Fersensporn, Plantarfasziitis Schmerzhafter Auftritt: Was tun bei Fersensporn?
Wenn jeder Schritt schmerzt, als würde man in einen Nagel treten, dann kann die Ursache dafür ein sogenannter Fersensporn sein - korrekter ausgedrückt: eine Plantarfasziitis. Nach Schätzungen sind etwa 10 Prozent der Erwachsenen einmal im Leben davon betroffen. Meist beginnen die Probleme erst jenseits der 40. Für die Patienten ist es oft rätselhaft, woher die Schmerzen plötzlich kommen. Jetzt gibt es neue Erklärungsansätze und wirksame Therapien.

Ein Anatomie-Professor der Uni München, ein Orthopäde und ein auf Füße spezialisierter Physiotherapeut über fünf Fakten, die Sie wahrscheinlich noch nicht über den sogenannten „Fersensporn“ wussten.
Fakt 1: Namensverwirrung - Fersensporn oder „Plantarfasziitis“?
Franziska C. ist ein typischer Fall: Seit einigen Monaten hat sie Schmerzen in der Ferse, die inzwischen so schlimm sind, dass sie kaum mehr laufen kann. Am schlimmsten sind die Schmerzen nach Ruhephasen – wenn sie lange sitzt oder morgens nach dem Aufstehen.
Bei vielen Patienten, die an solchen Schmerzen leiden, sieht man im Röntgenbild an der Ferse eine Art knöchernen Sporn. Daher der Name: Fersensporn. Der Grund für die Schmerzen, ist aber ein anderer.
"Die Ursache ist eine Entzündung der sogenannten Plantarfaszie, also einer bindegewebigen Schicht, die den Fuß nach unten abdeckt. Die führt im Lauf der Zeit zu einem kleinen Sporn, der im Röntgenbild manchmal gar nicht zur Faszie zeigt, sondern davon weg. Der Sporn ist weder die Ursache noch der Auslöser der Beschwerden, sondern die Entzündung der Faszie."
Dr. med. Hartmut Gaulrapp, Orthopäde, München
Korrekt ist: „Plantarfasziitis“
Diese Faszie oder Sehnenplatte schützt die Unterseite des Fußes vor Verletzungen und stützt das Fußgewölbe. Sie spannt sich von der Ferse bis zum Ballen. Wo die Sehnenplatte an der Ferse ansetzt, drückt die Entzündung auf die Knochenhaut. Und das tut weh. Die korrekte Bezeichnung für die Fersenschmerzen lautet also „Plantarfasziitis“. Die Therapie zielt auf Entzündungseindämmung und mechanische Entlastung der Ferse.
"Zunächst mal kann man natürlich Medikamente geben, die gegen die Entzündung helfen. Um die Biomechanik zu verbessern, also das Auftreten mit der Ferse, helfen Einlagen, zum Beispiel mit einer Lochaussparung oder Weichbettung. Das nächste wäre dann, bei akuten Schmerzen, eine Kortisonspritze. Das soll man aber nicht so oft machen."
Dr. med. Hartmut Gaulrapp, Orthopäde, München
Sehr gut hilft auch die Dehnung der Faszie mehrmals am Tag. Dazu braucht man eine kleine Flasche, einen Golfball oder eine Faszienrolle. Damit langsam über die Fußsohle rollen und so die Fußsohle sanft massieren. Achtung: nicht über den Knochen oder den schmerzenden Sehnenansatz rollen. Trotz alll der konservativen Maßnahmen ist die Entzündung aber oft hartnäckig.
Fakt 2: Die Mückenstich Erklärung
Was ist das besondere an der Entzündung dieser Sehnenplatte? Auf der Suche nach der Antwort stieß Anatomie-Professor Christoph Schmitz mit seinem Team auf einen besonderen Auslöser: Nervenfasern.
Die sogenannten C-Fasern, langsam leitende Schmerzfasern, sind für die Entzündung verantwortlich. Unterm Mikroskop kann der Anatom den Unterschied zu den normalen Nervenfasern an der fehlenden Ummantelung deutlich sehen. Der Schmerz, den sie melden, fühlt sich eher dumpf und drückend an. Die „normalen“ Nervenfasern leiten den Schmerzreiz dagegen blitzschnell weiter, das fühlt sich eher „hell“ oder „stechend“ an. Anatomisch gesehen haben die C-Nerven in der Peripherie eine Art „Rückkoppelungsschleife“. Dadurch kann sich selbst ein leichter Schmerzreiz immer weiter verstärken.
Wenn die C-Fasern leicht gereizt werden, wie bei einem Mückenstich, bildet sich eine Schwellung. Es juckt zunächst nur.
"Wenn das an einer Stelle im Körper passiert, wo kein Platz ist - beim Mückenstich ist ja genügend Platz - dann haben wir vom Prinzip genau das gleiche. Aber wir kriegen eine Flüssigkeitsansammlung an einer Stelle, wo kein Platz ist. Die breitet sich dort lokal aus und drückt auf das umliegende Gewebe. Das kann sehr weh tun."
Dr.med. Christoph Schmitz, Anatomische Anstalt, LMU München:
Die innerliche Schwellung ist im Ultraschall am besten zu sehen. Doch was hat die Nervenentzündung im Fuß ursprünglich ausgelöst?
