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Vorbereitung auf OP Prehabilitation: Fit für die OP!

Rehabilitation - das ist den meisten ein Begriff. Dass Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt bestimmte Behandlungen bekommen, bevor sie in ihr normales Leben zurückkehren, ist in unserem Gesundheitssystem etabliert. Was aber ist mit der Zeit vor einer Operation? Kann man sich auf einen Eingriff vorbereiten? Darum geht es bei der so genannte Prehabilitation - einem Trend in der operativen Medizin.

Von: Veronika Keller

Stand: 03.06.2019

Prehabilitation: Fit für die OP | Bild: BR

Skisport geht für Tini Hommen zurzeit nur vom Sofa aus. Sie ist geübt im Alpinski, aber als sie dieses Jahr die Saison einläuten will, rutscht ihr an einer eisigen Stelle der Ski weg, und es passiert.

"Als ich es ausgleichen wollte und den Skier wieder ranziehen wollte, habe ich es schon reißen hören und dachte mir: Na, wunderbar!"

Tini Hommen

Beim Arzt stellt sich heraus: Sie hat sich einen Kreuzbandriss zugezogen. Orthopäde und Unfallchirurg Dr. Wimmer rät, in ihrem Fall das Kreuzband operativ zu ersetzen. Das Problem: gut strecken und beugen kann Tini ihr Knie momentan nicht, das soll sich ändern. Und zwar noch vor der OP.

"Man weiß von Studien, dass ein schlecht bewegliches Knie nach der Operation einfach deutlich schlechter beweglich wird. Was die Muskelfunktion betrifft, weiß man aus dem Leistungssport, dass jemand, der mit einer guten Muskelfunktion in die OP geht, danach auch schneller wieder sein Level erreicht."

Dr. med. Christian Wimmer, Orthopäde und Unfallchirurg, ZFOS München

OP aktiv vorbereiten

Statt nur Reha nach der OP schon vorher etwas für Beweglichkeit und Kraft tun, um schneller wieder schneller auf den Beinen zu sein - Tini ist motiviert. Schließlich will sie sobald wie möglich wieder Skifahren.

Auch Hans Hahn will sich fit machen für seine OP. Der 72-Jährige ist sportlich, kann sich aber zurzeit kaum belasten. Er leidet unter schwerer Arthrose in der rechten Hüfte.

"Es ist ein ewig ziehender Schmerz. Man lebt mit Medikamenten, früh eine und abends vorm ins Bett gehen auch, damit du überhaupt schlafen kannst."

Hans Hahn

Hans Hahn will aber belastbar bleiben. Seine Tochter Christine braucht ihn. Sie ist schwerstbehindert und auf seine Pflege angewiesen. Und die ist körperlich anstrengend. Der Ausweg: Ein künstliches Hüftgelenk. Ein solches Implantat soll sein verschlissenes Gelenk ersetzen und ermöglichen, dass die Hüfte wieder schmerzfrei funktioniert. Auch er soll sich mit einer Preha auf die OP vorbereiten, und zwar mit Hilfe einer App auf dem Tablet. Am Klinikum Lichtenfels wird die zurzeit getestet.

"Ich bin ein digitaler Saurier. Ich mag all diese Instrumente, die das Leben hektischer machen, nicht."

Hans Hahn

In diesem Fall will er aber eine Ausnahme machen und sich am Programm „PrehApp“ versuchen. Mit ihr soll er sich dehnen und kräftigen, aber auch entspannen lernen. Denn auch sein Orthopäde ist überzeugt, dass sich eine Vorbereitung positiv auf den Verlauf der Behandlung auswirken wird.

"Wir wollen jetzt versuchen, das, was bisher in analoger Form gelaufen ist, in digitaler Form anzubieten, weil wahrscheinlich die Möglichkeit in Deutschland nicht vorhanden sein wird, das flächendeckend zu bezahlen. Und die digitale Form bietet eine Möglichkeit, das kostengünstig anzubieten."

Maximilian Schenke, Orthopäde und Unfallchirurg, Klinikum Lichtenfels

Die Preha von Tini ist inzwischen in vollem Gange. Zwei- bis dreimal die Woche geht sie zum Physiotherapeuten Florian Lipold, der ihr Übungen zeigt, mit denen sie sich fit machen kann für ihre Kreuzband-OP. Dehnung und Streckung des verletzten Gelenks sollen verbessert werden, aber auch ihre Muskulatur soll sie kräftigen. Nach der OP wird sie eine Zeit lang Krücken brauchen. Deshalb trainiert sie nicht nur Bein- und Fußmuskulatur, sondern auch Arme und Schultern. 

"Wichtig dabei bleibt aber insbesondere bei den belastenden Übungen, dass Dein Knie nicht schmerzt und keine Reize zeigt, das heißt, keine Überwärmung, keine Schwellung, denn das ist die Grundvoraussetzung für die Operation."

