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Erkältung und Lungenentzündung Pneumokokken-Impfung kann Leben retten

Pneumokokken sind weiter verbreitet als manche denken. In vielen von uns leben sie schon. Jetzt im Winter ist Hochsaison für Erkältungen. Die sind lästig, aber manchmal auch gefährlich. Denn ist das Immunsystem geschwächt, können sich Pneumokokken in den Atemwegen ausbreiten und zu schweren Lungenentzündungen bis hin zu Blutvergiftungen oder einer Hirnhautentzündung führen. Wer sollte sich wann impfen lassen?

Von: Bernd Thomas

Stand: 14.02.2023

Portrait von | Bild: BR

Bei Paul Kiener beginnt es mit einer Erkältung. Doch schnell wird der Husten heftiger und beginnt zu schmerzen. Eitriger Auswurf kommt hinzu. Da der 79-Jährige alleine lebt, setzte er sich kurzerhand ins Taxi und fährt in das Krankenhaus Neuwittelsbach in München.

"Kiener, hab ich gedacht, wenn Du das jetzt nicht machst, gehörst der Katz!"

Paul Kiener, Patient

Pneumokokken: Häufiger Auslöser für Lungenentzündungen

Die richtige Entscheidung, denn Paul Kiener hat bereits eine gefährliche Lungenentzündung, wahrscheinlich durch Pneumokokken. Sie zählen zu den häufigsten Auslösern von Lungenentzündungen. Eine schwere Infektion durch Pneumokokken entwickelt sich oft sehr rasch und die meisten Patienten fühlen sich schnell richtig krank. Manchmal ist die Gefahr aber nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Gerade bei hochbetagten oder bettlägerigen Patienten können die Symptome unspezifischer sein.

"Das sind zum Beispiel nachlassendes Interesse an Alltagstätigkeiten, Konzentrationsschwächen, eine geistige Eintrübung, ein Immer-Müder-Werden, ein Desinteresse an Trinken und Essen. Und das beschleunigt natürlich eine Abwärtsspirale: Man müsste eigentlich wegen des Fiebers mehr trinken, hat aber weniger Interesse daran und trocknet aus. Es kann sogar so weit gehen, dass solche tiefen Atemwegsinfektionen sich als Durchfall oder als abdominelle Beschwerden zeigen. Oder auch als Schmerzen im Brustkorb, wenn es sich dann um eine Entzündung der Lungenblätter oder des Rippenfells handelt."

Prof. Dr. med. Hanno Leuchte, Pneumologe und Kardiologe, Krankenhaus Neuwittelsbach, München

Was viele nicht wissen: Pneumokokken leben in den meisten von uns. Ist der Körper erst einmal geschwächt, können sie sich oft leichter vermehren.    

"Wir haben Pneumokokken in unserem Rachenraum, das sind Besiedler. Wenn allerdings
eine zusätzliche Schwäche dazukommt, egal ob eine Erkältung oder zum Beispiel eine Vorerkrankung, dann kann das zu schweren Infektionen führen."

Prof. Dr. med. Hanno Leuchte, Pneumologe und Kardiologe, Krankenhaus Neuwittelsbach, München

Kasten: Risiko Pneumokokken-Infektion

Pneumokokken sind keine Viren, sondern Bakterien. Circa einhundert unterschiedliche Serotypen sind bekannt. Die Impfung schützt vor maximal 23, die als gefährlich gelten. Sie können durch Tröpfcheninfektion auch von Menschen ohne Krankheitssymptome übertragen werden. Ist das Immunsystem geschwächt, können sich die Bakterien entlang der Atemwege ausbreiten und bis tief in die Lungenflügel hinein zu Entzündungen führen. Auf Röntgenbildern zeigen sich im ansonsten dunklen Lungengewebe dann weiße Flecken und Strukturen bis hin zu größeren, hellen Flächen. In diesen Bereichen findet kein Gasaustausch mehr statt, die Lungen können die Organe nur noch eingeschränkt mit Sauerstoff versorgen. Das führt oft zu Komplikationen in anderen Organen. Und es kann noch schlimmer kommen. Bei sogenannten invasiven Pneumokokken-Infektionen dringen die Bakterien in den Blutkreislauf ein und können eine Blutvergiftung oder auch eine lebensgefährliche Hirnhautentzündung auslösen.

Infektion: Erhöhtes Risiko für Kleinkinder, Menschen mit Risiken und Ältere

Besonders gefährdet sind Babys und Kleinkinder, Menschen mit beruflichen oder krankheitsbedingten Risiken, zum Beispiel mit chronischen Erkrankungen wie Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes oder auch nach Organtransplantationen. Ihnen wird eine Impfung empfohlen. Ebenso allen Menschen ab 60 Jahren, denn das Risiko für eine schwere Pneumokokken-Infektion steigt mit dem Alter an. 

