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Ganzkörpertraining für jedes Alter Bouldern für mehr Koordination und Beweglichkeit

Bouldern macht nicht nur Spaß, sondern ist auch gut für die Gesundheit. Dabei werden Koordination, Balance und Beweglichkeit geschult – ein Ganzkörpertraining für jedes Alter.

Von: Agnieszka Schneider

Stand: 05.05.2023

Reporterin Veronika Keller will es mit einem Felsen aufnehmen und zwar ohne Seil und ohne Gurt. Bouldern ist Trendsport. Man kann dabei auch etwas für seine Gesundheit tun. Aber bevor sie sich das traut, lässt sie sich die Grundzüge in der Kletterhalle in Kempten zeigen. Ihr Coach ist Philipp Martin, deutscher Boulder-Meister. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Bouldern und Klettern?

"Beim Klettern ist mehr die Ausdauer gefragt. Es geht hoch, deswegen braucht man mehr Ausdauer. Beim Bouldern sind die Züge viel ausgefallener, weil man halt viel mehr Versuche hat."

Philipp Martin, Deutscher Boulder-Meister 2020

Bouldern und Gesundheit

Bouldern hilft gegen Depressionen und Rückenschmerzen.

Bouldern ist nicht nur ein anspruchsvoller Sport. Auch verschiedene Krankheiten können damit gezielt therapiert werden. Bouldern hilft gegen Depressionen, ist optimale Sturzprävention und kann bei Rückenschmerzen helfen. Physiotherapeut Andreas Rohrmoser bringt dafür die Patienten "an die Wand". Warum tut Bouldern dem Rücken denn so gut?

"Es liegt an der Ganzkörperspannung. Bedeutet: Wir haben Muskelschlingen, der Körper befindet sich über die bestimmte Diagonale und diese Muskelschlingen werden die ganze Zeit aktiviert. Das heißt durch das Weitergreifen, durch das Halten, durch das Verlagern ist die Muskulatur ständig unter Spannung, stabilisiert und entlastet gleichzeitig die Wirbelsäule."

Andreas Rohrmoser, Physiotherapeut, Immenstadt

Das ist besonders wichtig für Heidi, denn sie sitzt viel in ihrem Job. 

"Wenn wir weiter greifen wollen und die Diagonale vom Rumpf trainieren wollen, dann nimmt sie z. B. ein Fuß nach außen, greift hier und versucht mit der Hand sich so weit wie möglich lang zu machen. Und dort sehen wir sehr schön diese Diagonalen. Das bedeutet wirklich, von der Zehenspitze bis zu den Fingern."

Andreas Rohrmoser, Physiotherapeut, Immenstadt

Bouldern als Gesamtkonzept für den ganzen Körper, die ganze Muskulatur, für das geistige Wohlbefinden und natürlich letztlich für den Rücken. Auch Veronika Keller merkt schnell die Beweglichkeit und Kraft in der Schulterpartie und im Rücken. Sie ist inzwischen warm geklettert.

Balance und Reaktionsfähigkeit sind besonders wichtig.

Aber Bouldern ist nicht nur ein gutes Krafttraining, sondern schult Gleichgewicht und Reaktionsvermögen. Denn gerade, wenn es um Sturzprävention geht, sind Balance und Reaktionsfähigkeit besonders wichtig.

Sturzprävention und Geschicklichkeitstraining

Da Valentin gerne in die Berge geht, braucht er einen sicheren Tritt. Speziell für dieses Training eignet sich eine nach innen geneigte Wand. Das Gehen wird geschult. Aber was genau wird dabei trainiert?

"Es geht vor allem um die Reaktivität der Sturzfähigkeit. Das bedeutet, wenn ich mal irgendwo stolpere oder falle, brauche ich eine schnelle Reaktion. Ich brauche Kraft in den Beinen, um mich abfangen zu können. Ich brauche das Gleichgewicht, um mich kurz über eine Situation drüber hangeln zu können. Valentin ist hinten schon fleißig am Balancieren. Man sieht super gut, wie er Spannung in den Beinen braucht, kann dann wieder ein bisschen in die Hocke gehen und die Beinmuskeln wieder ein bisschen mehr zu aktivieren und dann wieder das Gewicht verlagern, bisschen zu mir kommen und wieder auf die andere Seite."

Andreas Rohrmoser, Physiotherapeut, Kimmenstadt

Auch Valentin merkt, dass ihm das Training etwas bringt.

"Man hat in einem gewissen Alter mehr Angst davor, dass man umknickt und dass man sich verletzt und das ist super Training dafür, um vernünftig vorbereitet zu sein auf größere Bergtouren."

Valentin

Die geringe Absprunghöhe beim Bouldern ist außerdem eine gute Möglichkeit, um eine Strategie des "Fallens" zu entwickeln. Laut TÜV dürfen Boulder-Wände maximal 4,5 Meter hoch sein. Es bleibt trotzdem immer eine Herausforderung für den ganzen Körper.

Bouldern am echten Fels

Ausgerüstet mit Matten wollen Reporterin Veronika Keller und die Bouldergruppe an einem Felsen im Freien klettern. Früher wurde das Bouldern ausschließlich im Freien an Felsblöcken – Englisch "Boulder" – betrieben. Das seillose Klettern wirkt sich positiv auf die Stimmung aus – das hat eine Pilotstudie der Universität Erlangen gezeigt. Vor allem für Max ist das wichtig. Wie ist er zum Bouldern gekommen?

"Ich bin erstmal durchs Klettern zum Bouldern gekommen. Ich hatte eine Depression mit schweren depressiven Episoden und da hat mir das Klettern sehr viel geholfen. In erster Linie tatsächlich dabei, Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen zu bekommen. Ich habe gesehen: O.k. ich kann irgendetwas und es macht mir Spaß und gibt mir viel zurück."

Max

Auf der Alpe Kammeregg liegt, an einer gut im Wald versteckten Stelle, ein Felsblock aus Sandstein. Schwierigkeitsgrad: mittel. Philipp zeigt die großgriffigen Querungen und Minileisten – Griffe im Fels, an denen man sich festhalten kann. Boulder-Matten sind jetzt unverzichtbar, ebenso die Unterstützung der gesamten Gruppe. Warum ist es so, dass beim Bouldern nicht nur der Körper profitiert, sondern auch die Psyche?

"Weil man sich sehr fokussieren muss auf das was man tut. Das bedeutet, man hat Griff, man hat Tritt, man will genau dahin kommen, man muss sich auf den Moment konzentrieren und das funktioniert nur, wenn man in dem Hier und Jetzt dort ist und das Außen rundherum vergisst."

Andreas Rohrmoser, Physiotherapeut, Immenstadt

Dank der Boulder-Community kann Max auf ein sicheres soziales Umfeld zurückgreifen – auf Menschen, die ihn auffangen, wenn es ihm nicht gut geht. Philipp Martin führt vor, wie Bouldern am Felsen geht. Dieses Jahr wurde der Trendsport Bouldern sogar als Disziplin bei den Olympischen Spielen aufgenommen. Fazit: Egal ob drinnen oder draußen, Bouldern macht Spaß und nutzt sogar der Gesundheit.   


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