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Magenprobleme Wenn Stress auf die Verdauung schlägt

Nicht nur Fußballstar Per Mertesacker leidet in Stresssituationen unter Verdauungsproblemen. Solche Beschwerden sind verbreitet - und behandelbar.

Von: Veronika Keller

Stand: 02.05.2022

Kurz vorm Anpfiff ist es am schlimmsten. Die Erwartungen sind enorm, Gewinnen ist Pflicht. Die Anspannung steigt ins Unermessliche, und dann kommt er, der Brechreiz. Der Fußballstar Per Mertesacker hat in einem Interview sehr offen über den massiven Druck gesprochen, unter dem er in seiner Karriere stand.

Das Leben als Fußballprofi bedeutet nicht nur Abenteuer, Geld und Glamour, sondern auch extremen Stress. Bei Mertesacker schlug der auf die Verdauung. Massive Durchfälle und Brechreiz quälten ihn vor jedem Spiel.

Leistung gefordert: Körper schüttet Stresshormone aus

Der Münchner Gastroenterologe Dr. Christof Pfundstein weiß: Solche oder ähnliche Probleme haben viele Menschen in Stresssituationen. Der Grund ist evolutionär bedingt: Wenn von uns Leistung gefordert wird, schüttet der Körper Stresshormone aus. Die und unser Nervensystem sollen uns fit für den Überlebenskampf machen, damit wir in Gefahrensituationen volle Leistung und Konzentration geben können.

Die Kehrseite: Die Verdauung als Organsystem, das in solchen Momenten nicht gebraucht wird, ist dann von der Durchblutung und den Nerven schlecht versorgt. Dadurch kann es zu Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Bauchkrämpfen kommen.

"Eigentlich ist dieser Mechanismus ganz normal. Schwieirg ist es dann, wenn es für den Einzelnen zu einer Belastung wird: Wenn dieser Mensch immer wieder in Stresssituationen kommt und dann nicht mehr gegenregulieren kann, sondern das zu einem automatischen Selbstläufer wird. Sobald dann die Ahnung einer Stresssituation kommt, fangen die Symptome sofort an."

Dr. med. Christof Pfundstein, Gastroenterologe, München

Prüfungen? Stress schlägt auf den Magen

Anna-Karina kannte das Problem seit Jahren. Wenn sie sich am Ende des Semesters durch die Prüfungsphase kämpfte, litt sie immer wieder unter Stress. Und der schlug ihr auf den Magen.

"Mir wird’s dann total schlecht, ich kriege auch keinen Bissen runter. Ich weiß noch, vorm Staatsexamen hat mein Freund versucht, mir ein Müsli zu füttern. Aber ich bin dann immer ins Bad gesprungen, weil ich dachte, ich kann es nicht bei mir behalten."

Anna Karina, Medizinstudentin

Bei den meisten gehen solche Beschwerden nach der Prüfungssituation schnell wieder vorbei. Dann sind Symptome wie Durchfall und Erbrechen zwar nicht bedrohlich, können aber auf die Dauer extrem belastend sein. Manchen helfen naturheilkundliche Magenmittel oder eine probiotische Therapie. Aber:

"Typische Medikamente gegen Durchfallerkrankungen, wie wir sie immer wieder verschreiben bei Infektionen oder anderen Ursachen, helfen bei diesen psychisch bedingten Erkrankungen nicht. Da muss man sagen, da sind nach Ausschluss relevanter anderer Erkrankungen vor allem psychotherapeutische Ansätze sinnvoll."

Dr. med. Christof Pfundstein, Gastroenterologe , München

Ängste behandeln

Darauf ist Psychotherapeut Robert Weiss spezialisiert. Er rät, solche Beschwerden ernst zu nehmen, vor allem wegen der Ängste, die hinter den Verdauungsproblemen stecken können.

"Das eine ist eine Tendenz zur Chronifizierung. Das heißt, wenn die Angst einmal da ist, neigt sie auch dazu, da zu bleiben. Die geht in den seltensten Fällen von alleine wieder weg. Und das zweite ist, dass die Angst dazu neigt zu generalisieren, also immer mehr zu werden und von einzelnen Situationen überzugreifen auf andere Situationen."

Robert Weiss, psychologischer Psychotherapeut, München

Entspannung hilft

Betroffene sollten sich nach der Ursache der Angst fragen: Liegt es an einer falschen Vorbereitung? An zu hohen Erwartungen? Wichtig ist, sich aktiv mit dem Gefühl auseinanderzusetzen. Um Angst in den Griff zu bekommen und die Verdauung zu normalisieren, hilft bewusstes Entspannen und Genießen, gerade in der Vorbereitungszeit vor einer großen Herausforderung. Bei Anna Karina klappte es mit jedem Semester besser.

"Mit der Zeit gewöhnt man sich an die Prüfungen. Man weiß, was man für ein Lerntyp ist und wie man sich die Zeit einteilt. Und mir ist aufgefallen, dass Pausen viel wichtiger sind als zehn Stunden durchgehend zu lernen."

Anna Karina, Medizinstudentin

"Was man weiß ist, dass viele Betroffene es mit großer Erleichterung aufnehmen, von anderen Menschen zu erfahren, dass es ihnen so ähnlich geht. Viele Menschen denken: Ich bin der Einzige und es geht nur mir so. Insofern ist es eine sehr gute und schöne Erfahrung zu merken: Mensch, es gibt da ja noch andere"

Robert Weiss, psychologischer Psychotherapeut, München

In der Öffentlichkeit über seine Probleme zu sprechen war von Fußballer Mertesacker also nicht nur mutig, sondern vielleicht auch eine Hilfe für andere Betroffene.


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