischen oder in der außerklinischen Geburtshilfe: Warum entstehen Komplikationen und Pathologien? Sehr oft seien die Ursachen dafür hausgemacht, zum Beispiel durch falsche Entscheidungen und zu rasches Eingreifen: Wenn beispielsweise trotz des verstrichenen Geburtstermins das Kind noch auf sich warten lasse. Zwar wurde die entsprechende Leitlinie überarbeitet, aber immer noch gebe sie Anlass zu Diskussionen. Wann soll eine Geburt im Einzelfall tatsächlich eingeleitet werden?

Klinik- oder Hausgeburt: Warum entscheiden sich Frauen für oder gegen die Klinik?

Eine Entwicklung der klinischen Geburtshilfe, die er besonders kritisiert, sind die über 250 000 Kaiserschnitte in deutschen Kliniken allein im Jahr 2017. Das entspricht rund 30,5 Prozent aller klinischen Geburten. Laut WHO sind nur bei 15 Prozent aller Geburten Kaiserschnitte medizinisch zwingend notwendig.
Auch die DGGG beobachtet diese Entwicklung mit Sorge. Prof. Birgit Seelbach-Göbel sieht sich selbst als Kritikerin hoher Interventions- und Kaiserschnittraten. Auch ihr Ziel ist es, in Kliniken möglichst vielen Frauen eine physiologische Geburt, also eine Geburt auf natürlichem Weg zu ermöglichen. Wichtig sei dabei, die Frauen empathisch und respektvoll zu begleiten. Gleichzeitig aber müsse immer gewährleistet sein, im Notfall schnell und optimal helfen zu können.

"Ich kann gut verstehen, wenn Frauen sich eine außerklinische Geburt wünschen, vor allem, wenn sie die Information haben, dass die Geburt in der Klinik sehr technisiert und sehr viel interveniert ist. Deswegen wäre auch mein Ziel, die Züge oder die Charakteristika der außerklinischen Geburtshilfe in die Klinik zu integrieren."

Prof. Dr. med. Birgit Seelbach-Göbel, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinik St. Hedwig, Barmherzige Brüder, Regensburg

Mögliche Kombination mit Potential

Nach der Geburt im Geburtshaus sind Kinder und Frauen schnell wieder zu Hause.

Studien der letzten Jahre zeigen, dass die außerklinische Betreuung durch Hebammen schon im Vorfeld und während der Geburt eine ganze Reihe positiver gesundheitlicher Auswirkungen hat. Neben weniger Frühgeburten, Dammschnitten und Kaiserschnitten fühlen sich Frauen oft auch psychisch gestärkt.

Eine Möglichkeit, die Vorteile außerklinischer - und klinischer Geburtshilfe zu nutzen, sind so genannte Hebammenkreißsäle. Die gibt es bereits vereinzelt in Deutschland. Sie befinden sich auf einem Klinikgelände, werden aber verantwortlich nicht von Ärzten, sondern von Hebammen geleitet. Bei medizinischen Problemen können Mutter und Kind schnell in den ebenfalls vorhandenen klinischen Kreißsaal oder OP verlegt werden.

Klinik- oder Hausgeburt? Frauen sollen selbst entscheiden

Klinik- oder Hausgeburt? Frauen sollen selbst entscheiden, wo sie ihre Kinder zur Welt bringen wollen.

Mediziner appellieren an Frauen, bei der Wahl des Geburtsortes mit zu berücksichtigen, dass ihren Kindern und natürlich ihnen selbst bei möglichen Notfällen schnell und mit optimalen medizinischen Therapien geholfen werden kann. Hebammen wie Astrid Giesen vom Bayerischen Hebammen Landesverband geben zu bedenken, dass manche Frauen sich im Geburtshaus oder zu Hause besser aufgehoben fühlen als in der Klinik. Auch psychosoziale Faktoren haben großen Einfluss darauf, wie eine Geburt verläuft. Wichtigstes Ziel aber, so Prof. Christiane Schwarz, ist es, Frauen Autonomie zu ermöglichen, damit sie, gut informiert und soweit möglich, frei entscheiden können, wo sie ihre Kinder zur Welt bringen wollen. Und darin sind sich die meisten Ärzte und Hebammen einig.


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