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Vernachlässigte Muskelgruppe Warum ein starker Beckenboden so wichtig ist!

Der Beckenboden ist eine oft vernachlässigte Muskelgruppe. Meist findet er erst dann Beachtung, wenn Frauen nach einer Geburt Angst vor Inkontinenz haben. Was können sie tun? Und was genau ist der Beckenboden überhaupt?

Von: Nora Zacharias

Stand: 25.04.2023

Wie kann man seinen Beckenboden stärken? Das erfahren Frauen in einem Rückbildungskurs wie bei Physiotherapeutin Ramona Weigert. Sechs bis acht Wochen nach der Entbindung kann man das Training starten.

"Der Beckenboden lockert sich ja auch während der Schwangerschaft. Der hatte sehr viel Gewicht, was er tragen musste. Die Geburt und die Wehen und so weiter. Das führt alles dazu, dass der Beckenboden viel weicher ist. Dass er nicht mehr so gekräftigt ist. Deswegen ist es so wichtig, die Rückbildung zu machen."

Ramona Weigert, Physiotherapeutin, München

Die Mütter Andra, Christine und Susi merken schnell, dass die Rückbildung harte Arbeit sein kann und die richtige Atmung entscheidend ist. Erst einmal geht es darum, seinen Beckenboden überhaupt wahrzunehmen. Um diese Muskulatur anzusteuern, braucht es Konzentration.

Erklärung: Wo genau befindet sich der Beckenboden?

Eine Platte aus Muskeln und Bindegewebe verläuft wie eine 8 um die Körperöffnungen.

Die Platte aus Muskeln und Bindegewebe schließt das Becken nach unten ab, stützt die Eingeweide und den Rücken. Sie umschließt Harnröhre, Scheide und After.

Die äußere Schicht verläuft hier wie eine 8 um die Körperöffnungen. Sie sorgt dafür, dass man Blase und Darm schließen kann. Die mittlere Schicht ist die Stütze für Blase und Gebärmutter. Die innerste Schicht läuft vom Steißbein zum Schambein und der Hüftmuskulatur.

Regelmäßig üben und bestimmte Belastungen meiden

Im Rückbildungskurs werden Beckenboden- mit Bauchmuskel-Übungen kombiniert.

Im Rückbildungskurs bei Ramona Weigert werden Beckenboden- mit Bauchmuskel-Übungen kombiniert. Denn eine kräftige Bauchmuskulatur entlastet den Beckenboden. Eine Übung: Das Becken nach hinten kippen und Wirbel für Wirbel nach oben rollen.

Das Training muss regelmäßig wiederholt werden, einmal pro Woche reicht nicht aus. Da die Übungen für viele Mütter komplettes Neuland sind, bekommen sie Hausaufgaben – und den Auftrag, ihren Beckenboden im Alltag nicht allzu sehr zu belasten. 

"Gerade Joggen ist zum Beispiel eine absolute High-End Belastung für den Beckenboden. Alles was so eine Stoßbelastung hat, ist für den Beckenboden erst mal zu vermeiden!"

Ramona Weigert, Physiotherapeutin, München

Wenn der Rückbildungskurs nicht ausreicht

Bei manchen Frauen reicht der Rückbildungskurs nicht aus. Doch auch dann gibt es Möglichkeiten.

Bei manchen Frauen reicht der Rückbildungskurs allerdings nicht aus. Es kann durchaus sein, dass im späteren Verlauf noch Beckenboden-Probleme auftreten. Davor warnt auch Physiotherapeutin Anna Dworzak vom Isar-Klinikum München.

"Man darf nicht vergessen, dass jetzt die meisten Frauen stillen. Das heißt, wir haben Hormone, die das Gewebe zusätzlich weich halten. Und dann ist noch die Alltagsbelastung, weil wir das Baby viel tragen müssen."

Anna Dworzak, Physiotherapeutin, Beckenbodenzentrum Isar-Klinikum München

Was kann im schlimmsten Fall passieren?

"Die Schwäche vom Beckenboden, die äußert sich jetzt klassischerweise so, dass Urin abgeht beim Husten und Niesen. Und das zweite ist eher eine Senkung von den Organen. Dass die Frauen eher einen Druck nach unten im Becken merken."

