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Aspartam, Saccharin, Sucralose Süßstoff – ein Gesundheitsrisiko?

Kaum ein Fertiggericht, das ohne Zucker auskommt. Das Resultat, die Deutschen werden immer dicker. Adipositas, Diabetes und Co. sind die Folgen. Gut, dass es Süßstoff gibt. Mit ihm, so suggeriert die Werbung, lässt sich einiges an Kalorien einsparen und im besten Fall das Gewicht kontrollieren oder sogar abnehmen. Doch stimmt das wirklich? Immer wieder wird Süßstoff mit der Entstehung von Krebs und Diabetes in Zusammenhang gebracht? Ist Süßstoff also ein Gesundheitsrisiko oder ein harmloses Mittel, um in Form zu bleiben?

Author: Antje Maly-Samiralow

Published at: 20-6-2022 2:22 PM

Die Süßkraft von Süßstoffen ist deutlich intensiver als die von Zucker. So ist Aspartam 200 mal süßer, Saccharin 300 bis 500 mal und Sucralose sogar 600 mal süßer als Zucker. Dabei liefern sie fast keine Energie. Genau deshalb greifen viele Menschen zum Süßstoff. Sie wollen Kalorien sparen und so ihrer Figur und ihrer Gesundheit etwas Gutes tun. Ein Irrglaube? Richten Süßstoffe am Ende mehr Schaden an als sie nützen?

Studienergebnisse über Süßstoff

Studien legen einen Zusammenhang zwischen Süßstoffkonsum und Übergewicht sowie Diabtes nahe. Eine kürzlich publizierte französische Beobachtungsstudie sieht sogar Krebs als Folge von Süßstoffkonsum. Stefan Kabisch ist einer der wenigen Wissenschaftler, die die Wirkung von Süßstoffen auf den menschlichen Organismus beforschen. Wie beurteilt er solche Aussagen?

"Es sind vor allem Beobachtungsstudien, die den Verdacht nahe legen, dass Süßstoffe Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes fördern. Das Problem der Beobachtungsstudien ist, dass sie vor allem eine Korrelation der statistischen Beziehungen zeigen können, aber keine Kausalität. Letztlich ist unklar, ob die Patienten erst übergewichtig sind und dann zu Süßstoffen greifen, oder ob es eben andersherum ist, dass die Süßstoffe das Übergewicht erst bedingen. Das kann man aus diesen Studien nicht herauslesen. Besser designte Studien, Interventionsstudien mit einer Kontrollgruppe zeigen eher das Gegenteil, dass das Körpergewicht gleichbleibt oder sogar leicht sinkt."

Dr. med. Stefan Kabisch, Ernährungswissenschaftler, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Dass Süßstoffe per se krank machen, gibt die Studienlage jedenfalls nicht her. Sonst hätte die für Lebensmittelsicherheit zuständige europäische Behörde EFSA sie nicht zugelassen. Und doch bleiben Zweifel, denn die Studiendaten sind widersprüchlich. Für Prof. Stephan Herzig vom Helmholtzzentrum München ein Grund, dem nachzugehen.

"Nach der Aufnahme im Darm, wissen wir, dass Süßstoffe bewirken, dass bestimmte Botenstoffe, dass bestimmte Hormone aus dem Darm ausgeschüttet werden. Das bekannteste ist vielleicht das GLP-1. Dieses GLP-1, was tut es normalerweise? Es sorgt dafür, dass die Insulinausschüttung aus der Bauchspeicheldrüse stimuliert wird und andererseits kontrolliert es den Appetit. Und wenn wir jetzt davon ausgehen, dass nach einer Süßstoffaufnahme weniger GLP-1 gebildet wird, dann kommt es weniger zu Insulinausschüttung und weniger zu einer Hemmung des Appetits, das heißt, man hat eigentlich mehr Hunger."

