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„Dry January" Warum es sich lohnt, auf Alkohol zu verzichten

Viele starten mit guten Vorsätzen ins neue Jahr – z.B. damit, weniger Alkohol zu trinken, und nehmen an der Challenge „Dry January“ teil. Über 200 Krankheiten, von Herz-Kreislauferkrankungen bis Schädigungen des Nervensystems, können durch Alkoholkonsum entstehen. Alkohol steigert das Krebsrisiko, schädigt die Leber, löst im Magen Entzündungen aus, beeinträchtigt die Nerven-Verbindungen im Gehirn und lässt Gehirnzellen absterben. Gute Argumente für einen „Trockenen Januar“!

Author: Antje Maly-Samiralow

Published at: 16-1-2023

Alkohol steigert zweifelsohne das Wohlbefinden. Er euphorisiert, enthemmt und wirkt kontaktfördernd. Genuss, Wohlsein und Frohsinn sind gesundheitsstabilisierende Faktoren, die durchaus einen Wert für sich darstellen. Solange man seinen Konsum im Griff hat und problemlos darauf verzichten kann, ist Alkohol für viele Menschen ein Genussmittel, das ein gutes Essen aufwertet und mit dem man einen freudigen Anlass gebührend feiern kann.

Alkoholsucht

Problematisch wird es, wenn Alkohol zum Habitus wird, wenn man zum Essen automatisch einen Wein bestellt oder wenn man nur noch alkoholisiert entspannt und ausgelassen sein kann. Wenn man Alkohol sprichwörtlich braucht und nicht mehr selbstbestimmt konsumiert, ist der Schritt vom Genuss- zum Suchttrinken möglicherweise bereits getan.

"Das Risiko, vom Alkohol abhängig zu werden, ist individuell. Das Problem ist, dass man nicht vorhersehen kann, ob es mich trifft oder nicht. Das sind genetische Faktoren, die einfließen, Umweltfaktoren, die Verfügbarkeit von Alkohol, was im sozialen Umfeld vorgelebt wird, ganz viele Aspekte, die zusammenspielen. Letztlich kann es im Laufe des Lebens jeden treffen."

Judith Klein, Sozialpädagogin und Suchttherapeutin, Caritas Fachambulanz für erwachsene Suchtkranke München

Gerade in schwierigen Lebensphasen, in stressbelasteten Zeiten gerät Alkohol zum Notnagel und – wie Herbert Grönemeyer zu besingen wusste – „zum Sanitäter in der Not“. Was vorübergehend funktionieren mag, weil Alkohol zentralnervös tatsächlich beruhigend und entspannend wirkt, kann in eine Alkoholabhängigkeit führen, wenn man sich dieses Rettungsseils immer und immer wieder bedient. Dann wird aus dem Alkoholgenuss ein Alkoholmissbrauch, weil das Trinken, das Sich-Berauschen zur Lebensflucht gerät. Man wird geradezu süchtig nach diesem Zustand. Psychologen sprechen in diesem Zusammenhang auch von selbstschädigendem Verhalten. Männer driften deutlich häufiger in eine Alkoholabhängigkeit ab als Frauen.

"Nach dem Genuss von Alkohol schüttet unser Gehirn Endorphine und Dopamin aus, Botenstoffe, die letztlich dafür sorgen, dass wir uns wohlfühlen und entspannen. Das ist in unserem Belohnungssystem so angelegt."

Judith Klein, Sozialpädagogin und Suchttherapeutin, Caritas Fachambulanz für erwachsene Suchtkranke München

Darüber hinaus gibt es weitere Neurotransmitter, die dafür verantwortlich sind, dass die Signale von Nervenzelle zu Nervenzelle nicht so gut weitergeleitet werden. Nervenimpulse werden gedämpft und Reize treten in den Hintergrund. "Dadurch können wir einen Teil der Realität sprichwörtlich ausblenden. Das Problematische an diesen zunächst wohltuenden Effekte ist, dass unser Gehirn sich daran gewöhnt und wir immer höhere Dosen Alkohol brauchen, um diese Effekte zu erwirken“, erklärt Judith Klein.

