BR Fernsehen - Gesundheit!


3

Patientenrechte Verdacht auf Fehlbehandlung – was ist zu tun?

Statistisch gesehen ist es zwar selten, aber es kommt vor: dass Ärztinnen und Ärzte Fehler machen. Spezielle Patientenrechte sollen einen davor schützen – oder zumindest Schadenersatz garantieren. Diese Rechte sollte jeder kennen!

Author: Anna-Luisa Bath

Published at: 23-1-2023

Rund ein Jahr lang hat Astrid Mühlberg nicht im Geringsten damit gerechnet, dass ihre Hautärztin sie falsch behandeln könnte. Immerhin war die ganze Familie der 55-Jährigen schon seit längerem bei der Ärztin in Behandlung, ohne dass es je Beanstandungen gegeben hatte.

Ein Jahr lang keine Besserung

Als Mitarbeiterin eines psychiatrischen Instituts in München ist Astrid Mühlberg selbst im Gesundheitswesen tätig. Zwar war sie nach einigen Monaten etwas verwundert darüber, dass sich ein Ausschlag an der Brustwarze immer noch nicht gebessert hatte. Sie verließ sich aber auf die Expertise der Hautärztin, die ihr weiterhin nur Salben verschrieb.

Späte Diagnose Hautkrebs

Der Hautkrebs wurde sehr spät erkannt, obwohl es Hinweise auf einen zugrunde liegenden Tumor der Brustdrüse gab.

Erst als nach einem Jahr dann die Gynäkologin bei einer Routineuntersuchung dringend empfahl, die Brust näher untersuchen zu lassen, erfuhr Astrid Mühlberg, dass es sich bei dem vermeintlichen Ekzem in Wahrheit um Hautkrebs handelte:  Die für die "Morbus-Paget"-Erkrankung der Brust  symptomatische Dermatose weist außerdem auf einen zugrunde liegenden Tumor der Brustdrüse hin.

Auch wenn er sich nicht ertasten ließ, war dieser zum Zeitpunkt der Diagnose bei Astrid Mühlberg bereits handtellergroß gewachsen – zu groß für eine brusterhaltende Operation.

Wegen der Hautärztin die Brust verloren?

Für die Patientin folgte ein schweres Jahr: Krebstherapie mit Brustabnahme, Chemotherapie und anschließender Bestrahlung. In dieser Zeit wäre sie psychisch nicht in der Lage gewesen, rechtliche Schritte einzuleiten. Doch die Vermutung, dass sie ohne die Verzögerung in der Diagnostik durch das eine Jahr, in dem sie in Behandlung bei der Hautärztin gewesen war, möglicherweise ihre Brust behalten hätte, ließ ihr keine Ruhe.

"Es geht mir darum, für Gerechtigkeit zu sorgen. Wir leben in einem Rechtsstaat und das ist ein Punkt, den man hiermit ja zur Hilfe nehmen kann. Und das ist mir wichtig."

Astrid Mühlberg, Patientin

Kostenloses Gutachten

Sobald es Astrid Mühlberg besser ging, nahm sie Kontakt zu ihrer Krankenkasse auf und beantragte über diese ein Gutachten durch den Medizinischen Dienst, das gesetzlich Versicherten in Deutschland bei vermuteten Behandlungsfehlern kostenfrei zusteht.

13.050 fachärztliche Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern hat der Medizinische
Dienst im Jahr 2021 insgesamt erstellt. In jedem vierten Fall wurde ein Fehler bestätigt und ein Schaden festgestellt. In jedem fünften Fall stellten die Gutachterinnen und Gutachter fest, dass der Behandlungsfehler auch tatsächlich Ursache des Schadens war, also insgesamt 2.709 Mal.

Patientenakte und Einsichtsrecht

Das Patientenrechtegesetz ist seit 2013 eine Erweiterung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).

Nicht nur im möglichen Streitfall, sondern auch bereits bei Unsicherheiten oder Zweifeln des Patienten, die die Therapie oder den Behandelnden (das können neben Ärzt:innen auch Hebammen, Physiotherapeut:innen oder Heilpraktiker:innen sein) betreffen, gilt das sogenannte Patientenrechtegesetz – eine 2013 in Kraft getretene Erweiterung des Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), die Regelungen über den medizinischen Behandlungsvertrag und die Rechte und Pflichten im Rahmen der Behandlung enthält. Hierbei ist unter anderem festgelegt worden, dass der Behandelnde sämtliche für die Dokumentation wichtigen Umstände zeitnah in der Patientenakte zu dokumentieren und sie sorgfältig und vollständig zu führen hat. Selbstverständlich darf der Patient auch jederzeit Einsicht in seine vollständige Patientenakte nehmen und Kopien davon anfertigen.

