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Glukosetracking Was bringt eine blutzuckerbewusste Ernährung für Gesunde?

Ob Mittagstief, schlechte Haut, Gewichts- oder Schlafprobleme: all das soll sich bessern dank einer blutzuckeroptimierten Ernährung – auch Glukose-Diät oder Blutzucker-Diät genannt. Immer mehr Gesunde tracken deshalb ihren Blutzuckerspiegel und hoffen auf mehr Fitness und Wohlbefinden durch flache Glukose-Kurven. Gesundheit! macht den Test. Was ist dran an den Tipps?

Von: Julia Richter

Stand: 20.05.2025 09:49 Uhr

Glukosetracking: Was bringt eine blutzuckerbewusste Ernährung für Gesunde?

Ob auf Social Media, im Buchhandel oder in Diätforen – Glukosetracking erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Gemessen wird der Blutzucker durch Sensoren, die man aus der Versorgung von Diabetikern kennt.

Es handelt sich um Gewebezucker-Sensoren - auch CGM genannt. Für ca. 70 Euro kann diese jeder im Netz bestellen. Damit kann man quasi in Echtzeit seinen Blutzucker messen. Die Sensoren werden am Oberarm angebracht. Nach ca. 15 Tagen muss man das Modell wechseln. Je nach Anbieter gibt es die passende App dazu. Diabetologinnen und Diabetologen beobachten den Hype schon länger:

"Ursprünglich sind die entwickelt worden für Diabetiker, die mehrfach am Tag Insulin spritzen müssen. Und jetzt nimmt diese Entwicklung zu - bei Sportlern, Influencern oder Menschen, die sich optimieren wollen, die also ihre Blutzucker-Kurve optimieren wollen. Mit der Idee, dass sie dann besser abnehmen, leistungsfähiger sind, weniger müde sind."

Dr. med. Diana von Welser, Internistin, Diabetologin und Ernährungsmedizin, München

Wie wirkt Glukose im Körper?

Kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Brot, Nudeln, Schokolade oder Saft können den Blutzucker schnell nach oben treiben. Glukose gilt generell als Energielieferant für unsere Zellen. Nehmen wir Kohlenhydrate auf, steigt die Glukose-Konzentration im Blut - also der Blutzucker-Spiegel. Bei gesunden Menschen wird daraufhin Insulin ausgeschüttet. Die Folge: Der Blutzucker sinkt wieder. Als Nüchternblutzucker gilt bei Gesunden ein Wert bis ca. 100mg/dl als optimal. Spätestens zwei Stunden nach einer Mahlzeit sollte er laut Diabetologinnen und Diabetologen nicht über 140 mg/dl liegen. Wir treffen Claudia. Sie trackt seit Jahren ihren Blutzucker – für sie eine Art "Fenster" in den Körper. Seitdem hat sie einiges umgestellt beim Essen: statt Weißbrot gibt es selbstgemachtes Saatenbrot, statt Müsli Skyr mit Früchten.

"Ich tracke, weil ich gerne wissen möchte wie mein Körper auf bestimmte Mahlzeiten reagiert. Und um einfach zu sehen, dass ich dann mehr Energie habe und einen gleichmäßigeren Blutzucker. Nach dem Quark eben hatte ich z.B. einen Wert von 116, der war super. Früher habe ich gerne auch mal gebrannte Mandeln gegessen und da hatte ich einen Wert von über 190."

Claudia, trackt ihren Blutzuckerspiegel

Wir machen den "Glukose-Test"

Das probieren wir mit Testperson Dora. Sie trackt eine Woche lang für uns ihren Blutzuckerspeigel.

"Ich bin jetzt gespannt, gerade nach dem Frühstück da hab ich oft so ein Tief – ob sich da irgendwas tut. Und mittags nach dem Essen – da bin ich auch oft so müde. Ob ich da irgendwie fitter bin, wacher bin."

Testperson Dora

Am Anfang entscheidet sich Dora für ein klassisches Frühstück: Getreideflocken und Cappuccino. Als sie nach dem Essen misst, beträgt ihr Wert 174. Und schon bald hat sie wieder Hunger: Zum Mittag gibt es schnell eine Portion Pommes mit Schorle dazu. Der Wert – 241. Und danach hat sie wieder Lust auf was Süßes ... Solche ständigen Snacks können Heißhunger-Attacken fördern.

"Das Problem ist, dass wir dann zum Teil sehr viel Insulin ausschütten, und dann fallen wir in ein Loch, haben neuen Heißhunger und essen wieder was. Den ganzen Tag haben wir dann eine Berg- und Talfahrt und das führt dazu, dass ich natürlich leichter zunehmen kann, mein Bedürfnis noch mehr ungesunde Sachen zu essen, nimmt auch zu. Letztendlich kann das dann natürlich Bluthochdruck, Diabetes und die Gefahr für Herzinfarkte und Schlaganfall fördern."

Dr. med. Diana von Welser, Internistin, Diabetologin und Ernährungsmedizin, München

Dora probiert nun die klassischen Tipps der "Blutzucker-freundlichen" Ernährung aus.

Tipps zur Glukose-Diät:

1.  Tipp: Ein herzhaftes Frühstück:
Sie startet für unseren Versuch mit einem protein- und ballststoffreichen Frühstück in den Tag, z.B. Omelette mit Gemüse, Skyr und Beeren o.ä. Und die Messwerte zeigen, dass das bei ihr tatsächlich funktioniert – die Glukosewerte sind deutlich niedriger und liegen zwischen 125 und 133.

2. Tipp die richtige Reihenfolge:
Dora bemüht sich zuerst das Gemüse zu essen, dann Protein und Fett und zum Schluss erst die Kohlenhydrate. Meist startet sie mit einem Salat oder ähnlichem. Auch das klappt bei ihr erstaunlich gut. Sie hat Werte um die 170/180 statt über 240.

