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Gefährliche Viruserkrankung Grippeimpfung bald schon in der Apotheke?

Oft wird die Grippe unterschätzt. Bei ihr handelt es sich um eine gefährliche Erkrankung. Eine Impfung kann das Risiko einer Infektion deutlich senken. Die Politik will nun mit ganz neuen Wegen die Impfquoten in der Bevölkerung erhöhen. Können wir uns schon bald in der Apotheke impfen lassen?

Von: Florian Heinhold

Stand: 26.11.2019

Thema Grippeimpfung | Bild: picture-alliance/dpa

Grundsätzlich ist Schutz vor Grippeviren für jeden relevant. Doch es gibt bestimmte Risikogruppen, für die er lebenswichtig sein kann. Dazu gehören Neugeborene, die noch keinen ausreichenden Immunschutz haben, ältere Menschen, aber auch Patienten, deren Immunsystem in Folge einer Erkrankung geschwächt ist. Am Klinikum rechts der Isar in München liegt eine junge Patientin, die sich auf keinen Fall eine Grippe holen sollte. Sie hatte dieses Jahr eine Knochenmarktransplantation.

"Für mich und auch für Krebspatienten ist es einfach wichtig, dass sie sich nicht anstecken und wegen sowas dann wieder ins Krankenhaus gehen müssen. Ich weiß genau, wie es ist, ins Krankenhaus zu müssen. Und es ist einfach nicht schön."

Eine Frau nach einer Knochenmarktransplantation

Risikogruppen sind besonders gefährdet

Die Patientin litt an einer aplastischen Anämie, einer seltenen Blutkrankheit. Wie bei Leukämie-Patienten musste ihr Immunsystem komplett auf Null gefahren werden. Nach der Transplantation baut sich nun langsam ein neues Immunsystem auf. In der Zwischenzeit bereitet jede Infektion Sorge, erklärt ihr behandelnder Arzt Dr. Erik Thiele Orberg.

"Knochenmarktransplantations-Patienten sind Patienten, bei denen wir besonders aufmerksam sind. Bei einer Transplantation wird eine sehr starke Chemotherapie gemacht, die das eigene Immunsystem komplett zerstört."

Dr. med. Erik Thiele Orberg, Klinik für Hämatologie und Onkologie, Rechts der Isar, München

Für die junge Patientin bedeutet das: Solange ihr Immunsystem noch nicht wieder vollständig hergestellt ist, muss sie im Alltag besonders aufpassen. Wenn Freunde kommen, fragt sie diese immer, ob sie krank sind oder Schnupfen haben. Dann dürfen sie gar nicht erst kommen. Nach draußen geht die junge Frau selten, weil sie immer Angst hat, sich anzustecken.

Niedrige Impfquoten in Deutschland

Aber trotz aller Warnungen vor gefährlichen Virusinfektionen wie der Grippe gibt es weiterhin ein großes Problem: In Deutschland ist die Zahl der Grippe-Impfungen erschreckend niedrig - sogar unter medizinischem Fachpersonal. Aktuelle Zahlen des Robert-Koch-Instituts zeigen: Mehr als die Hälfte der Pflegekräfte und rund ein Viertel der Ärzteschaft lassen sich nicht gegen Grippe impfen. Für den Tropenmediziner und Impfexperten Dr. Markus Frühwein ist das nicht nachvollziehbar. Jeder Arzt müsse wissen, dass er ungeimpft im Zweifel seine Patienten gefährde.

"Was dabei immer total unterschätzt wird, ist die Gefahr der Influenza. Sie wird von den meisten als eine ein bisschen schwerere Erkältung wahrgenommen. Das ist etwas völlig anderes. Sie ist eine Erkrankung, die den ganzen Körper betrifft. Sie ist lebensbedrohlich – vor allem für kranke Menschen. Wenn ich so einen Beruf ergreife, dann habe ich auch eine Verantwortung gegenüber meinen Patienten. Es ist für mich ein Qualitätskriterium: Wie sehr kümmert sich jemand um seine Patienten."

Dr. med. Markus Frühwein, Tropenmediziner und Impfexperte

Die Ärzte und Pfleger der Hämatologie und Onkologie am Klinikum rechts der Isar müssen in Sachen Grippe besonders aufpassen – schließlich haben sie ständig Kontakt mit besonders gefährdeten Patienten.

"Es ist absolut wichtig, dass sich das medizinische Personal impft – und zwar alle Jahre wieder."

Dr. med. Erik Thiele Orberg

Darum läuft am Klinikum rechts der Isar seit einigen Wochen eine große Impfaktion für die Mitarbeiter. Betriebsärztin Dr. Linn Heiss baut regelmäßig die blaue Impfkabine an unterschiedlichen Orten im Klinikum auf. Und tatsächlich machen auf diese Weise spürbar mehr Mitarbeiter mit und lassen sich gegen Grippeviren immunisieren.

"Man versucht natürlich durch die Impfaktionen auch diejenigen zu erreichen, die sich noch nicht so viele Gedanken gemacht haben und vielleicht sagen: Ich bin sehr gesund, ich brauche das nicht."

Dr. med. Linn Heiss, Arbeitsmedizinerin, Klinikum rechts der Isar, München

Versuch in Apotheken zu Steigerung der Impfraten

Ist der einfache Zugang, ohne vorherige Terminvereinbarung vielleicht der Schlüssel, um die Impfraten zu steigern? Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will diesen Gedanken im Hinblick auf die gesamte Bevölkerung aufgreifen. In Zukunft sollen Grippeimpfungen in Apotheken möglich sein. Gerade diesen Monat hat der Bundestag beschlossen, entsprechende Modellversuche zu starten.

"Mit den regionalen Modellvorhaben zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen in Apotheken soll zur Erhöhung der Impfquoten bei Grippeschutzimpfungen in Deutschland ein weiterer niedrigschwelliger Zugang für Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ermöglicht werden."

Statement des Bundesgesundheitsministeriums gegenüber dem BR

Ärzte kritisch – Lob von Apothekern

Vor allem einige Ärzteverbände haben ablehnend auf die Idee reagiert: Impfen gehöre zu den klassischen ärztlichen Aufgaben. Viele Apotheker sehen das anders.

"Ich persönlich finde das eine sehr gute Idee. Ich würde auch sofort an so einem Pilotprojekt teilnehmen. Wenn ich einfach in eine Apotheke gehen und nach einer Grippeimpfung fragen kann und die dann dort auch bekomme, ist das einfacher, als sich beim Arzt einen Termin geben zu lassen und unter Umständen lange im Wartezimmer zu warten. Es ist sehr viel einfacher und schneller. Ich denke, dass sich da doch einige dazu bereit erklären."

Dr. rer. nat. Peter Sandmann, Gärtnerplatz-Apotheke München

Zunächst soll die Idee in Modellversuchen erprobt werden. Wenn sich die Impfung in der Apotheke bewährt, könnte sie im nächsten Schritt flächendeckend eingeführt werden. Auch wenn es von Ärzteseite Bedenken gegen das Vorhaben gibt: In einem Punkt sind sich fast alle Experten einig: Die Impfquoten beim Thema Grippe müssen steigen, um besonders gefährdeten Menschen Schutz zu bieten.


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