BR Fernsehen - Gesundheit!


26

Grauer Star Welche Kunstlinse passt zu mir?

Verschwommene Bilder, ein grauer Schleier, weniger Kontraste: Beim Grauen Star geht die Sehkraft langsam verloren. Schmerzen oder ähnliche Beschwerden gibt es nicht. Die Betroffenen sehen einfach zunehmend schlechter, als würden sie durch eine Art Nebel schauen. Die einzig mögliche Behandlung ist die OP: Allein in Deutschland wird die Kataraktoperation etwa 700.000-mal im Jahr durchgeführt. Dabei wird die alte, trübe Linse durch eine Kunstlinse ersetzt. Welche Linse die beste ist, muss man im individuellen Fall entscheiden.

Von: Julia Richter

Stand: 02.07.2023

Grauer Star: Katarakt | Bild: BR

Die Welt wird grau....

Die meisten Betroffenen merken es als erstes beim Blick in die Ferne, dass etwas nicht stimmt, etwa beim Autofahren. So ging es auch Wallburga Brückl: Die 74-Jährige hatte eine Gleitsichtbrille und konnte die Schilder und Ampeln trotzdem nicht mehr gut erkennen.

"Es war alles so unscharf, so verschwommen. Ich dachte erst, dass ist die Brille und da hab ich geputzt und geputzt, aber es wurde nicht besser. Mich hat es sehr gestört, weil ich diese Sachen, die ganze Umwelt, nicht mehr klar gesehen habe, das war immer alles a bisserl verschwommen."

Wallburga Brückl, Patientin

Neben dem unscharfen Sehen und dem Grauschleier klagen viele Patienten darüber, dass sie ständig geblendet sind.

Ursachen des Grauen Star

Beim Grauen Star handelt es sich um eine typische Alterserscheinung, bei der sich die Linse mit der Zeit eintrübt und die Sehfähigkeit nachlässt. Zu Beginn des Lebens ist die Linse im Auge klar, mit der Zeit klumpen sich Eiweiße in der Linse zusammen, sie verliert an Elastizität, wird matt und trübe. Das einfallende Licht kann nicht richtig durchdringen, das führt zu Blendung; auf der Netzhaut entstehen keine scharfen Bilder mehr.

"Der graue Star tritt meistens so ab dem 65. Lebensjahr auf. Das Hauptrisiko ist dann dementsprechend das Alter. Es gibt aber auch andere Formen, wo Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes Mellitus oder ein Unfall in der Jugend eine Ursache sein können."

Prof. Dr. med. Michael Janusz Koss, Facharzt für Augenheilkunde, München

Die Diagnose:

Hinweise auf eine Linsentrübung sieht der Augenarzt sofort beim Durchleuchten der Augen; bei der Untersuchung mit der Spaltlampe kann man erkennen, welche Schicht der Linse schon betroffen ist und wie weit die Trübung vorangeschritten ist. Die einzig mögliche Behandlung ist eine Operation. Dabei wird die trübe Linse durch eine Kunstlinse ersetzt. Der Eingriff erfolgt ambulant, ist risikoarm und schmerzlos – meist dauert der Austausch der Linse weniger als 15 Minuten. Die Patienten sind in der Regel bei Bewusstsein und bekommen nur Betäubungstropfen ins Auge. Wer nervös ist, kann allerdings auch eine Narkose erhalten.

"Wir gehen über einen ganz kleinen Schnitt, ungefähr 2-3 Millimeter an der Hornhaut rein, und dann gehen wir hinter die Pupille zur Linse, dann zerstäuben wir den Inhalt der Linse und saugen den ab – dann bleibt nur die Hülle übrig und da kommt dann die neue Kunstlinse rein."

Prof. Dr. med. Irmingard Neuhann, Fachärztin für Augenheilkunde, München

Danach muss der Patient einen Tag lang einen Verband tragen und regelmäßig tropfen, damit sich nichts entzündet. Nach circa einer Woche steht die Nachsorge an.

Die richtige Linse...

Heutzutage gibt es ein sehr großes Angebot an Kunstlinsen. Welche die richtige ist, muss man individuell entscheiden: Alter, Vorerkrankungen und Bedürfnisse spielen eine Rolle bei der Auswahl.

