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Knie, Sprunggelenk, etc. Knorpelschaden – welche Behandlungsmethoden gibt es?

Die meisten merken es bei Belastung: Ob beim Sport oder Treppensteigen – wenn das Knie schmerzt oder geschwollen ist, kann ein Knorpelschaden dahinter stecken. Früher dachte man, ist der Knorpel erst weg, kann man nichts mehr tun. Doch mittlerweile gibt es eine Reihe von Methoden, um Knorpeldefekte zu reparieren. Nicht jeder Patient eignet sich allerdings – Gesundheit! zeigt, wer infrage kommt und welche Therapieformen es gibt.

Author: Julia Richter

Published at: 27-2-2023

Stefan Seitz hat immer schon Sport getrieben: Ob laufen, wandern oder kicken – der 37-Jährige ist immer in Bewegung. Bis das Knie plötzlich streikt vor ein paar Jahren. Schuld war eine Achsfehlstellung – in seinem Fall, O-Beine.

"Nach dem Sport und nach stärkeren körperlichen Belastungen hatte ich auf der Innenseite vom Knie einen stechenden Schmerz. Das Knie war auch dick, also geschwollen. Ich hatte beim Treppensteigen vor allem Beschwerden, egal ob rauf oder runter."

Stefan Seitz

Das Kniegelenk ist eines der größten und wichtigsten Gelenke im Körper. Es ist also eine große Belastung für die Patientinnen und Patienten, wenn es schmerzt. Zur Abklärung sollte auch ein MRT gemacht werden. Allerdings verursacht nicht jeder Knorpelschaden Probleme und nicht jeder muss behandelt werden:

"Wenn man einen Patienten mit einem Knorpelschaden hat, gibt es im Grundsatz zwei Gründe ihn zu operieren: Das eine ist, er hat Symptome und letztendlich Einschränkungen der Lebensqualität. Dann geht es für uns darum, zu prüfen, passt das auch wirklich zum Knorpelschaden, dann können wir erfolgreich sein. Und der zweite Grund: Wir wissen, dass Knorpelschäden voranschreiten und zu einer Arthrose führen können. Und da möchten wir in frühen Stadien, wo wir noch intervenieren können, entsprechend agieren, um das Voranschreiten zu vermeiden."

Prof. Dr. med. Philipp Niemeyer, FA für Orthopädie u. Unfallchirurgie, Orthopädische Chirurgie, München

Bei Stefan Seitz Schuld musste zunächst die Ursache, die Achs-Fehlstellung der Beine, korrigiert werden – das ist eine der häufigsten Gründe für Knorpelschäden. Zwei aufwendige Begradigungs-OPs liegen hinter ihm, bevor der Knorpel selbst repariert wurde. Hier gilt generell:

"Was wir heute mit knorpelregenerativen Therapien gut behandeln können, sind Löcher an einer Stelle. Ich vergleiche das immer: Guter Rasen – an einer Stelle geschädigt– und man kann das mit einem Rollrasen letztendlich ausgleichen. Was wir nicht gut behandeln können, sind fortgeschrittene Arthrosen – also eher diffuse Ausdürrungen eines Rasens am Ende des Tages, da müssen wir viele Patienten auch enttäuschen."

Prof. Dr. med. Philipp Niemeyer, FA für Orthopädie u. Unfallchirurgie, Orthopädische Chirurgie, München

Die verschiedenen knorpelregenerativen Methoden

1) Knorpelzelltransplantation

Bei Stefan Seitz stimmen alle Voraussetzungen – für seinen Defekt kommt die Knorpelzelltransplantation zum Einsatz. Sie gilt als bewährte Methode für größere und anspruchsvollere Schäden. In der ersten Operation werden an einer gesunden Stelle im Knorpel Zellen entnommen. Dies geschieht in der Regel arthroskopisch. Die Knorpelstücke werden in ein Spezial-Labor gebracht und dort unter kontrollierten Bedingungen aufbereitet und vermehrt. Nach ca. acht Wochen ist es so weit: Die angezüchteten Knorpelzellen können wieder eingesetzt werden. Die OP erfolgt je nach Fall und Lage des Defektes entweder offen oder arthroskopisch.

Zuerst wird das kaputte Knorpel-Gewebe entfernt. Es entsteht eine Art Loch. Dann wird passgenau ein Muster erstellt und quasi an die Zell-Membran angepasst – auf der befinden sich die neuen Knorpelzellen. Das hochaktive Biomaterial kommt nun in den Knorpeldefekt und wird dort vernäht. Anschließend bekommt der Patient eine Streck-Schiene und muss das Bein für bis zu 48 Stunden komplett ruhighalten.

"Einer der Hauptvorteile der Knorpelzelltransplantation ist, dass es ein individuelles, qualitätskontrolliertes Arzneimittel ist. Wir haben auf der einen Seite eine hervorragende wissenschaftliche Datenlage, die für die Zulassung notwendig ist. Und andererseits ist jedes Knorpelzellprodukt individuell qualitätskontrolliert."