Kommt es infolge eines vermuteten Behandlungsfehlers zur Klage, ist die Patientenakte ein wichtiges Beweismittel im Prozess. Denn hat der Behandelnde gegen seine Befunderhebungs- oder Befundsicherungspflicht verstoßen, bleibt unklar, ob er einen Befund überhaupt erhoben oder einen erhobenen Befund tatsächlich richtig gedeutet hat. Zu Gunsten des Patienten und zu Lasten des Behandlers geht die Gesetzgebung dann davon aus, dass die nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht erfolgt ist.

Gutachten bestätigt "groben Behandlungsfehler"

Im Fall Mühlberg wurde ein "grober Behandlungsfehler" festgestellt.

Ausgehend von der Patientenakte von Astrid Mühlberg, in der keine weitere Befundung durch die Hautärztin dokumentiert war, bestätigte das Gutachten durch den Medizinischen Dienst hier tatsächlich einen "groben Behandlungsfehler". Allerdings räumte der Gutachter ein, dass die Krebsbehandlung auch bei frühzeitigem Erkennen hätte durchgeführt werden müssen.
Ob die Brust in diesem Fall hätte erhalten werden können, sei nicht erwiesen.

Damit erkannte das Gutachten zwar einen Behandlungsfehler an, aber nicht, dass dieser auch zwingend ursächlich für den beanstandeten Schaden ist.

Außergerichtliche Einigung: 37.000 Euro Entschädigung

Astrid Mühlberg entschloss sich für eine außergerichtliche Einigung.

Auch wenn es damit einige wichtige Stellen offenließe – insgesamt erachtet der Münchner Fachanwalt für Medizinrecht Florian Friese, von dem sich Astrid Mühlberg in der Angelegenheit vertreten ließ, das Gutachten trotzdem als positiv für seine Mandantin. Denn wenn ein Gutachten einen groben Behandlungsfehler bestätigt, muss die Gegenseite erst einmal das Gegenteil beweisen. Weil sie dazu höchstwahrscheinlich nicht in der Lage ist, kann in vielen solcher Fälle eine außergerichtliche Einigung erzielt werden.

So auch im Fall Mühlberg. Hier konnte man sich schlussendlich einvernehmlich auf eine Entschädigungssumme über 37.000 Euro einigen. Das ist weniger, als sich Astrid Mühlberg ursprünglich erhofft hatte. Trotzdem ist sie mit dem Betrag einverstanden.

Abschließen und nach vorne blicken

Astrid Mühlberg kann damit abschließen. Mit der Entschädigung will sie sich eine Reise mit der Familie finanzieren. Auch hat sie ihre Brust inzwischen wieder, dank eines erfolgreichen Brustaufbaus mit Eigengewebe. Vor allem aber ist sie seit inzwischen fünf Jahren nun krebsfrei und hat damit gute Aussichten, dass es für immer so bleibt.

Klagen – ohne Rechtsschutz oft riskant

Denn hätte sie die Entschädigung so nicht akzeptiert und auf einer Klage bestanden, hätte sie nicht nur das Risiko, vor Gericht zu scheitern, sondern auch hohe Prozesskosten in Kauf nehmen müssen – die sie, da ohne Rechtsschutzversicherung – komplett selbst hätte tragen müssen.

"Geht es ins gerichtliche Verfahren, dann kann es wirklich drei oder vier Jahre dauern, bis man da ein Ergebnis hat. Im Worst Case, wenn man wirklich vollständig unterliegen würde, müsste man, wenn man jetzt von Schmerzensgeld und weiteren Ansprüchen ausgeht, wirklich mit einem Kostenrisiko von 10.000, 12.000 Euro rechnen, die man dann selbst tragen müsste. Und auch wenn man zum Beispiel gewinnt, hat man immer noch das Risiko, dass die Gegenseite in die zweite Instanz, also in Berufung geht und das Urteil anficht. Deswegen ist natürlich eine außergerichtliche, angemessene Regulierung für den Patienten und Betroffenen immer das, was für ihn auch schneller funktioniert und wo er dann auch persönlich mit der Sache abschließen kann."

Florian Friese, Fachanwalt für Medizinrecht, München

Kostenlose Beratung

Gesetzliche Krankenkassen sind dazu verpflichtet, ihre Mitglieder bei vermuteten Behandlungsfehlern zu unterstützen. Außerdem bieten auch die folgenden Einrichtungen kostenlose Beratung an.


3