Monofokallinsen

Diese Standardlinsen werden mit Abstand am häufigsten eingesetzt, die Kosten übernehmen die gesetzlichen Krankenkasse komplett. Damit kann man nach der OP entweder fern oder nah scharf sehen. Zusätzlich kann man die Linse mit einem UV-Filter (meist Standard) bekommen oder einen Blaufilter dazu wählen (zusätzliche Kosten hängen vom Augenarzt ab), dieser soll helfen die Netzhaut zu schützen. Der Nutzen ist nicht klar belegt, daher tragen die Kassen die Kosten nicht.

Bei manchen Patienten kann eine Brille nach der OP auch mit einer Monofokallinse überflüssig werden, nämlich dann, wenn sie die Augen unterschiedlich scharf einstellen: ein Auge „bekommt“ die Fernsicht, das andere die Nahsicht. Das klappt allerdings nicht bei allen Patienten. Experten sprechen hier vom „Goetheblick“, weil der Dichter bis ins hohe Alter keine Brille gebraucht haben soll. Man kann so etwas vor der OP mit Kontaktlinsen simulieren. Zwei verschiedene Linsen sind jedoch nicht für jedes Gehirn geeignet, und daher eher eine Ausnahme. Generell gilt:

"Die Monofokallinse ist nach wie vor die mit Abstand am häufigsten implantierte Linse. Sie hält ein Leben lang, und das Gute daran ist, dass bei ihr 100 Prozent Licht akquiriert wird. Das heißt, wenn man sich für eine Monofokallinse entscheidet und sagt, man möchte die Ferne scharf haben, dann braucht man nur noch eine Lesebrille und das ist eigentlich unschlagbar."

Prof. Dr. med. Michael Janusz Koss, Facharzt für Augenheilkunde, München

Für Wallburga Brückl war es genau die richtige Wahl. Die 74-Jährige ist sehr zufrieden. Inzwischen wurde auch ihr zweites Auge operiert, nur zum längeren Lesen braucht sie noch eine Brille. Weil sie rechts eine Hornhautverkrümmung hat, entscheidet sie sich dort zudem für eine torische Linse:

"So eine Hornhautverkrümmung kann man mit den torischen Linsen bei ganz vielen Patienten auch korrigieren. Der Patient spart sich dann sozusagen die Brille, die er nur bräuchte, weil er eine Hornhautverkrümmung hätte."

Prof. Dr. med. Michael Janusz Koss, Facharzt für Augenheilkunde, München

Torische Linsen

Die torische Linse ist keine Kassenleistung und muss selbst bezahlt werden, das macht rund 400 bis 600 Euro pro Auge. Hinzu kommen die Kosten für die Vermessung. Hier gibt es verschiedene Verfahren, wie bei allen Speziallinsen, die meisten werden nicht von den Kassen übernommen, können aber durchaus sinnvoll sein.

Multifokallinsen

Auch Gerda Behr leidet unter dem Grauen Star – sie wollte nach der OP vor allem komplett brillenlos sein. Sie entscheidet sich für eine Multifokallinse: Damit kann sie in drei Bereichen, nah, im intermediären Bereich (Laptop, TV) und fern gut sehen.

"Da ich beruflich sehr stark engagiert bin und ständig das Auge wechseln muss zwischen Nähe, Weite, PC, Mitarbeitern und Kalendern war für mich klar, dass wenn schon das Auge wegen dem Grauen Star operiert werden muss, dass ich das gleich mitmachen lasse."

Gerda Behr, Patientin

Diese Linsen kommen allerdings nicht für jeden in Frage: Das Auge muss ansonsten gesund sein:

"Man sollte keinerlei andere Augenerkrankung haben, wie zum Beispiel an der Hornhaut, an der Netzhaut oder auch am Sehnerv. Nebeneffekte solcher Linsen sind klassischerweise in der Dämmerung oder nachts, dass man Lichtstreuungen hat oder Lichtringe, deswegen sollte man nicht auf nächtliches Autofahren angewiesen sein."

Prof. Dr. med. Irmingard Neuhann, Fachärztin für Augenheilkunde, München

Und: Die Linsen funktionieren nicht in allen drei Ebenen gleich gut. Außerdem müssen sich Patienten nach der OP daran gewöhnen, mit den neuen Linsen zu sehen, denn sie haben ja eine Art „Gleitsichtlinse“ im Auge. Auch mit den sogenannten Halos, den Lichtkreisen, muss man lernen, umzugehen. Die erscheinen fast immer, das liegt an der Art, wie die Linsen das Licht brechen.