Prof. Dr. med. Philipp Niemeyer, FA für Orthopädie u. Unfallchirurgie, Orthopädische Chirurgie, München

Wirksamkeit und Sicherheit des Verfahrens sind also gut belegt. Der Nachteil: zwei Eingriffe – das heißt für den Patienten auch zwei Mal Narkose.

2) Minced Cartilage

Bei Sebastian Straub war eine Sportverletzung der Grund für den Knorpelschaden – also ein Trauma. Im Alltag spürt er ständig sein Knie – vor allem beim Treppensteigen.

"Die ersten Beschwerden waren beim Sport aufgetreten, speziell beim Handballspielen. Das war ein stechender Schmerz im Knie in der rechten Kniescheibe und das rechte Knie hat sich einfach unrund angefühlt."

Sebastian Straub

Ohne Behandlung dürfte sich bei dem 26-Jährigen ziemlich sicher eine Arthrose entwickeln, das zeigt die Untersuchung. Er entscheidet sich für die sogenannte Minced Cartilage Therapie: ein relativ neues, modernes Verfahren, bei dem Knorpelchips direkt implantiert werden.

"Vorteil ist sicherlich beim Minced Cartilage, dass es einzeitiger Eingriff ist. Das heißt, man kann in einem Eingriff ein Transplantat herstellen und das auch direkt in den Knorpelschaden einbringen, was für den Patienten natürlich bedeutet: nur einmal Narkose und nur einmal die Operation. Zudem ist Minced Cartilage ein komplett körpereigenes Verfahren, das bedeutet, man braucht auch kein zusätzliches Biomaterial, keine körperfremden Materialien, so dass man eigentlich sehr gute Voraussetzungen hat, dass das Transplantat auch anheilt."

Priv.-Doz. Dr. med. Fabian Blanke, Kniezentrum Schön Klinik München-Harlaching

Der Nachteil: Langzeitdaten gibt es bisher nicht.

Zuerst wird auch hier – arthroskopisch – gesunder Knorpel gewonnen und bereits während der Operation stark zerkleinert (auf Englisch minced). Parallel wird dem Patienten Blut entnommen: Daraus werden Wachstumsfaktoren und Thrombin gewonnen. Die fertigen Knorpel-Chips werden mit dem Plasma vermischt und dann in den gesäuberten Knorpeldefekt gefüllt. Nach ca. zwei Minuten ist das Gemisch formstabil. Aus diesem Gemisch sollen in den kommenden Monaten Knorpelzellen auswandern und so den Knorpel stabilisieren. Rund eine Stunde dauert die ganze OP. Am Ende kommt die Streckschiene.

Generell gilt für alle Knorpeltherapien: Bis der Knorpel voll belastbar ist, dauert es bis zu einem Jahr. Gelohnt hat sich der Eingriff für Stefan Seitz trotzdem.

"Man muss viel Geduld mitbringen. Das ist nichts, was von heute auf morgen vorbei ist. Auch nicht vielleicht nach zwei Monaten, es dauert schon eher Monate wenn nicht sogar Jahre für beide Beine, bis man wieder auf einem sehr guten Level ist. Ich kann heute wieder alles machen, der Alltag ist eigentlich komplett beschwerdefrei."

Stefan Seitz

Die Mitarbeit des Patienten ist gefordert: Neben der eingeschränkten Belastbarkeit muss der Patient sich auf längere Physiotherapie einlassen und regelmäßig seine Übungen machen.

"Grundsätzlich müssen die Patienten bei fast jeder Art der Knorpeltransplantation ca. sechs Wochen entlasten, d.h. sie brauchen sechs Wochen Krücken. Danach können sie dann langsam wieder belasten und sind so ca. nach acht Wochen wieder im Alltag. Bis das Transplantat komplett ausgereift und belastungsfähig ist, vergehen zum Teil aber neun bis 18 Monate, so dass man erst nach dieser Zeit von einer kompletten Sportfähigkeit reden kann."

Priv.-Doz. Dr. med. Fabian Blanke, Kniezentrum Schön Klinik München-Harlaching

3) Knochenstimulation / Mikrofrakturierung

Eine ältere und bewährte Methode ist die Knochenstimulation: Bei der sogenannten Mikrofrakturierung wird der Knochen angebohrt. Dies eignet sich vor allem für kleinere Defektgrößen und ist eine deutlich einfachere Operation:

"Dann kann Knochenblut aus diesen Löchern entweichen und bildet im Grunde einen Blutkuchen in dem Defekt und daraus bildet sich dann ein Ersatzgewebe, was im Grunde diesen Defekt überdeckt und dann auch eine Belastung möglich macht. Problem bei diesen Verfahren ist dann eigentlich das Ersatzgewebe, weil das im Vergleich zum Knorpelgewebe deutlich minderwertiger ist und damit natürlich auch in der Belastbarkeit eingeschränkt ist."

Priv.-Doz. Dr. med. Fabian Blanke, Kniezentrum Schön Klinik München-Harlaching

Fazit: Die beste Therapie gibt es nicht. Sie muss zu Defekt und zum Patient passen.


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