"Je älter ein Mensch wird, desto schwächer wird das Immunsystem und desto mehr lassen auch die normalen Organfunktionen nach. Es ist beispielsweise so, dass Herzerkrankungen, Kreislauferkrankungen, besonders nach Schlaganfällen oder Nierenerkrankungen, einfach das Immunsystem schwächen und das Risiko für alle Infektionen steigern, aber eben auch ganz besonders für schwere bakterielle Infektionen."

Dr. med. Werner von Wulffen, Pneumologe, Augustinum Klinik München

Pneumokokken-Impfung: Trotz Empfehlung zu wenig Ältere geimpft

Babys und Kleinkinder werden heute routinemäßig in den ersten Monaten geimpft und sind damit weitgehend geschützt. Anders ist die Situation bei älteren Menschen. Die meisten haben keinen Impfschutz. Genaue Zahlen gibt es nicht, doch geschätzte 40.000 Lungenentzündungen lösen Pneumokokken jährlich aus. Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich höher. Rund jede achte endet tödlich. Wird die Infektion dagegen schnell erkannt und mit Antibiotika behandelt, stehen die Chancen gut, wieder ganz gesund zu werden. Das gilt auch für schwere Infektionen, die stationär behandelt werden müssen. Allerdings dauert es nach der akuten Therapie noch eine gewisse Zeit, bis der Körper alle durch die Infektion entstandenen Schäden beseitigt hat.

"Es kommt natürlich auf die individuelle Konstellation an, wie gesund war ich vorher gewesen, oder war ich vorher schon eingeschränkt? Und dann macht es durchaus auch einmal Sinn, in dieser Rekonvaleszenzphase und zur Überbrückung in eine Rehabilitation zu gehen."

Prof. Dr. med. Hanno Leuchte, Pneumologe und Kardiologe, Krankenhaus Neuwittelsbach, München

Denn hinzu kommt auch der Verlust an Muskelmasse und Kondition.

"Es gibt so eine Faustregel, die sagt: Was man so an Leistungsfähigkeit, Muskulatur und Kondition in einer Woche verliert, braucht ungefähr drei Wochen, bis man es wieder zurückgewonnen hat."

Dr. med. Werner von Wulffen, Pneumologe, Augustinum Klinik München

Pneumokokken-Impfung: Regelmäßig auffrischen

Die Ständige Impfkommission, kurz StiKo, empfiehlt eine Auffrischung der Pneumokokken-Impfung alle sechs Jahre. Ob das im Einzelfall notwendig ist, lässt sich am besten mit dem Hausarzt besprechen. Dort bekommt jeder die Impfung, die von den Krankenkassen bezahlt wird, nach einem Aufklärungsgespräch und einer körperlichen Untersuchung.    

"Im Unterschied zur Grippeimpfung, an die wir ja jedes Jahr gewöhnt sind, und jetzt zur Corona-Impfung, wo ja auch viel in den Medien und in der Presse war, ist die Pneumokokken-Impfung eben nur alle sechs Jahre notwendig. Das vergisst man schon mal leicht. Deswegen ist es ganz besonders wichtig, die Patienten nach diesen sechs Jahren auch wirklich wieder dezidiert an die Impfung zu erinnern. Die Serotypen, die in der Impfung enthalten sind, gegen die ist der Schutz schon sehr, sehr gut und sehr verlässlich. Es sind ja die wirklich gefährlichen Typen, die wirklich schwere Lungenentzündung auslösen und zum stationären Aufenthalt führen. Natürlich kann es im Einzelfall sein, dass der eine oder andere Serotyp nicht perfekt abgedeckt wird, und man trotzdem erkrankt. Aber mit einer Impfung hat man dann eben möglicherweise auch einen leichteren Verlauf."

Prof. Dr. med. Jörg Schelling, Facharzt für Allgemeinmedizin, München

Paul Kiener hatte sich schon vor seiner Erkrankung gegen Pneumokokken impfen lassen. Wahrscheinlich hat er deshalb die Infektion auch trotz seiner Vorerkrankungen gut überstanden. Er ist jedenfalls froh, wieder gesund zu sein. 

"Ich bin wirklich heilfroh, dass das vorüber ist. Weil das wünsche ich keinem."

Paul Kiener, Patient

Die Pneumokokken-Impfung kann eine Infektion nicht grundsätzlich verhindern, aber oft Schlimmeres verhüten.

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