BR Fernsehen - EUROBLICK


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Schweiz In der Währungsfalle

Jetzt wird es eng für die Exportwirtschaft nach der Entscheidung der Schweizer Notenbank.

Von: Nils Kopp

Stand: 22.02.2015 | Archiv

Ein Schaufenster | Bild: BR

"Das war für uns eine komplette Überraschung, wie aus heiterem Himmel."

Werner Heer, Diener AG

Und auch der Tourismus ist davon betroffen und damit die Gastgeber in den Schweizer Wintersportorten.

"Im ersten Moment war‘s ein Schock, wir waren überrascht, auf dem linken Fuß erwischt."

Pascal Jenny, Tourismusleiter Arosa

Prof. Jan-Egbert Sturm

Tourismus und Export – von beidem lebten die Schweizer bisher. Nun stehen sie vor neuen Herausforderungen.

"Jetzt müssen wir auf eigenen Beinen stehen. Das ist in gewissen Bereichen nicht ganz so einfach."

Prof. Jan-Egbert Sturm, Finanzwissenschaftler

Sofort, als die Schweizer Notenbank die Kursbindung zum Euro aufhob, begann der Franken rasant im Wert zu steigen: Statt früher 1,20 kostete der Euro nur noch einen Franken. Darunter leidet die Exportwirtschaft wie der Betrieb Diener in der Nähe von Zürich: Zahnimplantate aus Titan werden hier unter anderem hergestellt, Kunden gibt es weltweit. Nun sind Einsparmöglichkeiten gefragt. Lohnkürzungen vielleicht? Der Schweizer Bundesrat hat vor wenigen Wochen beschlossen, im Notfall Kurzarbeit mitzufinanzieren.

"Darum ist dieses Angebot möglicherweise schon ein Angebot für uns, dass wir auch Kurzarbeit aufgrund der Währungssituation einleiten können. Das sind wir gerade am aktiv überlegen, ob wir das müssen. Tatsache ist, es trifft uns, wir müssen reagieren. Wer nicht reagiert, ist früher oder später weg."

Werner Heer, Diener AG

Und auch für Touristen aus dem Ausland sind die Preise gestiegen, zum Beispiel in Arosa im Kanton Graubünden. Hier zahlt der Gast pro Übernachtung rund 200 Franken. Eine Pizza mit Getränk kostet 30, ein Skipass 70 Franken – zusammen 300 Franken pro Tag und Person. Waren das schon stattliche 250 Euro, so sind es jetzt rund 290.

Pascal Jenny

Pascal Jenny von der Tourismusbehörde musste deshalb für die nächsten Monate deutlich weniger Buchungen als in den Vorjahren verzeichnen. Doch immerhin: die Gemeinde versucht sich zu wehren, mit einer neuen Internetseite: Wir bieten Mehrwert Punkt C-H.

"Wir haben eigentlich gesagt, dass wir sehr viel bieten, dass wir Mehrwerte bieten, die wir nicht so deutlich nach außen kommunizieren, wo der Gast vielleicht gar nicht weiß, was er alles für sein Geld kriegt. Und so haben wir die Plattform 'Wir bieten Mehrwert' ins Leben gerufen und haben dort aufgeführt, all das, was wir dem Gast kostenlos zur Verfügung stellen."

Pascal Jenny, Tourismusleiter Arosa

Und das gehört dazu: Eine kostenlose Schneeschuhwanderung, geführt vom Hoteldirektor höchstpersönlich. Oder ein kostenloser Skikurs für die Kinder, die Nachfrage ist enorm. Dann gibt es noch einen kostenlosen Bus, eine kostenlose heiße Schokolade - man überschlägt sich förmlich, um günstige Angebote zu schaffen.

"Im Moment sind wir an einer Idee dran, dass wir den Gästen nächsten Sommer die Anreise schenken möchten, wenn man bei uns übernachtet. Und da sind große Projekte, wo man tagtäglich dran arbeitet und das macht auch Spaß."