Diese Speziallinsen werden von den gesetzlichen Kassen nicht bezahlt – mehrere hundert Euro pro Linse muss man kalkulieren, hinzu kommen auch hier Kosten für die Vermessung.

"Nach der OP hatte ich diese Halos, diese Lichthöfe um jede Lichtquelle, das war etwas nervig, hat sich aber nach einigen Monaten gelegt und ich kann es nur noch sehen, wenn ich mich stark darauf konzentriere. Ich bin trotzdem so zufrieden, ich sehe heute besser als mit 18, und ich muss nicht mehr ständig die Brille rauf und runter und suchen."

Gerda Behr, Patientin

Endoflinsen

Am neusten sind sogenannten Edoflinsen: Diese haben zwei Ebenen, denn sie verbessern das Sehen in der Ferne und im mittleren Bereich. Auch hier muss man unter Umständen eine Brille fürs Lesen nach der OP tragen. Die Kosten muss man selbst tragen, wenn man gesetzlich versichert ist.

Dafür hat sich Stefan Forstmeyer entschieden: Heute steht der Nachsorgetermin bei dem 50-Jährigen an.

"Aufgrund meines Alters, meiner Arbeitsbelastung und auch meines Freizeitverhaltens ist die Edoflinse für mich am besten, weil ich da eigentlich am flexibelsten bin."

Stefan Forstmeyer, Patient

Für den Augenarzt haben diese Linsen einen großen Vorteil:

"Was ich vor allem wirklich beeindruckend finde, dass in Abgrenzung zu den multifokalen – trifokalen Linsen – die Patienten sich sehr viel weniger beschweren über Strahlenkränze, Blendungen, die ja schon störend sein können."

Prof. Dr. med. Michael Janusz Koss, Facharzt für Augenheilkunde, München

Fazit: Das Angebot ist groß. Zu den hier vorgestellten Linsen gibt es noch andere Anpassungsmöglichkeiten. Die eine perfekte Linse für alle gibt es nicht. Kompromisse muss man immer eingehen:

Ab wann operieren?

Früher wurde Patienten meist geraten, mit der OP zu warten, bis der Graue Star „reif“ sei – heute gilt, man sollte dann operieren, wenn der Patienten unter den Einschränkungen leidet. Nicht operiert, führt die Katarakt in jedem Fall zu einer Erblindung.

Dennoch lohnt es sich offenbar nicht so lange mit der OP zu warten, bis man fast nichts mehr sieht: Laut einer neuen US-Studie der Universität Seattle gibt es nämlich einen Zusammenhang zwischen dem Grauen Star und Demenz: In der Beobachtungsstudie wurden Patienten verglichen, die sich am Grauen Star haben operieren lassen, mit denen die es nicht taten oder sehr spät. Als Kontrollgruppe dienten Patienten mit dem Grünen Star.

Das Ergebnis: Eine rechtzeitige Sehkraft-erhaltende OP kann demnach das Risiko an Demenz zu erkranken um 30 Prozent senken. Auch wenn hier kein kausaler Zusammenhang festgestellt wurde und es nur eine Beobachtungstudie ist, findet der Demenzforscher und Neurologe Dr. Herzog den Ansatz interessant:

"Wir wissen heute, dass gutes und korrektes Sehen tatsächlich auch ein Training für die damit verbundenen Nervenzellen im Gehirn darstellt und weil diese Nervenzellen mit sehr vielen anderen oder fast allen Arealen im Gehirn vernetzt sind, ist eben korrektes Sehen im höheren Lebensalter einer der wahrscheinlich bestimmenden Motoren für die Funktionsfähigkeit des Gehirns."

Dr. med. Jürgen Herzog, Ärztlicher Direktor, Schön Klinik München, Schwabing

Ein weiterer wichtiger Aspekt sei, dass Patienten, die richtig sehen, in der Regel auch mehr am sozialen Leben teilnehmen, rausgehen und mobil seien. Auch das ist laut Herzog ein wichtiger präventiver Faktor im Kampf gegen Demenz.


26