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Kraftt, Schnellkraft Warum Krafttraining in jedem Alter sinnvoll ist

Krafttraining: Da denken viele an Sixpacks, Muckibude und Pumpen. Aber ist Muskelaufbau nur was für Bodybuilder? Nein, Krafttraining ist für alle geeignet, von Kindern bis zu hochbetagten Senioren. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt es ausdrücklich. Gesundheit! zeigt, warum wirklich jeder Krafttraining machen sollte.

Von: Bernd Thomas

Stand: 12.07.2022

"Krafttraining ist für alle gut, vom Kind bis zum Hundertjährigen. Und deswegen empfiehlt die WHO auch eine Kombination von Kraft- und Ausdauertraining."

Prof. Dr. Henning Wackerhage, Sportbiologe, TU München

Seit Jahren forscht Sportbiologe Henning Wackerhage zum Thema Muskeln, Muskelaufbau und wie diese altern.  

"Das ist dann so um die Mitte dreißig zunächst einmal recht langsam und ab sechzig gehen dann die Muskelmasse, die Kraft und insbesondere die Schnellkraft stark nach unten."

Prof. Dr. Henning Wackerhage, Sportbiologe, TU München

Krafttraining schon bei Kindern?

Früh anzufangen lohnt sich. Krafttraining ist schon im Kindesalter sinnvoll. Prof. Urs Granacher von der Uni Potsdam erforscht die Wirkung von Kraftsport bei Kindern und Jugendlichen.

"Wir wissen, dass Kraft eine ganz wichtige Voraussetzung für alltagsmotorische Aktivitäten ist, aber auch die Grundlage für spätere sportmotorische Aktivitäten darstellt. Ein Fundament letztlich."

Prof. Dr. Urs Granacher, Trainings- und Bewegungsforscher, Universität Potsdam

Vergleicht man die Sprungkraft von Kindern beim Standweitsprung heute mit der vor 30 Jahren, so Urs Granacher, stellt man fest, dass die um circa zehn bis zwölf Prozent nachgelassen hat. Frei spielen, springen, toben, klettern, sich auf den Boden werfen, wieder aufstehen: Das ist spielerisches Krafttraining, das Kinder einfach nebenbei erledigen, allerdings heute oft zu wenig. Es lohnt sich, Kinder zum spielerischen Training zu motivieren. Denn das Training hat noch weitere positive Effekte: Die Kinder sind danach zufriedener und selbstbewusster.

"Es zeigt sich in verschiedenen Studien, dass auch das Wohlbefinden positiv beeinflusst wird durch Krafttraining. Die Selbstwirksamkeit kann sich dadurch sehr stark verbessern, weil Kinder dabei sehr schnell Erfolge feiern können im Krafttraining. Gerade auch übergewichtige und adipöse Kinder sind besonders prädestiniert, um ein Krafttraining durchzuführen, im Sinne der Gewichtsregulation, aber auch im Sinne tatsächlich der Erfolgserlebnisse, die sie sammeln können."

Prof. Dr. Urs Granacher, Trainings- und Bewegungsforscher, Universität Potsdam

Und es gibt Hinweise darauf, dass Kinder auch kognitiv durch das Training profitieren. Das untersuchte die Sportwissenschaftlerin Kristin Wick von der Universität Potsdam in einer Studie mit Vorschulkindern. Spielerisch machten die Kinder knapp drei Monate mehrmals pro Woche Krafttraining. Danach absolvierten sie außerdem einen Test zu Konzentration und Kognition.

"Das Ergebnis ist, dass die Kinder sich vor allen Dingen in der Sprungleistung, also dem Standweitsprung, enorm verbessert haben (…) Und die Kinder, die beim Bewegungsprogramm teilgenommen hatten, konnten wesentlich schneller die anschließende Konzentrationsaufgabe lösen. Man kann von signifikanten Effekten sprechen."

Kristin Wick, Sportwissenschaftlerin, Universität Potsdam

Die Kitas, die an der Studie beteiligt waren, haben die Übungen inzwischen auch in ihr wöchentliches Sportprogramm übernommen.