Pascal Jenny, Tourismusleiter Arosa

Angebote, neue Ideen – Finanzwissenschaftler Jan-Egbert Sturm meint, dass jetzt noch mehr Schweizer Exklusivität gefragt sein wird, um auf dem Markt zu überleben.

"Wenn es jetzt immer noch Produkte 'Made in Switzerland' hat, dann müssen das wirklich sehr hochwertige Produkte sein, sehr innovative Produkte sein – Produkte mit einer Extraklasse."

Prof. Jan-Egbert Sturm, Finanzwissenschaftler

Wie zum Beispiel auch die Uhren der Firma H. Moser, die in Neuhausen gleich neben der deutschen Grenze hergestellt werden. 45 Mitarbeiter sind hier beschäftigt. Rund tausend Uhren werden pro Jahr verkauft, eine im Schnitt für 23.000 Franken. Dafür zahlte der Kunde in Euro nach dem Notenbankbeschluss knapp 4000 mehr als zuvor. Und davor schrecken selbst die gut Betuchten zurück.

"Wir machen alles selbst. Das kostet sehr viel Geld, und so eine Entscheidung hat natürlich einen großen Einfluss. 20 Prozent – in zwei Sekunden waren unsere Uhren um 20 Prozent teurer für alle unsere europäischen Kunden. Wir haben überall in der Firma uns angeschaut, und zwar sofort, was können wir sparen. Es geht um kleine Sachen wie Kaffee. Früher haben wir den Kaffee kostenlos an unsere Mitarbeiter gegeben. Das machen wir leider jetzt nicht mehr."

Edouard Meylan, Geschäftsführer H. Moser & Cie

Edouard Meylan war so erbost über die Entscheidung der Notenbank, dass er in einem offenen Brief an die Bank damit drohte, zukünftig im benachbarten Deutschland zu produzieren.

"An der anderen Seite der Grenze, hier zwei Kilometer, mit den gleichen Mitarbeitern, warum nicht?"

Edouard Meylan, Geschäftsführer H. Moser & Cie

Ins Ausland umziehen – das erwägen derzeit viele Firmen. Nur der Tourismus kann seine Berge nicht versetzen. In Arosa versucht aber dennoch ein Händler mit dem starken Franken klarzukommen: Indem er seinen Kunden einen Rabatt gewährt, wenn sie selbst mit dem Euro zahlen, wird immer noch nach altem Kurs eins zu eins-zwanzig umgerechnet. Hier kann man sich das leisten.

"Wir sind quasi die Schweizer Nationalbank geworden mit dem eins-zwanzig Wechselkurs und sind der Meinung, dass unsere Aktion nicht primär eine monetäre Geschichte sein soll, sondern viel mehr eine Sympathiegeschichte im Sinne von Dank und Wertschätzung an die Kundinnen und Kunden aus dem Euro-Raum."

Pedro Hold, Inhaber Arosa Schatz Sport

Euro-Rabatt, damit die Kunden mehr kaufen oder, damit die Kunden überhaupt etwas kaufen?

Es gibt aber auch Orte, wie Savognin im Nachbartal, in denen zahlungskräftige Besucher seltener ihren Urlaub verbringen. Hier mussten Hotels schließen, Ferienwohnungen stehen leer, und nach der Notenbankentscheidung stornierten die Gäste im Hotel Piz Mitgel sofort. Und der Hotelchef Sepp Waldegg musste seine Mitarbeiter für eine Woche zwangsweise beurlauben.

"Ich glaube, dass viele Betriebe die Segel streichen müssen, schon bald, weil es sind alle schon länger unter Druck und die Überlebenden schlussendlich werden dann wieder mal eine gute Zeit haben."

Sepp Waldegg-Noseda, Inhaber Hotel Mitgel, Savognin

Da dabei zu sein, hoffen auch die Tourismusbetreiber in Arosa. Denn mit viel Geld und innovativen Ideen haben sie gerade eine neue Gondelbahn zum benachbarten Schigebiet Lenzerheide gebaut – für 24 Millionen Franken, damit die Touristen so sehr an den Ort gebunden werden, dass sie auch immer wieder kommen, egal wie stark der Franken auch ist.


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