Florian Lipold, Physiotherapeut und Sportwissenschaftler

Der Tag der Operation

Sechs Wochen später ist es soweit: Der Tag von Tinis Operation ist gekommen. Tini sieht dem Eingriff positiv entgegen.

"Man hat ja auf was hingearbeitet, auf ein Ziel, und jetzt ist es endlich soweit. Ich freue mich tatsächlich auch schon auf die Zeit danach, wenn ich hoffentlich schnell zu dem Ursprung zurückkomme, wo ich mal war."

 Tini Hommen

Preha ist gut gelaufen

Mit dem Ergebnis der Preha ist Dr. Wimmer zufrieden, denn das Knie ist gut beweglich und reizfrei. Für den Kreuzbandersatz holt er zunächst über einen kleinen Schnitt eine Sehne aus Tinis Oberschenkel. Aus ihr wird der Ersatz für Tinis Kreuzband entstehen. Dr. Wimmers Team präpariert und faltet sie so, dass sie als Transplantat funktionieren kann. Die Reste des verletzten Bands werden minimalinvasiv entfernt. Dann bohrt Dr. Wimmer dünne Kanäle in Tinis Ober- und Unterschenkel und befestigt dort das neue Kreuzband. Nach einer Dreiviertelstunde ist es geschafft.

"Wir haben eine schöne Sehne gewonnen, haben ein schönes, kräftiges Transplantat machen können. Ich bin zufrieden, ich hoffe, Frau Hommen dann langfristig auch."

Dr. med. Christian Wimmer, Orthopäde und Unfallchirurg, ZFOS München

Schmerzen vor der OP

Auch Die OP von Hans Hahn steht nun an. Die Preha hat ihn eigentlich überzeugt - doch zwei Wochen vor der Operation musste er kürzertreten. Seine Schmerzen waren zu stark geworden, trainieren konnte er nur noch wenig. Umso mehr hofft er jetzt, dass das neue Gelenk schmerzfrei funktionieren wird.

Hüft-OP: minimalinvasiv

Maximilian Schenke und Chefarzt Dr. Harrer operieren Hans Hahns Hüfte minimalinvasiv. Erst werden alte Gelenkteile entfernt. Mit einer Art Korkenzieher holt Prof. Harrer den arthritischen Gelenkkopf aus seiner Hüfte. Die neue Gelenkpfanne und der Schaft für den Gelenkkopf werden nur mit Muskelkraft und ohne Zement im Knochen verankert.

"Beim Schaft ist immer die entscheidende Frage: Wie groß macht man ihn und wie tief darf er rein? Wir orientieren uns an anatomischen Landmarken."

Dr. med. Jörg Harrer, Orthopäde und Unfallchirurg

Anhand eines Röntgenbilds wird die Stellung des neuen Gelenks überprüft – sie stimmt. Zuletzt kommt der Gelenkkopf aus Keramik auf den Schaft. Und nach einer Stunde wird wieder vernäht.

Reha: schnellere Heilung nach Preha

Für Tini beginnt die Reha. Ihre Physiotherapeutin arbeitet daran, die Schwellung zu verringern. Dass Tini schon vor der OP trainiert hat, merkt sie.

"Die Patienten, die eine Preha gemacht haben, sind besser auf die Reha vorbereitet, und die Heilung kann danach auf jeden Fall schneller vorangehen."

Magdalena Hanglberger, Physiotherapeutin

Drei Wochen lang wird Tini nun täglich an sich arbeiten. Auf dass sie in der nächsten Skisaison wieder auf die Piste kann.

Hans Hahn hat die Reha schon hinter sich. Stehen, Gehen und Sitzen hat er dort neu gelernt. Dank Preha ist es ihm leichtgefallen, und die Schmerzen ist er los.

"Es geht wieder vorwärts, ich bin auf dem Weg, wieder ganz ins Leben rein zu kommen. Ich war zwei Monate nicht mehr beim Stammtisch. Morgen gehe ich hin."

Hans Hahn

Kürzerer Klinikaufenthalt dank Preha

Sein Arzt ist mit der Heilung zufrieden. Bisher scheint der Preha-Testlauf zu funktionieren.

"Wir haben jetzt bei den zehn, fünfzehn Testpatienten, die wir begleitet haben mit der App, aus wirtschaftlicher Sicht fürs Krankenhaus sicher einen interessanten Aspekt gesehen: dass die Patienten eineinhalb bis zwei Tage früher aus dem Klinikaufenthalt wieder zu Hause waren."

Maximilian Schenke, Orthopäde und Unfallchirurg

Hans und Tini sind auf dem Weg zurück in ihren Alltag. Gesundheit! wünscht den beiden alles Gute.


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