Prof. Dr. rer. nat. Stephan Herzig, Direktor Helmholtz Diabetes Zentrum München

Die meisten Menschen konsumieren Süßstoff jedoch nicht allein, sondern zusammen mit Zucker aus Kohlenhydraten wie Brot oder süßem Obst. Und diese Kombination scheint es in sich zu haben: „Da gibt es eine ganz spannende Studie, die genau das untersucht hat: Was passiert in der Kombination zwischen Süßstoffen und Zucker. Und es zeigte sich, dass tatsächlich nicht der Süßstoff alleine, sondern die Kombination dafür verantwortlich war, dass es zu einer verminderten Insulinsensitivität, einem verschlechterten Zuckerstoffwechsel und einer veränderten Gehirnantwort auf den Reiz ‚süß‘ kam", so Professor Herzig.

Weitere Forschungen zur Wirkung von Süßstoff notwendig

Studien zeigen, dass die Aufnahme von Süßstoffen mit einer Veränderung der Darmflora einhergeht.

Auch Stefan Kabisch sieht weiteren Forschungsbedarf, nicht zuletzt, weil die vorliegenden Daten Fragen aufwerfen: "Die klinischen Interventionsstudien zeigen, dass man mit den Süßstoffen gar nicht so stark abnehmen kann, wie wir es eigentlich erwarten würden. Wenn man die Hälfte des durchschnittlichen deutschen Zuckerkonsums durch Süßstoffe ersetzt, würde man eigentlich davon ausgehen, dass man 200 kcal einspart. Übers Jahr gerechnet sind das 10-15 Kilo Körpergewicht. Die Studien zeigen aber tatsächlich eine Gewichtsreduktion von ein, zwei, vielleicht drei Kilogramm, also wesentlich weniger. Und dafür muss es eine Erklärung geben."

Vielleicht isst man, was man durch Süßstoffe Zucker einspart, mehr an anderen Lebensmitteln? Eine Art Selbstbetrug? Eine andere Erklärung könnte die durch Süßstoffe bedingte Veränderung des Mikrobioms, der Zusammensetzung der Darmbakterien, sein. Professor Herzig meint dazu, es gebe eine ganze Reihe von Studien, die zeigen würden, dass die Aufnahme von Süßstoffen mit einer Veränderung der Darmflora einhergehe. Das würde sowohl für Mäuse als auch für Menschen gelten. "Infolgedessen – also nach Aufnahme von Süßstoffen – kommt es dann zu einer Veränderung der Darmflora. Und das korreliert dann auch mit Störungen im Zuckerstoffwechsel", so Herzig.

Negative Folgen von Süßstoffaufnahme

Es gibt also Hinweise, dass und warum eine kontinuierlich hohe Süßstoffaufnahme zu Stoffwechselerkrankungen wie Übergewicht und Diabetes führen könnte. Aber gibt es auch Erklärungen für eine potenziell krebserregende Wirkung von Süßstoffen? Die französische Studie hat ja vor allem das Auftreten von Krebsarten beobachtet, die typischerweise mit Übergewicht einhergehen, etwa Brustkrebs.

Süßstoffe sollten nicht in rauen Mengen und nach Möglichkeit nicht zusammen mit Kohlenhydraten konsumiert werden.

Professor Herzig erklärt, der Zusammenhang zwischen Übergewicht, Diabetes und Krebs sei sehr gut belegt. Potenzielle Mechanismen seien u.a. die Insulinresistenz, die dazu führe, dass Menschen sehr hohe Insulinspiegel hätten, und Insulin eben nicht nur ein Regulator des Blutzuckerspiegels sei, sondern auch ein Wachstumsfaktor.

"Das heißt, Krebszellen können besser wachsen und werden aggressiver. Darüber hinaus konnten wir an einer Studie, die wir hier am Helmholtzzentrum München durchgeführt haben, zeigen, dass auch andere Hormone, wie z. B. das berühmte Leptin, das ist ein Hormon, das aus dem Fettgewebe kommt, Krebs fördern können. Bei Übergewicht hat man sehr hohe Leptin-Spiegel. Auch dieses Leptin kann dann eben nicht nur den Appetit regulieren, dass was es normalerweise tut, sondern auch Krebszellen dazu bringen, aggressiver zu werden und mehr Metastasen zu bilden", so Professor Herzig.

Zwar gelten Süßstoffe nach aktueller Datenlage als unbedenklich. Sie sollten aber nicht in rauen Mengen und nach Möglichkeit nicht zusammen mit Kohlenhydraten konsumiert werden.


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