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CAR-T-Zell-Therapie Neue Behandlungsmethode beim Systemischen Lupus

Gelenkschmerzen, Erschöpfung, Rötungen und Entzündungen im Gesicht, Haarausfall, Nierenprobleme: Die Symptome der Autoimmunerkrankung "Systemischer Lupus Erythematodes" sind diffus. Viele Betroffene warten lange, bis die richtige Diagnose gefunden ist. Lupus gehört zu den seltenen Krankheiten. Die meisten Patienten können dank moderner Therapie ein fast normales Leben führen, aber nicht immer gelingt es, die Krankheit in den Griff zu bekommen. Forschern in Erlangen ist es gelungen, auch diesen lebensbedrohlich Erkrankten eine Therapie anzubieten. Gesundheit! begleitet Betroffene.

Von: Julia Richter

Stand: 06.03.2023

Am Anfang denkt Elena Zeh an Muskelkater. Dass sie damals schwer krank ist, ahnt die 31-Jährige nicht. Doch irgendwann tut ihr fast jedes Gelenk im Körper weh.

"In den Knien ist es tatsächlich so gewesen, dass ich sehr starke Schmerzen hatte. Und das ist kontinuierlich schlimmer geworden. Ich konnte irgendwann eigentlich kaum noch aufstehen und auch bei den Treppen hab ich es sehr stark gemerkt, dass die Gelenke sehr stark schmerzen."

Elena Zeh, Patientin

Bei Claudia beginnt es mitten in der Schwangerschaft: Im Gesicht bilden sich typische rote Flecken – das sogenannte Schmetterlingserythem. Neben der Haut sind Gelenke, Leber und Niere betroffen. Zwischenzeitlich nimmt sie 35 Kilogramm zu, der ganze Körper ist mit Ödemen übersät.

"Ich konnte mich eigentlich um mich selbst kaum mehr kümmern, weil ich einfach die Kraft nicht hatte, also um mein Kind schon gar nicht. Wenn ich da meine Familie nicht gehabt hätte, dann wäre es richtig hart gewesen. Ich wollte eigentlich nur noch schlafen. Der ganze Körper war einfach fertig!"

Claudia Fritsch-Ertl, Patientin

Der Name Lupus kommt von Wolf – die typischen Narben im Gesicht erinnerten die Menschen damals an Wolfsbisse.

Woher kommt Lupus?

Lupus gehört zu den chronisch entzündlichen Autoimmunerkrankungen: Normalweise bildet das Immunsystem maßgeschneiderte Antikörper gegen gefährliche Eindringlinge und zerstört diese. Beim Lupus sind die B-Zellen des Immunsystems fehlgeleitet: Sie bilden Antikörper gegen die Erbsubstanz der eigenen Organe, das kann zu schweren Entzündungen führen.

Die Untersuchung richtet sich nach den Symptomen. Neben der Anamnese wird das Blut untersucht. Die bestimmten Antikörper können dort nachgewiesen werden. Auch Organe wie die Nieren, das Herz oder die Lunge müssen bei Verdacht gründlich untersucht werden. Die genauen Gründe der rheumatischen Erkrankung sind bis heute nicht ganz klar.

"Lupus ist eine schubweise verlaufende Erkrankung, die in den meisten Fällen bei Frauen auftritt, die in der Regel nach der Pubertät beginnt. Es gibt viele Auslöser dieser Schübe, die wir noch nicht so genau verstanden haben. Hormone spielen eine große Rolle, das UV-Licht, starker Sonnenbrand kann auch eine Rolle spielen. Und die Krankheit kann eben sehr unterschiedlich verlaufen."

Dr. med. Jochen Wacker, Funktionsoberarzt, Rheumatologie, Uniklinikum Erlangen

Ziel der Therapie ist es, das Immunsystem zu drosseln und die Symptome zu lindern.

"Der Verlauf kann sehr unterschiedlich sein: vom Befall der Haut mit typischen Symptomen, leichtem Befall von Gelenken, bis hin zum schweren Organbefall, der bleibende Schäden hinterlassen kann. Zu Beginn verursacht der Lupus oft nur unspezifische Beschwerden und deswegen wird er umso schwerer erkannt."

Dr. med. Jochen Wacker, Funktionsoberarzt, Rheumatologie, Uniklinikum Erlangen

Maßgeschneiderte Behandlung

Die meisten Patienten starten mit Kortison. Elena Zeh braucht zusätzlich ein Anti-Malariamittel und ein Immunsuppressivum. Die Schübe traten allerdings immer wieder auf, so dass sie am Ende ein Biologikum verschrieben bekommen hat. Auch hier gibt es je nach Symptom unterschiedliche Präparate. Heute spritzt sie nur einmal wöchentlich das Biologikum, sonst nimmt sie keine Medikamente.

"Seitdem ich das jetzt nehme, das sind jetzt tatsächlich zwei Jahre, ging es mir wirklich rapide besser. Im Endeffekt war es dann auch so, dass ich nach einem Jahr auch ein normales Leben wieder führen konnte."

Elena Zeh, Patientin

Ohne sehr hohen Sonnenschutzfaktor geht sie außerdem nicht mehr aus dem Haus.

