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Slowakei Wie Kinder Verantwortung lernen

Dieses Dorf ist anders: Stiavnicke Bane in den Schemnitzer Bergen der Mittelslowakei. Friedlich wirkt es, doch Geheimnisvolles liegt in der Luft.

Von: Monique Juncker

Stand: 08.03.2015 | Archiv

Eine Schülerin mit einem Raubvogel | Bild: BR

Besser: Fliegt durch die Luft. Die neuen Freunde der Schulkinder: Raubvögel.

"Am Anfang hatte ich Angst vor den Vögeln", sagt die zwölfjährige Sara. "Jetzt nicht mehr, nicht einmal vor dem Adler."

Pavel Michal

Dafür ist er verantwortlich: Direktor Pavel Michal hat die Raubvögel zum Schulfach gemacht. Mit dieser außergewöhnlichen Idee hat er seine Schule gerettet. Er machte die Falknerei zum Pflichtfach für alle Schüler der siebten bis neunten Klasse. Doch auch die Erstklässler sind begeistert.

"Die Schüler lernen Verantwortung für die Vögel zu tragen, denn sie müssen jeden Tag für sie da sein, auch in den Ferien. Sie lernen, Entscheidungen zu fällen und Geduld zu haben, weil sie mit lebenden Tieren arbeiten. Das ist wirklich sehr wichtig."

Pavel Michal, Schuldirektor Stiavnicke Bane

Und muss gelernt werden: Die Lehrerin erklärt die Einzelheiten der Ausrüstung, übt die richtige Haltung der Tiere.

Sara zeigt, wie man dem Adler die Haube richtig aufsetzt, auch wenn Nixon, der Amerikanische Weißkopfseeadler, dazu eine andere Meinung hat. Von Sara lernt er, wer hier der Chef ist.

40 Vögel besitzt die Schule mittlerweile. Ein kleiner Schatz - einzelne Tiere kosten mehr als 5000 Euro.

Die jüngsten Schüler kümmern sich um die Eulen, füttern ihnen tote Küken – völlig ohne Berührungsängste. Die Älteren trainieren Geier, Adler und Falken.

"Einer der schwierigsten Schritte ist, wie man das Futter richtig auf den Handschuh legt. Die Vögel sollen ja nur das Fleisch angreifen und nicht die Schüler."

Pavel Michal, Schuldirektor

"Es ist ein tolles Gefühl, wenn der Vogel macht, was ich ihm antrainiert habe, obwohl er ein Raubvogel ist."

Schülerin Sara

Die Nähe von Natur und Mensch – das Geheimnis von Stiavnicke Bane. Die Region ist seit dem Mittelalter ein Zentrum des Gold- und Silberbergbaus. Davon ist heute immerhin noch ein Titel übrig: "UNESCO-Weltkulturerbe". Die 800 Einwohner leben von Tourismus, Schnitzerei, manche von Forstwirtschaft. Viele sind arbeitslos.

"Schauen sie doch auf die Lage. Unser Dorf ist durch die Berge schwer zugänglich. Investoren kommen hier nicht her. Außerdem dürfen im UNESCO-Gebiet sowieso keine Fabriken gebaut werden."

Stanislav Neuschl, Bürgermeister Stiavnicke Bane

Das Dorf braucht eine Strategie für die Zukunft. Seine Idee ist ein Anfang, so ungewöhnlich wie naheliegend. Er brachte die Natur ins Klassenzimmer – mit wilden Vögeln:

"Die Falknerei kann den Schülern Türen öffnen: Sie können auf Flughäfen arbeiten, bei Züchtern oder Ausstellungen. Und wenn sie in der Slowakei keinen Job finden, können sie genauso gut im Ausland arbeiten."

Pavel Michal, Schuldirektor Stiavnicke Bane

Erste Erfahrungen sammeln die Schüler bei Präsentationen in ganz Europa. Erste Kontakte haben sie in die Arabischen Emirate, über die Falken, die gefiederten Lieblinge der Scheichs.

Der Einsatz ist hoch. Alle müssen mitmachen: Lehrer, Schüler und Familien, auch Saras Familie, für die sich mit den Vögeln einiges geändert hat:

"Solange Sara nur im Unterricht mit den Vögeln zu tun hatte, war das überhaupt kein Problem. Aber seit sie ihren eigenen Falken betreut, muss sie auch am Wochenende hin. Das hat unsere Prioritäten als Familie völlig verschoben."

Katarina Paksiova, Mutter von Sara

Für Sara steht fest: Die Falknerei ist ihr Lieblingsfach und sie schmiedet schon Zukunftspläne. Sie will Tierärztin werden.

Für Pavel Michal konnte es kaum besser kommen: Seit er die Falknerei eingeführt hat, wechselten 50 Schüler aus Nachbarorten zu ihm. Die Vögel haben die Schule gerettet. Ein Lichtblick für Stiavnicke Bane, vielleicht sogar für die ganze Region.


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Peter Misof, Sonntag, 08.März 2015, 18:04 Uhr

1. Der Bericht über die Schule. die die Falknerei zum Schulfach gemacht hat

Als Inhaber eines Jagdscheines und auch eines Falknerjagdscheines kann ich nur Hochachtung für den Schulleiter, der ein solches Projekt in´s Leben gerufen hat, empfinden!!

Das Arbeiten mit Vögeln ist die Hohe Schule der Jagd!! Damit verbunden ist das maximale Verständnis für die "Denkweise" der gefiederten Partner. Das verlangt schon Erwachsenen viel ab. Für Kinder und Jugendliche ist das damit verbundene Naturerlebnis sicher noch eindrucksvoller und einprägsamer. Hut ab!!

Ich würde dieses Projekt gerne mit einer kleinen Spende von 250 € unterstützen. Bitte stellen Sie den entsprechenden Kontakt für mich her.

Im Voraus vielen Dank und "Falknersheil"

Peter Misof