BR Fernsehen - EUROBLICK


0

Russland Der ewige Präsident

Viele russische Jugendliche kennen keinen anderen Präsidenten als Wladimir Putin. Jetzt dürfen die Russen wieder wählen – das Ergebnis ist absehbar.

Von: Udo Lielischkies

Stand: 25.02.2018 | Archiv

Putin-Plakat | Bild: BR

Nein, offiziell ist das keine Wahlveranstaltung. "Russland in meinem Herzen" heißt die landesweite Demonstration patriotischer Gefühle: Gedenken an den Sieg in Stalingrad, Protest gegen die Sperrung ihrer Olympioniken. Alles ist gut organisiert, viele Jugendliche sind auf dem Platz; aus dem Moskauer Umland sind sie mit Bussen hergebracht worden, berichten sie:

"Ihr müsst kommen, sagten sie uns, als wir aus der Fachschule kamen. Also sind wir gekommen."

Natalia, Auszubildende einer Bank

Die von Putin gegründete Gesamtrussische Volksfront ist besonders aktiv:

"Etwa 1000 von der Volksfront-Jugend sind hier."

Dmitri

Nachdem junge Russen die Anti-Putin-Proteste dominierten, will der Kreml jetzt zeigen: Auch die Jungend steht zu Russland, und damit hinter Putin. Denn beides ist längst zu einer patriotischen Einheit verschmolzen.

Junge Russen kennen nur ihn als Präsidenten: Er war es schon, als sie geboren wurden. Und Putin redet sympathisch, ermahnt und ermutigt, trifft den richtigen Ton. Der Jubel wirkt echt, und die Auftritte werden landesweit im Fernsehen verbreitet.

Ljusja Schten

Putins Gegenkandidaten haben weniger prachtvolle Kulissen: Ksenia Sobtschaks Anhänger haben eine Video-Verbindung zum Putin-Kritiker Chodorkowski aufgebaut.
Ljusja koordiniert Sobtschaks Wahlstab in Moskau. Sie ist erst 21; die meisten hier sind jung. Ljusja ist seit Herbst Bezirksabgeordnete – ein Überraschungserfolg der Opposition in Moskau machte es möglich. Frechheit siegt: Ein Gipsabdruck ihrer Brust, demonstrativ im Internet verbreitet, als politische Aussage: Ljusja stellt sich vor die Bewohner vom Abriss bedrohter Häuser. Originell und unerschrocken gehen viele junge Oppositionäre die zementierten Herrschaftsstrukturen an. Nur ein Prozent für Sobtschak ist die Wahlprognose, weiß auch Ljusja. Ihr politisches Programm ist chancenlos bei Putins patriotischen Anhängern:

"Sobtschak hat als einen Schwerpunkt die Forderung nach kostenloser Ausbildung. Ihr Programm betont die Rechte von Homosexuellen, auch auf Heirat, und sie weist, wie Nawalny, auf die Armut in der Bevölkerung hin."

Ljusja Schten

Ein kleines Zelt auf dem Triumph-Platz: fast alle der Sobtschak-Aktivisten hier sind Anfang 20. Die Kandidatin kommt: Ksenia Sobtschak, als Party-Girl und dann als freche Journalistin bekannt geworden. Ihre Kritiker sind skeptisch: Sobtschak ist ein vom Kreml gewünschter Farbtupfer im ansonsten todlangweiligen Wahlkampf, glauben sie. Ins Fernsehen schafft sie es trotzdem selten:

"Ja, es gibt keinen gleichen Zugang zu den Massenmedien, darum sind diese Wahlen auf keinen Fall fair. Überall ist Putin. Darum reden wir auch nicht von einem möglichen Sieg. Bei uns gewinnt immer nur ein Kandidat."

Ksenia Sobtschak

Und schon ist sie wieder weg. Im kalten Zelt sammeln ihre Freiwilligen weiter Unterschriften. Was sagen sie zum Vorwurf, als 'nützliche Idioten' des Kreml eine Wahl zu legitimieren, die in Wahrheit gar keine ist?

"Die Regierung begreift, dass es Alternativen zu Putin geben muss. Die Unzufriedenheit wächst und die Leute sollen ja wählen. Darum hat sie Sobtschak zur Wahl zugelassen. Die haben ihre Pläne und wir unsere. Ich bin sicher, dass Ksenia ihre nicht mit dem Kreml abgesprochen hat."

Michail

"Putin, hau ab!" Die Polizisten greifen zunächst nicht ein, obwohl die meist jungen Nawalny-Anhänger ohne Genehmigung durch Moskaus Zentrum marschieren. Sie fordern, die Wahl zu boykottieren, nachdem Nawalny nicht zugelassen wurde. Mischa ist erst 17. Bei der letzten Demonstration wurde er festgenommen. Erst nachts kam er wieder frei. Sein Direktor erfuhr davon; Mischa musste die Schule verlassen. Warum riskiert er es heute trotzdem wieder?

"Das ist Protest gegen diese Veranstaltung, die sie Wahl nennen, die aber in Wahrheit keine ist."

Mischa

"Putin, das ist doch Personenkult", meint Iwan: "Über Nawalny haben die Medien zuerst nur negativ berichtet: Dass er ein US-Agent sei, alles mögliche, nicht ehrlich. Inzwischen haben sie aber sogar Angst bekommen, überhaupt über ihn zu reden, um ja keine Werbung für ihn zu machen."

"Diebe und Gauner" nennt ihr Favorit Nawalny die Regierenden. Auch wenn er, weil von den Massenmedien ignoriert, nur wenige Prozent der Wählerstimmen sammeln könnte, scheint Putin ihn zu fürchten, vielleicht, weil Nawalny so erfolgreich junge Anhänger wie Mischa mobilisiert. Darum wurde er nicht als Kandidat zugelassen, glauben seine Anhänger hier. Ein paar Tausend sind heute gekommen, für Moskau ist das wenig.

Zurück zum Roten Platz: Nach einer weiteren patriotischen Rede wollen viele nachhause. Und dann doch ein Plakat von ‘Kandidat‘ Putin.

"Ich bin, ehrlich gesagt, dagegen, dass er gewählt werden muss, denn ich glaube, er ist der einzige würdige Kandidat."

Ira, Studentin

Die Studentin Ira will die Wahl abschaffen – eine schönere Bestätigung seiner erfolgreichen Stilisierung als nationale Führerfigur könnte sich Putin selbst kaum ausdenken.


0