Fakt 3: Der Überlastungs-Mythos
Füße können eine Menge aushalten - wenn die Muskeln gut trainiert sind. Profisportler leiden deswegen trotz Belastung kaum an Fersensporn.
"Besonders betroffen sind eher Leute, die etwas älter sind, 40 bis 60 Jahre. Frauen und Männer gleichermaßen, ganz häufig übergewichtige Personen."
Dr. med. Hartmut Gaulrapp, Orthopäde, München
Bei dieser Zielgruppe reicht schon eine Kleinigkeit, um die Plantarfasziitis auszulösen. Prof. Christoph Schmitz erklärt dies folgendermaßen: „Sudden overuse based on chronic underuse“. Heißt: Plötzliche Überbeanspruchung infolge von chronischer Unterbeanspruchung. Eine neue Sportart, ein ungewohnter Schuh - und schon ist der Fersensporn da. Besonders, wenn der Fuß durch Abnutzungserscheinungen und jahrelange Fehlstellungen belastet ist. Aber: Wie geht der Fersensporn wieder weg?
Fakt 4: Die CHILI-Methode
Die sogenannte Stoßwelle sendet eine Art Schall-Druckwelle aus, angenehm ist das nicht. Seit 2019 bezahlt die gesetzliche Krankenkasse die Behandlung beim Fersensporn. Denn mittlerweile gibt es genügend wissenschaftliche Evidenz dafür, dass die Stoßwelle hilft. Bezahlt wird allerdings erst, wenn die Fersenschmerzen sechs Monate lang erfolglos mit den herkömmlichen Therapien behandelt wurden. Optimal ist die Wirkung, wenn es ein bisschen wehtut. Prof. Christoph Schmitz erklärt das mit der Chili-Hypothese:
"Was passiert, wenn Sie auf die Chili draufbeißen? Es brennt höllisch. Grund ist das sogenannte Capsaicin in der Chili. Wenn Sie es richtiggemacht haben, ist anschließend der Mund taub. Die C-Nervenfasern - genau die gleichen Nervenfasern, die wir auch beim Fersensporn diskutieren - werden durch die Ausschüttung von Capsaicin überreizt. Das ist der Schmerzreiz. Und dann können Sie eine Zeitlang nicht reagieren, das ist die anschließende Taubheit."
Prof. Dr. med. Christoph Schmitz, Anatomische Anstalt, LMU München
Der gleiche Effekt tritt nach Forschungsergebnissen von Prof. Schmitz und seinem Team durch die Stoßwelle ein. Die Nerven werden taub gemacht. Das funktioniert nur ohne Betäubungsspritze.
Weitere Forschung
Einen zusätzlichen Effekt der Stoßwellen erforscht Prof. Schmitz derzeit an winzigen Würmern: Das Gewebe – Muskeln und Sehnen - regeneriert schneller. Darum ist die Stoßwelle heute im Leistungssport sehr gefragt.
"Am Anfang standen tatsächlich die Tendinopathien, Fersensporn, Tennisarm, Kalkschulter. Als wir dann im Laufe der Jahre gelernt haben, dass die Stoßwellen auch regenerativ eingesetzt werden können und tatsächlich Heilungsprozesse in Sehnen und Muskeln auslösen können - das war der Eintritt in die Welt der Sportmedizin. Mittlerweile behandeln wir Profifußballer - Muskelfaserrisse, Muskelbündelrisse, Sehnenteilabrisse - sehr erfolgreich."
Prof. Dr. med. Christoph Schmitz, Anatomische Anstalt, LMU München
Vier Bundesligavereine hat Prof. Schmitz schon beraten. Bei manchen Patienten bleibt der Fersensporn dennoch hartnäckig.
Fakt 5: Die Problemlokalisierung
Manchmal liegt die Ursache für einen hartnäckigen Fersenschmerz im Rücken – so die Erfahrung von Physiotherapeut Nikolaus Färber aus Günzburg.
"Nerven, die den Fuß versorgen, enden in der Lendenwirbelsäule. Wenn Druck auf den Nerv kommt, läuft die Steuerung nach unten nicht sauber. Die Muskeln arbeiten nicht korrekt, nicht jedes Signal kommt durch und dadurch kommt es zu einer Fehlbelastung im Fuß, zu einer mechanischen Überanstrengung."
Nikolaus Färber, Physiotherapeut, Günzburg
Oft setzt Nikolaus Färber bei seinen Patienten auch die sogenannte „Spiraldynamischen Methode“ ein. Dabei arbeitet er an der gesamten Aufrichtung des Körpers und hilft den Patienten, typischen Fehlstellungen oder Haltungen entgegenzuarbeiten, wie Knickfuß und Hohlkreuz.
So kann eine hartnäckige Entzündung besser ausheilen. Manchmal kann der Schmerz auch schon durch eine aufrechtere Stellung der Ferse reduziert werden. Vor allem aber hilft die Therapie dabei, den Fersensporn nicht auch noch auf der anderen Seite zu bekommen.
Meistens verschwindet der Fersenschmerz zwar von selbst – das kann aber bis zu zwei Jahre dauern. Diesen schmerzhaften Zeitraum abzukürzen und wieder Spaß am Laufen zu bekommen – dafür lohnt es sich, einige Mühen auf sich zu nehmen.