Krafttraining im Erwachsenenalter

Auch für Erwachsene ist Muskeltraining und -aufbau wichtig. Die Trainerin und Sportwissenschaftlerin Marie Heiber trainiert gezielt die Schnellkraft. Denn die lässt als erstes und am stärksten nach. Sie will vor allem Vorurteile abbauen. Denn gerade für Frauen hat Krafttraining viele Vorteile 

"Viele Frauen fürchten, dass sie dann zu muskulös werden. Aber das ist unbegründet. Es gehen immer mehr Frauen in die Fitnessstudios und machen auch an den Geräten Training und das ist wichtig, gerade präventiv gegen Osteoporose später im Alter und vor allem, um fit und gesund zu bleiben. Viele bekommen dadurch auch ein anderes Körpergefühl und mehr Selbstbewusstsein. Das hilft im Alltag. Es ist gut, mehr Kraft zu haben."

Marie Heiber, Sportwissenschaftlerin, TU München

Schnelle und langsame Muskelfasern

Man muss bei den Muskeln unterscheiden: Es gibt Muskelfasern, die sorgen für Ausdauer, die vom Typ 1. Und es gibt andere Muskelfasern, die uns schnell machen: die Typ 2-Fasern. Sie lassen sich nochmals in mittelschnelle, die 2A-Fasern, und ganz schnelle, die 2X-Fasern unterteilen. Wie viele Muskelfasern welchen Typs wir haben, hängt ungefähr zur Hälfte von der Genetik ab.

Die Schnellkraft zu trainieren und zu erhalten lohnt sich. Wachsen Muskeln, ist das außerdem gut für den Stoffwechsel.

"Muskeln machen ja ungefähr 30 bis 40 Prozent der Körpermasse aus. Wenn also dieses Organ jetzt wächst, ist es so: Für jedes Gramm Muskel, das produziert wird, muss der Muskel ja ein Gramm an kleinen Molekülen aufnehmen. Das sind Aminosäuren, das ist aber auch Zucker. Und dieser Zucker geht dann aus dem Blut in den Muskel. Und was wir vermuten in unserer Forschung ist, dass der Zucker, der in den Muskel geht, der kann halt nicht mehr in das Fettgewebe gehen."

Prof. Dr. Henning Wackerhage, Sportbiologe, TU München

Starke Muskeln verbrennen nicht nur beim Sport, sondern auch in Ruhe viele Kilokalorien. Wer trainiert, erhält also nicht nur seine Kraft, sondern auch die Figur. Doch ist das auch für Jugendliche gesund, die im Wachstum sind?

Krafttraining für Jugendliche?

Übungen, wie das Stärken der Rumpfmuskulatur mit einem Gymnastikball, sind für die meisten nachvollziehbar. Doch noch heute denken viele, das Training an Geräten im Fitnessstudio könnte Jugendlichen schaden. Aber das ist falsch!  

"Wir wissen, dass das Vorbehalte und Mythen sind. Wir haben heute wissenschaftliche Evidenz: Es gibt keine Einschränkung des Längenwachstums. Es finden keine Verletzungen statt durch Krafttraining, die über die Maßen hoch sind im Vergleich zu Spielsportarten. Voraussetzung ist, dass die Übungen sauber durchgeführt und auch beaufsichtigt werden. Das geht auch, indem ein Jugendlicher den anderen anleitet, wenn er in die Übungen eingeführt ist. Dann ist Krafttraining auch Geräten kein Problem, im Gegenteil, Jugendliche profitieren davon."

Prof. Dr. Urs Granacher, Trainings- und Bewegungsforscher, Universität Potsdam

Der Muscle-Memory-Effect: Wenn sich Muskeln Training merken

Wer jung viel übt, kann durch den so genannten Muscle Memory Effect, auch nach längerer Pause später viel schneller und effektiver Muskeln wieder aufbauen. Wie kann das funktionieren?

"Eine Studie hat gezeigt, dass auf bestimmte Abschnitte der DNA kleine chemische Gruppen, Methylgruppen, man könnte fast sagen festgetackert werden, sie werden methyliert. Das ist eine Möglichkeit, wie sich der Muskel das frühere Training merkt und das nennt sich Epigenetik.
Der zweite Mechanismus ist, dass der Muskel Zellkerne ausbildet. Beim Krafttraining erhöht sich ihre Zahl. Und wenn man die dann hochtrainiert hat, geht ihre Zahl nur ganz langsam wieder runter, wenn man mit dem Training aufhört. Beim späteren Training dann, wenn der Muskel wieder normal groß ist und man wieder zu trainieren beginnt, gibt es diese zusätzlichen Zellkerne noch. Und das kann erklären, warum man sich dann schneller anpassen und der Muskel schneller wachsen kann."