3. Tipp Bewegung nach dem Essen
Ob Treppensteigen oder ein kleiner Spaziergang nach dem Essen – selbst ein paar Kniebeugen tun es, so die Theorie. Dora versucht, sich mehr zu bewegen. Und das lässt die Zucker-Kurven sinken.

Wir treffen Dora nach einer Woche und sind gespannt, was bei ihr geklappt hat und wie sich damit fühlt.

"Also, es war echt total spannend jetzt das Ganze zu erleben. Das Mittagstief hat sich echt verbessert, wenn ich mich da an diese Reihenfolge gehalten habe, da habe ich mich fitter und besser gefühlt. Beim Schlafen oder vom Gewicht her, muss ich sagen: da habe ich keine Veränderung gesehen, auf der Wage auch nicht. Da ist das Gewicht gleichgeblieben. Was mich schon total überrascht hat, war z.B., dass ich nach dem Sushi so einen krassen Anstieg hatte – mehr als nach dem Eis. Sushi esse ich häufiger und da dachte ich immer, dass machts nichts, aber das hat richtig reingehauen bei der Glukose."

Testperson Dora

In der Tat scheinen also einige der "Tricks" zu klappen. Aber was ist der Nutzen einer flacheren Zuckerkurve? Was bringt das konkret für die Gesundheit?

"Wir haben für diese 'Blutzucker-Spitzen' keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass das bei einem Blutzucker-Gesunden irgendwie schädlich ist, dass das Herzinfarkt, Schlaganfälle, Krebs oder irgendwas fördert. Und wenn wir eine flache Blutzuckerkurve sehen: das sagt uns eigentlich nichts wie die zustande gekommen ist. Also, die kann ja auch zustande kommen, wenn ich so esse: Ich habe einen Grillabend, hab einen Schweinenacken-Steak gegessen, fettige Wurst, hab viel Rotwein dazu getrunken. Dann habe ich eine fantastische Blutzuckerkurve, aber ich habe nichts getan, was für mich gesund ist. Das sagt also nichts über die Nährstoffe, das Salz, die Fette usw."

Dr. med. Diana von Welser, Internistin, Diabetologin und Ernährungsmedizin, München

Wenn der Nutzen nicht bewiesen ist, stellt sich die Frage, welchen möglichen Schaden es geben kann. Denn ständiges "Tracken" macht ja etwas mit einem.

"Im Grunde genommen wird man damit allein gelassen mit seinen Ergebnissen und mit seinen Werten und anders als ein Diabetiker z.B., der regelmäßig zum Arzt geht und entsprechende Rückmeldungen bekommt, haben die Gesunden das ja nicht. Und wenn man dafür anfällig ist, kann das auch zu einer Essstörung führen."

Dr. rer. medic Cornelia Klug, Ernährungswissenschaftlerin, Kompetenzzentrum für Ernährung, Kulmbach

Claudia kann mit dem Tracken gut umgehen – neben mehr Energie sieht sie noch einen Vorteil.

"Es ist so, dass ich jahrelang versucht habe, eigentlich auch an Kilogramm zu verlieren und mich auch gewundert habe, warum das nicht funktioniert. Und dann habe ich mit dem Glukosetracking angefangen und habe gemerkt: Klar, wenn mein Blutzucker immer Achterbahn fährt, dann kann ich nicht abnehmen und deswegen mach ich jetzt so 3-5 bewusste Mahlzeiten am Tag und habe schon meine vier Kilo verloren."

Claudia, trackt ihren Blutzuckerspiegel

Fest steht aber: Um abzunehmen, muss man weniger Energie zu sich nehmen, als man verbraucht. Wie man das schafft und was für einen am besten funktioniert, scheint individuell verschieden.

"Beim ein oder anderen kann sich dadurch das Bewusstsein schärfen: Und dann kann es wirklich Menschen helfen, auch ein paar Kilos abzunehmen, weil man ist bewusster bei bestimmten Lebensmitteln, man weiß, wie reagiert mein Körper auf bestimmte Lebensmittelkombinationen, man ändert sein Verhalten, macht vielleicht auch mehr Sport."

Dr. rer. medic Cornelia Klug, Ernährungswissenschaftlerin, Kompetenzzentrum für Ernährung, Kulmbach

Kritiker bemängeln allerdings, dass viele Erkenntnisse, die im Zusammenhang mit der Glukosediät behauptet werden, eins zu eins aus der Diabetes-Forschung auf Gesunde übertragen wurden. Dass flache Glukose-Werte automatisch vor schweren Krankheiten schützen, ist jedenfalls wissenschaftlich nicht bewiesen!

"Wir reden ja jetzt hier gerade von Gesunden und da haben wir eine sehr dünne bis überhaupt keine Datengrundlage. Das heißt, wir können aktuell gar nicht sagen, dass bei einem Gesunden Blutzucker-Schwankungen, die völlig normal sind, Gott sei Dank gibt es die, dass man sagen kann, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ich Krebs oder Alzheimer bekomme."

Dr. rer. medic Cornelia Klug, Ernährungswissenschaftlerin, Kompetenzzentrum für Ernährung, Kulmbach

Auch um Prädiabetes oder Diabetes zu diagnostizieren, taugen die Geräte nach Ansicht von Diabetologinnen und Diabetologen nicht. Denn dazu braucht man eine umfassende Untersuchung und Blutwerte, die erhoben werden müssen. Eine weitere Kritik ist, dass viele Sensoren tendenziell zu hohe Werte anzeigen, weil sie gar nicht für Gesunde entwickelt wurden. Und das kann wiederum zu Stress führen.

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