Gesundheitliche Folgen des Alkoholkonsums

Der regelmäßige Alkoholgenuss, zumal größerer Mengen birgt jedoch nicht nur ein erhebliches Suchtrisiko und damit einhergehende Verhaltensänderungen. Alkohol ist ein Zellgift und als solches schädigt es Zellstrukturen und nachgelagert ganze Organe. Die gesundheitlichen Folgen reichen von Bluthochdruck, Herz-Kreislauferkrankungen über Diabetes bis hin zu Nervenschädigungen.

"Generell ist Alkohol ein Zellgift, dass zentralnervös wirksam ist und bei chronischem Konsum oder Missbrauch kognitive Veränderungen nach sich ziehen kann. Die Menschen haben dann Erinnerungsschwierigkeiten. Das kann sich bis zur Alkoholdemenz auswachsen. Andere leiden unter dem Wernicke-Korsakow-Syndrom. Dabei handelt es sich um eine Bewusstseinsveränderung, die dazu führt, dass die Patienten konfabulieren. Sie erzählen dann Dinge, die nicht wahr sind. Das sind Folgeschäden, die das Gehirn betreffen. Aber auch die peripheren Nerven können durch vermehrten Alkohol geschädigt werden, was Missempfindungen an Hand- und Fußflächen nach sich ziehen kann."

Prof. Dr. med. Florian Eyer, Facharzt für Innere Medizin und Klinischer Toxikologe, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München

Alkoholbedingte Krebserkrankungen

Alkohol steht im Verdacht, Krebs auszulösen. Dem Alkoholatlas Deutschland 2022 zufolge, der vom Deutschen Krebsforschungszentrum herausgegeben wird, lassen sich für 2022 Schätzungen zufolge etwa 20.000 Krebsneuerkrankungen auf den Konsum von Alkohol zurückführen. Dies gilt insbesondere für Krebserkrankungen des Verdauungstraktes, von der Mundhöhle, dem Rachen, der Speiseröhre, dem Magen, der Leber, der Bauchspeicheldrüse sowie des Darms.

Für Magen- sowie Bauchspeicheldrüsenkrebs wird ein kausaler Zusammenhang vermutet, vor allem bei hohem Alkoholkonsum. "Äthanol, also Alkohol wird zu Wasser und Kohlendioxyd verstoffwechselt, aber als Zwischenschritt entsteht ein toxisches Produkt, nämlich Acetaldehyd, das viele Organe schädigt und von dem man auch annimmt, dass es bei der Krebsentstehung eine Rolle spielt“, so Professor Eyer.

Alkohol und Darmerkrankungen

Von 20.000 vermuteten Krebsneuerkrankungen für das Jahr 2022 entfallen allein 45 % auf den Darm. Das wären 9.000 Darmkrebserkrankungen, die unter anderem dem Alkoholkonsum zuzuschreiben wären.

"Was wir hier sehen, ist, dass die Anzahl der Darmkrebserkrankungen zugenommen hat. Das gilt insbesondere für weit fortgeschrittene Erkrankungen, wenn sich die Patienten erst mit einem Darmverschluss bei uns vorgestellt haben. Wir fragen jeden Patienten u.a. auch nach dem Alkoholkonsum. Und es gibt fast jeder Patient an, dass er Alkohol trinkt. Alkohol ist zwar nur ein Cofaktor, aber den darf man nicht außer Acht lassen."

PD Dr. med. Jeannine Bachmann, Fachärztin für Chirurgie und Viszeralchirurgie, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München

Alkohol schädigt die Darmgesundheit auch in anderer Hinsicht, wie Professor Eyer bestätigt: "Alkohol beeinträchtigt die Barrierefunktion der Darmschleimhaut, was dazu führt, dass Toxine und pathogene Keime in die Blutbahn geraten können. Darüber hinaus beeinflusst Alkohol die Zusammensetzung des Mikrobioms, insofern, als die Diversität der Darmflora beeinträchtigt wird. Ungünstige Bakterien nehmen unter Alkohol eher zu, während gesundheitsförderliche Bakterien eher abnehmen."

Alkohol in der Schwangerschaft

Bereits der Genuss geringer Mengen Alkohol während der Schwangerschaft kann nachhaltige Schäden beim Fötus nach sich ziehen. Das können Wachstumsstörungen, Fehlbildungen sowie Schädigungen des Zentralen Nervensystems sein, die sich in Verhaltensauffälligkeiten und einer verminderten Intelligenz des Kindes manifestieren können.


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