Anna Dworzak, Physiotherapeutin, Beckenbodenzentrum Isar-Klinikum München

Pessare für Frauen mit schwächerem Bindegewebe

In einem solchen Fall können sogenannte Pessare dabei helfen, das Bindegewebe zu stützen. Wie funktioniert das genau?

"Vereinfacht gesagt: Wenn Sie sich vorstellen, sie haben ein Band vom Bauchnabel zur Blase. Und wenn Sie eine Senkung haben, ist dieses Band überdehnt und zu lang. Wenn man jetzt das Pessar in die Scheide einführt, dann wird das oben gehalten und das Band ist verkürzt und kann auch dadurch keinen weiteren Schaden nehmen. Wenn Sie sonst husten oder niesen, bekommen sie immer Druck auf dieses Band. Das schützt quasi diese Bänder."

Anna Dworzak, Physiotherapeutin, Beckenbodenzentrum Isar-Klinikum München

Frauen, die einen ständigen Druck spüren, sollten das Pessar tagsüber tragen und mit ihm trainieren. In der Stillzeit kann es zur Prophylaxe eingeführt werden, zum Beispiel beim Joggen. Nach der Geburt wäre es laut Anna Dworzak wünschenswert, dass man bei Nachuntersuchungen immer den Beckenboden mittasten lässt und den Frauen, die ein bisschen ein schwächeres Bindegewebe haben, präventiv auch ein Pessar mitverordnet.

Richtiges Heben, Husten und Niesen im Alltag

Auf das richtige Heben kommt es an!

Im Alltag sollten Frauen auf das richtige Heben achten. Und auch wenn es nicht ganz elegant aussieht: Rücken gerade halten, in die Knie gehen und nicht ganz steil nach unten gehen, den Po nach hinten rausschieben. Dann ist das Gewicht auf den Hüftgelenken und nicht auf den Weichteilen.

Wenn man gekrümmt sitzt und hustet, spürt man, wie tief der Druck nach unten geht. Besser ist es, sich gerade hinzusetzen, den Rücken lang zu machen – und den Kopf vor dem Husten zur Seite zu drehen. Denn wenn man geradeaus hustet, geht der Druck im Körper gerade runter. Wenn man aber zur Seite hustet, verläuft der Druck schräg und geht mehr an den Knochen.

Letzte Möglichkeit: Operation des Beckenbodens

Wenn aber das Training und selbst die Pessare nichts bringen, gibt es noch die Möglichkeit den Beckenboden zu operieren. Bei ihren Beckenbodenproblemen von Ellen Brügel zum Beispiel haben präventive Maßnahmen nicht mehr geholfen.

Sie ist 68 Jahre alt. Mit Mitte 30 hat sie zwei Kinder bekommen. Ihre Beckenboden-Senkung bemerkte sie erst einige Jahre nach der zweiten Geburt. 

"Das war ein schleichender Prozess, der irgendwann darin gipfelte, dass ich zum Arzt ging und gesagt habe, ich habe Probleme mit dem Wasserhalten."

Betroffene Ellen Brügel, die sich einer Beckenboden-OP unterziehen musste

Jede dritte Frau in Deutschland leidet gelegentlich an Inkontinenz

Die Diagnose: Eine starke Gebärmuttersenkung. Die Gebärmutter muss entfernt werden, aber die Inkontinenzprobleme halten an. Ein Blasenband mildert die Probleme nur kurzfristig. Das Band wurde letzte Woche erneuert. Die Hoffnung ist groß, dass es ihr langfristig bessergeht.

Was wurde bei der OP gemacht?

"Wenn man sich das sehr vereinfacht vorstellt: Ist das Bindegewebe defekt, dann hustet die Patientin oder hüpft oder so und dann kommt da Urin raus. Und wenn man die Schlinge einlegt, dann wird hier die Harnröhre gestützt. Und wenn man dann hustet, dann drückt sich die Harnröhre hier so auf dem Band zusammen. Im Prinzip ersetzt das Band das defekte Bindegewebe."

Prof. Dr. med. Ursula Peschers, Direktorin, Fachärztin für Gynäkologie, Beckenbodenzentrum Isar-Klinikum München  

Etwa jede dritte Frau in Deutschland leidet zumindest gelegentlich an Inkontinenz. Im höheren Lebensalter sind es deutlich mehr. Umso wichtiger, dass Frauen sich frühzeitig informieren und alles Nötige für die so wichtige Muskelgruppe im Beckenboden einfordern.


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