Österreich Ski-Saison ohne Russen?
134 Pistenkilometer, Abfahrten in allen Schwierigkeitsstufen und ziemlich schneesicher - Mayrhofen im Zillertal war bislang bei den russischen Skitouristen sehr beliebt.
Fast 15 Prozent der gut 850.000 Übernachtungen im Winter wurden in den letzten Jahren von Russen gebucht. Unter allen österreichischen Wintersportorten ist Mayrhofen bei den Skifahrern aus Russland der Topfavorit.
Und hier hat man sich auf die Gäste aus Putins Reich längst eingestellt. Viele Skischulen werben mit russischsprachigen Lehrern.
Lilli Kotschowa ist eine von ihnen. Sie stammt nicht aus Russland, sondern aus Bulgarien. Denn Arbeitnehmer aus den östlichen EU-Ländern bekommen inzwischen eine Arbeitsgenehmigung in Österreich, Russen nicht.
Die bange Frage, die nicht nur die Skischulen in Mayrhofen diese Saison beschäftigt: Kommen die Russen nun oder kommen sie nicht?
Heute ist Lilli mit Michail, Iwan und Kyrill unterwegs und bringt dem russischen Skinachwuchs die ersten Schwünge bei.
"Es gibt nicht so viele russischsprachige Skilehrer hier. Für uns reicht die Arbeit. In Mayrhofen sind momentan ungefähr 30 Prozent weniger Russen als sonst. Das ist natürlich schade. Denn alle haben mit ihnen gut verdient, die Skischulen genauso wie die Hotels. Es sind gute Gäste."
Lilli Kotschowa, Skilehrerin
Auch die Malamuschins, die Eltern von Kyrill und Michail, haben überlegt, ob sie in diesem Jahr ihren Winterurlaub nicht in Sotschi verbringen sollen. Doch wegen der Kleinen sind sie doch wieder nach Österreich gefahren:
"Hier ist es für Kinder einfach sicherer und es gibt viel mehr Angebote für sie. Das war schließlich ausschlaggebend."
Swetlana Malamuschin, Zahnärztin
"Nein, die politischen Konflikte haben uns nicht davon abgehalten hierher zu fahren. Wir persönlich haben ein sehr gutes Verhältnis zu Österreich, zu Deutschland, ja zur ganzen EU."
Marina Michailena, Hausfrau
Das früher sprichwörtliche Januar-Loch auf den österreichischen Skipisten haben in den letzten Jahren die Russen mehr als gut gefüllt. Und in diesem Jahr? Deutlich weniger russische Skifahrer, aber der Rückgang ist nicht ganz so schlimm wie zunächst befürchtet.
Rafael Oliv aus Moskau und seine Frau Tatjana verbringen zum dritten Mal ihren Winterurlaub in der Alpenrepublik:
"Ich bezweifle, dass wir im nächsten Jahr wiederkommen können. Diesen Urlaub haben wir schon vor einem Jahr gebucht zu dem noch für uns günstigen Kurs. Inzwischen ist der Rubelkurs stark gefallen, deswegen weiß ich überhaupt nicht, wie sich unser Leben weiter entwickeln wird. Vieles hat sich geändert."
Rafael Oliv, Unternehmer
Die Gipfel der Zillertaler Alpen bieten ein beeindruckendes Panorama. Russische Touristen kommen nicht nur zum Skifahren, sie machen auch gerne Ausflüge in die Umgebung.
Wie oft wird es wohl ein Foto vor dieser Kulisse von den beiden Frauen aus Perm im Ural noch geben?
"Es ist sehr bitter für uns. Wir sind es gewohnt in Europa Urlaub zu machen, in Frankreich oder Österreich Ski zu fahren. Da ist es sehr hart für uns, dass es jetzt diese Sanktionen gegen uns Russen gibt, wirklich."
Ljudmilla Dolgich
"Hier sind keine Vorbehalte gegen uns zu spüren."
Swetlana Saizew
"Ich bin im Urlaub. Über Politik will ich jetzt nicht reden."
Ljudmilla Dolgich
Vom Penken, einem der beiden Hausberge Mayrhofens, gibt es keine Abfahrt ins Tal. Die Bergbahn ist die einzige Möglichkeit, um in den Ort zu kommen.
Das Feiern beim Après-Ski ist - entgegen des Klischees - bei den Russen nicht besonders beliebt. Sie gehen lieber zum Einkaufen. Doch der russischen Mittelschicht sitzt das Geld längst nicht mehr so locker in der Tasche.
Sergej Krasov aus Moskau ist auf der Suche nach einem Mitbringsel für seine daheimgebliebenen Freunde.
"Nein, ich spüre hier keine Vorbehalte gegen Russen. Im Gegenteil. Alle hier sind sehr nett und gastfreundlich. Ich habe sogar den Eindruck, dass viele Österreicher den politischen Kurs von Wladimir Putin unterstützen und gegen diese Sanktionen sind. Aber das ist sowieso Sache der Politiker. Die normalen Leute verstehen sich doch nach wie vor sehr gut."
Sergej Krasov, Sportagent
Das Hotel Neuhaus ist bei russischen Gästen sehr beliebt. Ihr Anteil ist in den letzten 15 Jahren ständig gewachsen und hat vor allem während der russischen Weihnachtswoche zuletzt bei knapp 50 Prozent gelegen.
Chefrezeptionistin Elisabeth Gredler kennt viele der Stammgäste persönlich und bedauert sehr, dass ein beträchtlicher Teil von ihnen in diesem Jahr nicht kommen kann.
"Im heurigen Jahr hat man sicher einen Rückgang, ich würde sagen von 30 bis 50 Prozent bemerkt, jetzt bei uns im Haus. Es war früher immer der Ankunftstag also 2., 3. oder 4. Jänner ein extrem starker Ankunftstag mit vielen russischen Maschinen, das ist heuer einfach nicht mehr der Fall gewesen. Und wenn Gäste, die sich jetzt noch kurzfristig entscheiden, also russische Touristen, die sich kurzfristig entscheiden zu kommen oder kommen wollen, geht’s nicht mehr, weil sie einfach keinen Flug mehr haben, die Flüge gecancelt wurden."
Elisabeth Gredler, Chefrezeptionistin Hotel Neuhaus
"Podmoskownie wetschera" - Maria Guzejewa besingt die Moskauer Abende zu Hause in Russland. Für die zwangsweise daheimgebliebenen Russen hat dieses Lied jetzt wohl einen bitteren Beigeschmack.
Wie beurteilt das örtliche Tourismusbüro die Lage?
"In diesem Jahr ist es schwieriger. Es ist allerdings zum jetzigen Zeitpunkt sehr, sehr schwierig mit seriösen Zahlen hier Antworten zu geben, wie es sich denn genau entwickelt. Jetzt Panik zu verbreiten, das wäre eigentlich völlig fehl am Platz."
Tourismusbüro Mayrhofen
Eine schwache Saison ist wohl noch kein Grund zur Panik. Aber die Weihnachtsbeleuchtung hat die Gemeinde für das orthodoxe Fest vorsichthalber hängen lassen. Die Wirtschaftsentwicklung in Russland gibt aber keinen Anlass zur Hoffnung, dass die Russen so schnell wieder reisefreudiger werden.