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Impf-Pflicht, Zahnersatz, Arzttermine Das bringen die neuen Gesetze für die Gesundheit

Impf-Pflicht, Zahnersatz, Arzttermine: Für 2020 hat Gesundheitsminister Jens Spahn einige Änderungen im Gesundheitssystem auf den Weg gebracht. Was bedeuten die wichtigsten Änderungen im Alltag?

Von: Monika Hippold

Stand: 13.01.2020

Impfpflicht für Masern | Bild: picture-alliance/dpa

Impfpflicht für Masern ab 1. März 2020

Kritiker und Befürworter haben lange darum gestritten – jetzt kommt die Impfpflicht für Masern. Ab dem 1. März muss jedes Kind gegen Masern geimpft sein, das neu in eine Kita oder Schule kommt. Wer diese Einrichtungen schon besucht, hat bis Ende Juli Zeit, die Impfung nachzureichen. Die Impfpflicht gilt auch für Erzieher, Tagesmütter, Lehrer, Ärzte und Pfleger. Wer dagegen verstößt, muss mit 2.500 Euro Bußgeld rechnen.

Was die Impf-Pflicht bedeutet, weiß Carola Sraier. Sie berät Patienten im Gesundheitsladen in München.

"Die Masern-Impfpflicht ist eingeführt worden, weil das Erkrankungsrisiko in den letzten Jahren gestiegen ist. Die Durchimpfungsrate lag bei 93 Prozent. 95 Prozent wären wünschenswert gewesen. Ein Problem ist: Wir haben die Impfpflicht nur für Masern. Aber es gibt keinen Impfstoff nur für Masern, sondern immer nur in Kombination."

Carola Sraier, Patientenberaterin, Gesundheitsladen München

Grippeimpfung

Die Grippeimpfung soll künftig in Apotheken möglich sein. Ob das sinnvoll ist und ankommt, wird jetzt für fünf Jahre getestet – in einigen Modell-Apotheken.

Terminservicestellen haben neue Aufgaben

Monatelang auf einen Termin beim Arzt warten? Das soll es nicht mehr geben. Denn: Die Terminservicestellen der kassenärztlichen Vereinigung (KVB) bekommen 2020 mehr Aufgaben. Unter der neuen, zentralen Nummer 116 117 sind die Mitarbeitenden ab sofort bundesweit rund um die Uhr erreichbar.

Sie vermitteln Patienten mit einer Überweisung an Fachärzte und helfen bei der Suche nach einem Haus-, Kinder- oder Jugendarzt. Die Wartezeit auf einen Termin laut Plan: maximal vier Wochen.

In akuten Fällen vermitteln sie Patienten auch an Kliniken oder Notfallambulanzen. Bei psychotherapeutischer Akutbehandlung sollen Patienten maximal zwei Wochen auf einen Termin warten. Carola Sraier hat bisher aber nicht nur Positives über den neuen Service gehört. 

"Erste Rückmeldungen allerdings sind, dass man bei der Nummer sehr lange, bis zu einer halben Stunde, in der Warteschleife hängt oder auch mehrfach anrufen muss. Ich habe von einer Klientin gehört, dass manche Arztpraxen sagen: ‚Wir vergeben gar keine Termine mehr. Sie rufen jetzt bitte nur noch bei der Terminservicestelle an.'"

Carola Sraier, Patientenberaterin, Gesundheitsladen München

Änderungen bei der Pflege

Kinder, deren Eltern pflegebedürftig sind, müssen sich ab sofort erst ab einem Jahresgehalt von 100.000 Euro brutto pro Jahr an den Kosten für die stationäre Pflege beteiligen – laut Angehörigen-Entlastungsgesetz. Bisher lag die Grenze bei 21.600 Euro netto im Jahr.

"Man sagt, ungefähr zehn Prozent aller Bürger werden nur noch ihre Eltern unterstützen müssen. Das ist eine gute Lösung für die Kinder. Das heißt aber nicht, dass es grundsätzlich das Problem der Pflege-Finanzierung löst. Der Pflegebedürftige selber wird immer Kosten zuschießen müssen zu seiner Versorgung im Heim."

Carola Sraier, Patientenberaterin, Gesundheitsladen München

In Kliniken gelten außerdem neue Untergrenzen für Pflegepersonal in der Herzchirurgie, Neurologie, Frührehabilitation und bei Schlaganfalleinheiten.

Und die Ausbildung für Pfleger und Hebammen ändert sich: Hebammen lernen künftig an Universitäten statt an Schulen. Sie machen ihren Bachelor und Master – und erhalten Geld für ihr Studium.

Die Ausbildung für Kranken-, Alten und Kinderpfleger wird generalisiert: Zwei Jahre lernen sie ab sofort gemeinsam, dann können sie sich spezialisieren. Die Ausbildung ist kostenfrei, Lehrmaterial wird gestellt.

MDK-Reformgesetze

Die medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) beurteilen Pflegebedürftige und stellen eine Pflegegrad aus. Die Dienste bekommen 2020 eine neue Struktur: Sie werden von den Krankenkassen gelöst. Die neuen MDs sollen unabhängiger und transparenter sein – und effektiver arbeiten.

Wiederholungsverordnung für chronisch Kranke

Für chronisch Erkrankte soll das Leben ein bisschen leichter werden: Sie dürfen ab März ein Rezept vom Arzt bis zu viermal in der Apotheke einlösen – und müssen nicht jedes Mal erneut zum Arzt gehen.