Prof. Dr. Henning Wackerhage, Sportbiologe, TU München

Außerdem scheint sich durch regelmäßige Krafttraining auch die Lebenserwartung zu erhöhen.      

"Man kann die Kraft erhöhen durch Krafttraining. Und wenn man das tut, dann ist das assoziiert mit einer verringerten Sterblichkeit. Wie das genau funktioniert, wissen wir nicht. Und das ist natürlich ein Ziel der Forschung."

Prof. Dr. Henning Wackerhage, Sportbiologe, TU München

Krafttraining für Best Ager, Seniorinnen und Senioren?

Bleibt die Frage: Lohnt sich Krafttraining auch in fortgeschrittenem Alter, für hochbetagte Best Ager? Ja, sagt Martin Halle, der das Zentrum für Prävention und Sportmedizin an der TU München leitet. Dort läuft aktuell in Zusammenarbeit mit der Beisheim Stiftung die Studie „bestform“. Schon die Pilotstudie hatte bestätigt, dass auch bei hochbetagten Senioren Krafttraining positive Effekte hat. Die 85-jährige Helene Fuß macht mit. Ihr geht es wie vielen. Es fehlt ihr vor allem an Schnellkraft, um aufstehen zu können. Gemeinsam mit Maria Anna Hellinger, ebenfalls 85 Jahre jung, stemmt sie regelmäßig Gewichte.

"In Alteneinrichtungen gibt es Gesprächsrunden, Literaturcafes und ähnliches. Aber Fitnessstudios dorthin zu bringen, das ist ein Dogmenwechsel. Und der hat neben dem gesundheitlichen auch einen wichtigen sozialen Aspekt. Die Teilnehmer sind mit Begeisterung dabei, glücklich, sich einmal in einem anderen Setting, dem Fitnessraum, treffen zu können.
Die größten Erfolge versprechen wir uns im Bereich der Koordination und der Mobilität. Wenn jemand aus dem Stuhl wieder aufstehen und dann vielleicht auch nur zwanzig Schritte gehen kann. Das ist für alle, die sonst auf einen Rollstuhl angewiesen sind oder nur im Sessel sitzen können, sehr wertvoll, denn es erweitert ihre Mobilität und bedeutet neue Lebensqualität. Und dafür braucht es Muskulatur.
Es ist wichtig, dass diese Altersgruppe mehr ins Zentrum der Wissenschaft gerückt wird. Wir müssen uns um diese Themen dringend kümmern, wir können nicht warten bis jeder von Pflegebedürftigkeit betroffen ist, sondern müssen vorher sinnvolle Konzepte anbieten."

Prof. Dr. Martin Halle, Zentrum für Prävention und Sportmedizin, TU München

Noch läuft die Studie, erste Hinweise zeigen deutlich positive Trends. Studienleiterin Nina Schaller ist zuversichtlich, die ersten Ergebnisse in Kürze publizieren zu können.   

"Unser Ziel ist jetzt, gute Ergebnisse zu erreichen und dann das Programm in die Fläche zu bringen."

Nina Schaller, Studienleiterin Studie bestform, TU München und Beisheim-Stiftung

Dass die Chancen dafür gut stehen, davon ist auch Sportbiologe Henning Wackerhage überzeugt.

"Das Gute am Krafttraining ist: Die Muskelfasern, die sich beim Training am meisten vergrößern, sind die für die Schnellkraft. Und genau die brauchen Senioren, um zum Beispiel aufstehen zu können oder Stürze zu verhindern. Und Muskeln können in jedem Alter trainiert werden und die Muskelmasse kann dann auch zulegen, auch noch bei 90-jährigen."

Prof. Dr. Henning Wackerhage, Sportbiologe, TU München

Für die laufende Studie können sich interessierte Einrichtungen übrigens noch melden. Für Maria Anna Hellinger wirkt sich das Training heute schon positiv aus.

"Ich bin ich sicherer geworden im Gleichgewicht. Vorher hatte ich immer Angst zu stürzen. Mein Rat an andere: Man muss anpackten. Man muss möglichst täglich üben. Und dann merkt man ganz einfach, dass die Kraft jeden Tag ein bisschen mehr wird."

Maria Anna Hellinger

Sie  geht heute wieder mehr nach draußen, ein enormer Zuwachs an Lebensqualität. Auch Helene Fuß hat wieder mehr Kraft. Fazit: Krafttraining ist sinnvoll und wichtig in jedem Alter!


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