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Restless-Legs-Syndrom Bei unruhigen Beinen Eisenwert beachten

Zuckende, schmerzende Beine, ein Kribbeln und Ziehen, nächtlicher Bewegungsdrang – das Restless-Legs-Syndrom hat viele Gesichter und gehört zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Bis zu zehn Prozent der älteren Bevölkerung ist betroffen – vor allem Frauen. Seit Ende vergangenen Jahres gibt es neue Leitlinien. Gesundheit! begleitet zwei Patientinnen und zeigt, worauf es bei der Behandlung ankommt.

Von: Julia Richter

Stand: 30.04.2023

Meist beginnt es am Abend. Wenn alle schlafen ist Lisa Seiberl unterwegs – sie läuft und läuft. Schuld sind ihre Beine.

"Das Gefühl ist, wie wenn ich an den Fußsohlen gekitzelt werde. Permanent. Es ist fürchterlich unangenehm und es ist unmöglich, sich ruhig zu halten."

Lisa Seiberl

Auch die Beine von Angelika Kolodzik führen ein Eigenleben: Sobald sie sich hinsetzt, geht das Zappeln los:

"Das fühlt sich an wie Ameisen – alles was so kreucht und fleucht – und es spielt sich vorne in beiden Knien ab. Wenn ich versuche, die Beine irgendwie ruhig zu kriegen, durch Bewegung, dann kommen meistens noch Krämpfe dazu."

Angelika Kolodzik

Neue RLS-Leitlinie

Die RLS-Sprechstunde bei Prof. Dr. Trenkwalder in der Paracelsus-Klinik ist die letzte Hoffnung für die 66-Jährige. An drei bis vier Nächten die Woche ist sie unterwegs, anstatt zu schlafen. Das zerrt an den Nerven.

Die Neurologin Prof. Trenkwalder gehört zu den führenden Spezialistinnen und hat die neue RLS-Leitlinie verfasst:

"Ein klassisches Restless-Legs-Symptom ist die Unruhe. Unruhe verbunden mit irgendwelchen Missempfindungen, Störungen, Schmerzen – was aber nur in Ruhe auftritt. Durch Bewegung wird alles besser. Und das Ganze hat einen zirkadianen Rhythmus, also einen tageszeitlichen Verlauf. Am Abend und in der Nacht sind die Symptome am schlimmsten."

Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder, Leiterin des Paracelsus Kompetenznetz Parkinson und Bewegungsstörungen, Kassel 

Ursache und Folgen der ruhelosen Beine

Neben der Anamnese werden die Patienten gründlich untersucht, bei Bedarf auch im Schlaflabor. Das Problem: Bis heute kennt man die genaue Ursache nicht. Fest steht: Es ist eine Erkrankung des zentralen Nervensystems. Eine Rolle spielen Gene – eine andere die Botenstoffe im Gehirn.

"Die Ursachen können eine Entwicklungsstörung sein, ganz früh schon in der Embryonalentwicklung. Das weiß man auch von der Genetik. Es können Störungen im Eisenstoffwechsel sein, die auch mit dem Dopaminstoffwechsel interagieren."

Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder, Leiterin des Paracelsus Kompetenznetz Parkinson und Bewegungsstörungen, Kassel 

Nierenprobleme, ein Eisenmangel, eine Schwangerschaft oder bestimmte Medikamente – all das kann ein RLS mit auslösen.

Die Folgen von dauerhaftem Schlafmangel

Das Problem: Bei den meisten Patienten gehen die Beinbewegungen im Schlaf weiter – oft ohne, dass die Betroffenen es merken. Und das kann fatale Folgen für die Gesundheit haben.

"Ein dauerhafter gestörter Schlaf führt zu Schlafmangel, führt aber auch zu Stimmungsschwankungen und Gereiztheit und kann zu Depressionen führen. Und vor allem gibt es einen Zusammenhang zwischen nächtlichem hohem Blutdruck und Restless Legs. Diese Beinbewegungen können zu hohem Blutdruck führen."

Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder, Leiterin des Paracelsus Kompetenznetz Parkinson und Bewegungsstörungen, Kassel 

Neuer Behandlungsansatz: der Eisenwert

Umso wichtiger ist eine angepasste Behandlung: In den neuen Leitlinien wird empfohlen, immer den Eisenwert zu bestimmen - und zwar zu Beginn und während der Behandlung. Denn ein Eisenmangel ist ein häufiger Auslöser, gerade bei Älteren. Wichtig sind zwei Werte: Ferritin und die Transferrinsättigung:

"Das Ferritin sollte nicht unter 75 ug/l sein, besser 100. Die Transferrinsättigung kann bis zu 40 Prozent gehen. Erst über 40 Prozent müssten wir aufpassen, dass man zu keiner Eisen-Überladung kommen."

Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder, Leiterin des Paracelsus Kompetenznetz Parkinson und Bewegungsstörungen, Kassel 

Bei geringem Eisenmangel helfen Tabletten oder Tropfen – bei schwerem eine Infusion: Auch bei Angelika Kolodzik war der Eisenwert viel zu niedrig. Die Wirkung der Infusion soll mehrere Monate halten.

"Meine Erwartung, oder besser Hoffnung, ist natürlich durch die Eisentherapie, dass es ganz weggehen wird. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, ich wäre schon mit der Hälfte zufrieden."

Angelika Kolodzik

Empfehlung: Kein L-Dopa mehr dauerhaft

Der am meisten verschriebene Wirkstoff ist L-Dopa. Vor allem bei schwer betroffenen Patienten gehört er – zumindest in Deutschland – quasi zur Standardversorgung. Doch nach der neuen Leitlinie soll er nicht mehr dauerhaft eingesetzt werden.

"L-Dopa wird im Gehirn zu Dopamin umgewandelt und das wirkt sehr kurzzeitig und kurzfristig an den Dopaminrezeptoren - verbessert das RLS - aber macht langfristig oft eine Verschlechterung, eine sogenannte Augmentation. Die Wirkung ist ähnlich wie bei einem Kopfschmerzmittel – wenn Sie es dauerhaft zu hoch nehmen, werden die Kopfschmerzen immer mehr."

Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder, Leiterin des Paracelsus Kompetenznetz Parkinson und Bewegungsstörungen, Kassel 

Möglichst spät mit Medikamenten starten

Die kennt auch Lisa Seiberl nur zu gut: Die Beschwerden traten irgendwann immer früher am Tag auf, sogar schon am Nachmittag. Außerdem wurden sie schlimmer, bald betraf es weitere Körperteile, wie etwa die Arme und die Hände. Viele Patienten erhöhen deshalb die Dosis. Ein Teufelskreis.

Angelika Kolodzik hat ihre L-Dopa- Medikamente abgesetzt und nimmt nun einen sogenannten Dopamin-Agonisten. Für schwere Fälle können zusätzlich Opioide oder Antiepileptika eingesetzt werden.

Generell gilt für alle Patienten, vor allem aber für jüngere, die Empfehlung:

"Man sollte beim RLS möglichst spät mit einer medikamentösen Behandlung starten. Man sollte niedrig dosiert starten und niedrig dosiert bleiben. Wenn medikamentös, dann nur mit einer Substanz behandeln zu Beginn."

Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder, Leiterin des Paracelsus Kompetenznetz Parkinson und Bewegungsstörungen, Kassel 

Vorsicht bei alternativen Heilmethoden: Die Wirkung von Akupunktur oder bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln ist bei RLS wissenschaftlich nicht bestätigt. Auch Magnesium hilft nicht gegen die Beschwerden.


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