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Vorsorgeuntersuchungen Brauchen wir den Herzcheck ab 50?

Vorsorgeuntersuchungen machen einen bedeutenden Teil der medizinischen Versorgung in Deutschland aus. Aber ausgerechnet, wenn es um Herz-Kreislauferkrankungen geht, gibt es keine umfassende Vorsorge. Deutschlands Kardiologen fordern den Herzcheck ab 50! Aber in der Wissenschaft gibt es auch Zweifel. Gesundheit hakt nach: Wie groß ist der Nutzen wirklich?

Von: Florian Heinhold

Stand: 02.05.2022

Deutschlands Kardiologen beklagen, dass es im Bereich der Herz-Kreislauferkrankungen zu wenig Vorsorgemöglichkeiten für Patienten gibt. Tatsächlich ist es erstaunlich: Alle möglichen Vorsorgeuntersuchungen werden von den Kassen gezahlt und von vielen Patienten dankbar angenommen. Hautkrebsvorsorge zahlt die Kasse ab dem Alter von 35, Darmkrebs alle fünf Jahre ab 50 und Mammographien gegen Brustkrebs für Frauen zwischen 50 und 69. Der Blutdruck wird zwar beim Allgemeinen Gesundheitscheck ab 35 angeschaut, aber einen umfassenden Herzcheck gibt es nicht. Und das obwohl Herz-Kreislauferkrankungen die häufigste Todesursache in Deutschland sind, erklärt Prof. Lars Maier vom Uniklinikum Regensburg.

"Ich finde das erstaunlich und erschreckend. Die Hälfte der Patienten in Deutschland versterben immer noch an Herzkreislauf-Erkrankungen. Und 25% versterben vor ihrem 65. Lebensjahr. Deshalb ist es ganz wichtig, diese Herzerkrankungen früh zu entdecken. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie versucht nun politisch diese Vorsorgeuntersuchungen durchzusetzen und dafür zu werben."

- Prof. Dr. med. Lars Maier Kardiologe, Universitätsklinikum Regensburg

Der Herzcheck sollte die Bestimmung verschiedener Blutwerte, das Messen des Blutdrucks, ein Belastungs- und Ruhe-EKG sowie eine Ultraschalluntersuchung der Herzgefäße und der Halsarterien umfassen. Bisher können Kardiologen solche Untersuchungen nur bei Vorliegen von Symptomen mit der Kasse abrechnen. Prof. Lars Maier ist überzeugt, dass der Herz-Check nicht nur im Nachhinein, wenn ein Patient schon Probleme hatte, sondern als Vorsorge für alle ab 50 angeboten werden sollte.

"Im Prinzip ist ja bei manchen Patienten das Erstereignis der plötzliche Herztod. Und das ist das, was man verhindern sollte, durch diese Vorsorgeuntersuchungen. Der plötzliche Herztod ist das Extrembeispiel, aber auch der Herzinfarkt ist verhinderbar."

 - Prof. Dr. med. Lars Maier, Kardiologe, Universitätsklinikum Regensburg

Und eigentlich sollten die politischen Rahmenbedingungen dem Vorhaben in die Hände spielen – der Gesundheitsminister wirbt seit Jahren für Prävention. Und im Koalitionsvertrag der Regierung werden ein „Nationaler Präventionsplan“ und neue Maßnahmenpakete in der Krankheitsvorsorge angekündigt.

Kritik von Wissenschaftlern und Verbraucherschützern

Aber es gibt auch kritische Stimmen. Der IGEL-Monitor bewertet die Wirksamkeit von EKGs als Vorsorgeuntersuchungen mit der zweitschlechtesten Note: „tendenziell negativ“. Und auch das unabhängige Forschungsnetzwerk Cochrane hat sich in mehreren Metaanalysen mit dem Thema befasst.

"So ein Cochrane-Review soll den Stand der Wissenschaft darstellen, indem man ganz systematisch nach allen Studien sucht, die man finden kann. Und das Ergebnis ist ziemlich eindeutig: Sie finden keinen Effekt bei kardiovaskulären Erkrankungen. Kein Effekt auf das, was wir die harten Endpunkte nennen, also so etwas wie Sterblichkeit, Herzinfarktrate oder Schlaganfälle."

- Georg Rüschemeyer, Cochrane Deutschland Stiftung, Freiburg

Haltung der Kassen unklar

Prof. Maier ist überzeugt, dass ein richtig gemachter Checkup sehr wohl einen hohen Nutzen hat. Da es einen allgemeinen und umfassenden Herzcheck bisher noch nicht gibt, fließen in die bisherigen Studien oft nur einzelne, isolierte kardiologische Untersuchungen ein. Aber gerade die Kombination aus EKG, Ultraschalluntersuchung, Blutwerte und Blutdruckmessung sei entscheidend für den Nutzen der Vorsorgemaßnahme.

"Ich denke, dass eine einzelne Untersuchung natürlich eine beschränkte Aussagekraft hat. Aber die Kombination erhöht sehr stark die Aussagekraft. Insofern sollte der Checkup aus mehreren Untersuchungen bestehen."

- Prof. Dr. med. Lars Maier, Kardiologe, Universitätsklinikum Regensburg

Modell eines menschlichen Herzens.

Ob der Herzcheck zur Kassenleistung wird, müsste in Berlin im gemeinsamen Bundesausschuss entschieden werden, in dem auch die Kassen vertreten sind. Weder der Spitzenverband der Krankenkassen, noch die bayerische AOK wollen aber auf Nachfrage mit Gesundheit über das Thema sprechen. Prof. Maier hofft, dass schnell Bewegung in die Frage kommt. 

"Ich sage immer, dass man einen TÜV-Stempel bekommt für die nächsten Monate oder Jahre und dass man dann wieder ruhigen Mutes in den Alltag zurück kann."

- Prof. Dr. med. Lars Maier, Kardiologe, Universitätsklinikum Regensburg


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