Änderung der Heilmittelrichtlinie ab 1. Oktober

Für Ärzte, Therapeuten und Patienten bringt die Änderung der Heilmittelrichtlinie Verbesserungen: Rezepte, zum Beispiel für Physiotherapie, können ab Oktober innerhalb von 28 Tagen eingelöst werden – statt wie bisher innerhalb von 14 Tagen.

Ärzte dürfen außerdem mehr als sechs Termine verschreiben, sie können Blanko-Rezepte ausstellen und die Termin-Frequenz darf variieren. Der Therapeut kann damit entscheiden, welche Behandlung die beste für den Patienten ist.

"Das ist eine wirkliche Erleichterung für die Patienten. Es steigert die Qualität der Behandlung und vereinfacht die Organisation. Man erkennt an, dass die Therapeuten durchaus ein Know-how haben. Ärzte können dann auch mehrere Heilmittel verordnen, also Behandlungen kombinieren. Bei Schlaganfall-Patienten zum Beispiel eine Schluck-Therapie und gleichzeitig eine Sprech-Therapie und Ergotherapie."

Carola Sraier, Patientenberaterin, Gesundheitsladen München

Festzuschüsse für Zahnersatz steigen ab 1. Oktober

Günstiger wird es für Patienten beim Zahnersatz: Ab Oktober 2020 übernehmen Krankenkassen mindesten 60 Prozent der Kosten für die Basisbehandlung bei Brücken, Kronen oder Prothesen. Wer über fünf Jahre ein lückenloses Bonusheft geführt hat, bekommt 70 Prozent von der Kasse erstattet – bei zehn Jahren steigt der Zuschuss auf 75 Prozent. Aber Achtung: Die Steigerung gilt nicht für besondere Materialien wie Gold oder Keramik.

"Hier muss man wissen, dass die allermeisten Patienten sich nicht regelversorgen lassen. Statt einer Krone oder einer Brücken-Versorgung lassen sie sich für einen fehlenden Zahn lieber ein Implantat setzen, sodass diese Erhöhung in der Realität relativ gering ausfällt. Ich halte grundsätzlich den Zuschuss für Zahnersatz in der gesetzlichen Krankenversicherung für zu gering. In diesem Bereich müssen gesetzlich versicherte Patienten am meisten zuzahlen. Insofern ist eine Steigerung von zehn Prozent letztendlich kein großer Gewinn für die Patienten."

Carola Sraier, Patientenberaterin, Gesundheitsladen, München

Außerdem werden zahnärztliche Leistungen seit dem 1. Januar höher vergütet. Die Kosten für Zahnersatz stiegen damit also insgesamt.

Bessere Vorsorge beim Frauenarzt

Bei der Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs wird das Angebot der Krankenkassen ausgebaut: So haben Frauen ab 20 Jahren weiterhin Anspruch auf eine zytologische Untersuchung im Jahr. Neu ist das Screening für Frauen ab 35 Jahren. Sie dürfen ab sofort alle drei Jahre den Ko-Test machen. Der Test besteht aus einer zytologischen Untersuchung und einem HPV-Test. Und: Frauen zwischen 20 und 65 Jahren werden ab sofort von ihrer Krankenkasse alle fünf Jahre zur Untersuchung eingeladen.

An Gebärmutterhalskrebs erkranken ungefähr 4.500 Frauen im Jahr. Etwa 1.500 von ihnen sterben.

"Das Screening grundsätzlich einzuführen, ist eine gute Lösung, weil es auf das Angebot und das Risiko aufmerksam macht. Man muss aber abwarten, wie die Frauen die Einladung annehmen und ob diese wirklich zu einer höheren Untersuchungsrate führt."

Carola Sraier, Patientenberaterin, Gesundheitsladen München

Gesundheits-Apps auf Rezept

Handy-Apps für die Gesundheit und die Telemedizin sollen in diesem Jahr eine größere Rolle spielen. Dafür steht das „Digitale-Versorgung-Gesetz“ (DVG). Wenn der Arzt eine Gesundheits-App verschreibt, erstatten Krankenkassen die Kosten dafür.

Allerdings prüft das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) noch in Frage kommende Apps auf Funktionstauglichkeit, Qualität, Datensicherheit und Datenschutz. Die ersten Apps auf Rezept gibt es deswegen wohl erst im zweiten Quartal 2020. Und: Das Gesetz gilt für Apps, die Symptome oder Blutzuckerwerte dokumentieren und Verhaltenstipps geben - nicht aber für Lifestyle- und Wellnessprodukte wie Schrittzähler, Fitnesstracker oder Ernährung-Apps.

"Im Moment muss man erst einmal sehen: Wie kann ich überhaupt den Nutzen einer solchen technischen Unterstützung für die Patienten am Ende auswerten? Wir haben hier noch viele Unsicherheiten. Patienten führen außerdem gerne ein echtes Gespräch mit ihrem behandelnden Arzt. Dafür sind schon heute durchschnittlich nur sieben Minuten Zeit. In der Zeit müssen sie künftig dann auch noch die Werte aus ihrer App diskutieren. Das nimmt zusätzlich Zeit in Anspruch."

Carola Sraier, Patientenberaterin, Gesundheitsladen München

Implantatregister

Im laufenden Jahr soll außerdem das Implantatregister aufgebaut werden. Es geht aber erst 2021 in Betrieb. Menschen mit Implantaten sollen dann schneller von Risiken und Komplikationen erfahren.

Einige der neuen Gesetze 2020 sind also noch ausbaufähig. Für einige Menschen bedeuten sie aber jetzt schon eine Erleichterung.


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