Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht Notvertretungsrecht für Eheleute
Wenn in Folge eines Unfalls oder einer schweren Erkrankung ein Mensch plötzlich nicht mehr handlungsfähig ist, muss eine Betreuerin oder ein Betreuer die wichtigen Entscheidungen des Alltags für ihn treffen. Aber viel zu wenige Menschen sorgen rechtzeitig vor. Das neue Ehegattennotvertretungsrecht soll zumindest für verheiratete Paare Abhilfe schaffen. Gesundheit! klärt über die Neuregelung und ihre Grenzen auf.
Die neuen Regeln für Ehepartner
Bei Familie Dormeyer in München ist immer Full House – Essen für die Kinder zubereiten, die Kids in Schule und Kindergarten bringen. Da bleibt wenig Zeit für die Eltern und um sich Gedanken über Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen zu machen.
"Ich meine, das ist auch ein unangenehmes Thema. Und wenn wir mal Zeit haben in dem ganzen Familienwust, dann ist es nicht so, dass wir uns hinsetzen und Vollmachten schreiben. Da denkt man sich nicht: Yes! Jetzt noch Dokumente ausfüllen!"
- Luisa Dormeyer
Und für Mutter Luisa ist es wirklich eine Überraschung, dass die Betreuung im Notfall unter Ehepartnern nicht automatisch geregelt ist.
"Wenn mir etwas passiert, wer ist denn dann bevollmächtigt zu entscheiden? Ich finde es schon komisch, dass ich das nochmal extra festlegen muss."
- Luisa Dormeyer
Bisher war es so, dass nicht einmal medizinische Entscheidungen automatisch vom Ehepartner getroffen werden konnten. Im Zweifel mussten sich auch Ehegattinnen und Ehegatten erst vor Gericht als Betreuerin oder Betreuer einsetzen lassen. Wie groß diese Belastung im Ernstfall ist, erlebt auch Patientenanwalt Wolfgang Putz immer wieder bei Paaren, die keine
"Die Mischung aus organisatorischer Katastrophe, finanzieller Katastrophe, menschlicher Katastrophe, Trauer. Es ist einfach schrecklich und in dieser Situation auch noch juristische Probleme am Hals zu haben... Das ließe sich so einfach vermeiden. Der häufigste Fehler ist, es so lange nicht zu tun, bis es zu spät ist."
- Wolfgang Putz, Anwalt für Medizinrecht, München
Jetzt hat die Politik also gegengesteuert. Seit Januar gilt das neue Ehegattennotvertretungsrecht. Das sieht vor, dass zumindest medizinische Fragen in den ersten sechs Monaten nach dem Verlust der Handlungsfähigkeit von den Ehepartnern entschieden werden können.
Kritik und Lob für das neue Gesetz
An der Neuregelung gibt es durchaus auch Kritik, zum Beispiel vom Bundesverband der rechtlichen Betreuer/innen. Schließlich gibt es auch problematische Ehekonstellationen.
"Wenn der Gesetzgeber festlegt, dass automatisch der Ehepartner handlungsfähig ist im Bedarfsfall, dann hat derjenige, der jetzt in der Situation ist, kein Mitspracherecht, weder vorher noch nachher. Sondern dann ist es einfach so geregelt."
- Peter Berger, Bundesverband der Berufsbetreuer/innen, Erlangen
Das, so fürchten die Berufsbetreuer, könnte zum Beispiel bei der Frage nach der Unterbringung daheim oder in einer Pflegeeinrichtung zu Problemen führen.
"Dann gibt es keine Kontrolle. Wenn (hingegen) ein Betreuer das macht, dann gibt es eine Kontrolle durch das Gericht. Dann kann jemand nicht ohne Genehmigung des Gerichts ins Heim verlegt werden."
- Peter Berger, Bundesverband der Berufsbetreuer/innen, Erlangen
Rechtsanwalt Wolfgang Putz hält das Gesetz für nötig – aber warnt vor überzogenen Erwartungen.
"Das neue Gesetz hat einfach eine organisatorische Lücke durch einen Rettungsanker geschlossen. Ein Rettungsanker ist aber nie das, was man von Anfang an will. Denn es gilt nur vorübergehend und es gilt nur in Gesundheitsdingen. Für alles andere reicht das nicht, man braucht dann eben sehr wohl eine Vollmacht."
- Wolfgang Putz, Anwalt für Medizinrecht, München
Vorsorge bleibt wichtig
Das neue Ehegattennotvertretungsrecht soll Sicherheit bringen. Aber Experten mahnen:
"Das ist eine hilfreiche Notlösung, aber eben keine Dauerlösung, ersetzt also nicht die eigene Vorsorge."
- Sarah Kurzak, Patientenberaterin, Gesundheitsladen, München
Aktuell haben nur knapp fünfeinhalb Millionen Deutsche eine Vorsorgevollmacht. Auch Angelika Hähner hatte sich lange keine Gedanken darüber gemacht. Gesundheit! darf sie zu einem Beratungsgespräch im Gesundheitsladen in München begleiten. Patientenberaterin Sarah Kurzak klärt auf – zum Beispiel über den Unterschied zwischen Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung.
"In der Vollmacht wird bestimmt, wer für Sie handelt, also: Wer setzt meine Patientenverfügung um? Und in der Patientenverfügung selbst steht dann der Inhalt. Also: Wie möchte ich in schwierigen, kritischen Behandlungssituationen behandelt werden? Welche Maßnahmen lehne ich ab? In der Vollmacht ist es in der Regel wichtig, sie so auszustellen, dass wirklich alle typischen Alltagsangelegenheiten abgedeckt sind."
- Sarah Kurzak, Patientenberaterin, Gesundheitsladen, München
Für Tipps und Anleitungen, an welche Bereiche man in der Vollmacht denken sollte, gibt es zum Beispiel im Gesundheitsladen und im Buchhandel spezielle Broschüren mit Vordrucken. Entsprechende Formulare findet man auch auf der Website des Bundesjustizministeriums zum Download. Die Vollmacht kann man sich beim Notar oder bei den Betreuungsbehörden beglaubigen lassen.
Für Ehepaare gilt das neue Vertretungsrecht nur in medizinische Fragen
Auch die Dormeyers haben sich entschlossen das Thema Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung ein für allemal anzugehen. Denn auch für Ehepaare gilt das neue Vertretungsrecht nur in medizinische Fragen. Im Ernstfall geht es aber noch um viel mehr, zum Beispiel um Aufenthalts- und Wohnungsangelegenheiten, die Vertretung gegenüber Behörden und Versicherungen, den Zugriff auf Post und digitale Medien und natürlich um Geldangelegenheiten, wie dem Zugang zu Konten und Wertpapieren. Wer sich einmal die Mühe macht, all diese Fragen zu klären und schriftlich festzuhalten, hat die die Sicherheit, für den schlimmsten Fall vorgesorgt zu haben.