CAR-T-Zellen gegen Lupus

Falls das nicht anschlägt, so wie bei Claudia damals, gibt es noch die Möglichkeit, ein Chemotherapeutikum auszuprobieren. Allerdings hat auch das bei der jungen Mutter nicht geholfen, ihre Nierenwerte waren katastrophal. Deswegen haben ihr die Ärzte in Erlangen um Prof. Dr. Georg Schett und Prof. Dr. Andreas Mackensen eine neue Immunbehandlung vorgeschlagen, die vor ihr erst bei sechs Patienten zum Einsatz kam: die sogenannte CAR-T-Zelltherapie. Die kennt man schon etwas länger aus der Krebsbehandlung, etwa bei Leukämie.

"Wir haben erstmalig weltweit diese Therapie bei schweren Autoimmunerkrankungen angewandt. Dies sind Patienten, bei denen die herkömmlichen Therapien versagen, wo wir eigentlich keine Möglichkeiten mehr haben, eine gute Therapie zu machen. Hier haben wir einen sogenannten individuellen Heilversuch: Diese Patienten wurden mit diesen CAR-T-Zellen-Therapien behandelt. Und wir haben einen durchschlagenden Erfolg erzielt. Es sind mittlerweile zwölf Patienten mit solchen Erkrankungen behandelt worden."

Prof. Dr. med. Georg Schett, Direktor Klinik für Rheumatologie und Immunologie, Uniklinikum Erlangen

In einem speziellen Reinlabor der Uniklinik werden die CAR-T-Zellen für jeden Patienten individuell hergestellt. Das können bisher deutschlandweit nur eine Handvoll Labore: Aus dem Blut werden Immunzellen über einen magnetischen Mechanismus gewonnen – sogenannte T-Zellen. Diese T-Zellen werden aufbereitet, das heißt gentechnisch verändert, und mit einem sogenannten chimären Antigenrezeptor (CAR) versehen. Die CAR-T-Zellen werden dann vermehrt und geprüft, bevor sie per Transfusion zurück in den Körper gelangen.

Dort können die CAR-T-Zellen die B-Zellen, die den Lupus auslösen, erkennen und zerstören. Die CAR-T-Zellen werden einmalig per Spritze verabreicht. Die Patienten werden zuvor und währenddessen isoliert, sie bekommen zu Beginn eine Art Chemotherapie, dann erst kann die Behandlung beginnen. Die Therapie ist also recht aufwendig, teuer und riskant.

"Grundsätzlich kennen wir bei der CAR-T-Zelltherapie verschiede Nebenwirkungen. Das eine ist das sogenannte zytokine Ausschüttungssyndrom. Das ist wie eine Entzündungsreaktion, ähnlich einem Virusinfekt, das heißt Fieber, Schüttelfrost – bis zum Blutdruckabfall. Manche Patienten müssen auch auf der Intensivstation behandelt werden."

Prof. Dr. med. Andreas Mackensen, Direktor Klinik für Hämatologie und Internistische Onkologie Uniklinikum Erlangen

Die Lupus-Patienten haben die Therapie sehr gut vertragen. Zu ihnen gehört auch Caner Gökcan: Er ist der zweite Lupus-Patient überhaupt, der die neue Behandlung bekommen hat. Der 23-Jährige galt damals als austherapiert, er hatte Nierenversagen. Die CAR-T-Zelltherapie war seine letzte Chance.

"Bei mir war das am Anfang so, dass ich Gewichtsverlust hatte und Depressionen. Dann hat es angefangen mit den Flecken und angeschwollenen Lymphknoten. Und ich hab Wunden im Mund gehabt, ich konnte auch nichts mehr essen. Dann habe ich Flecken am Bein bekommen. Also, damit meine ich, dass da sich Blasen gebildet haben."

Caner Gökcan, Patient

Heute sieht man nur noch Narben am Bein. Der junge Mann ist komplett gesund, muss keine Medikamente mehr nehmen. Alle sechs Monate muss er zur Kontrolle.

Der Clou: Die B-Zellen kamen bei den Lupus-Patienten zwar zurück – waren aber gesund. Prof. Dr. Mackensen sagt, dass habe den Ärzten damals große Sorge bereitet: Wenn die betroffenen Krebs-Zellen zurückkamen, kam in der Regel auch die Erkrankung zurück. Bei den Lupus-Patienten war das nicht so. Sie sind bisher alle ohne Symptome. Von Heilung möchte in Erlangen noch niemand sprechen, aber die Hoffnung ist groß.

"Wir sehen derzeit keine Anzeichen, dass die Erkrankung wiederkommt, was wirklich nach zwei Jahren schon sehr eindrucksvoll ist. Wir glauben, der Grund dafür ist, dass beim Immunsystem praktisch eine Art Resetknopf gedrückt wird. Den kennen Sie von jedem Computer, von jedem Elektrogerät, dass man einen Resetknopf drückt und dann ist das System rebootet, also neu aufgestellt."

Prof. Dr. med. Georg Schett, Direktor Klinik für Rheumatologie und Immunologie, Uniklinikum Erlangen

Eine offizielle Zulassung gibt es noch nicht. Eine größere Studie soll jetzt anlaufen. Immer noch sind für die Forscher in Erlangen einige Fragen offen: Bisher haben vor allem junge Patienten die Therapie bekommen, es bleibt abzuwarten, wie Ältere auf die Immunbehandlung reagieren.

Claudia Fritsch-Ertl sagt, die Behandlung sei für sie körperlich sehr anstrengend gewesen, heute aber geht es ihr gut. Sie nimmt keine Medikamente mehr, alle Symptome sind verschwunden: "Ich kann wieder rausgehen, also in die Sonne, ich schätze die kleinen Dinge wieder im Leben und ich würde sagen, ich kann das Leben als junge Mama endlich wieder genießen.“


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