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Österreich Politik in der Krise

Er gilt als das Symbol der Sozialdemokratie in Österreich, der legendäre Karl-Marx-Hof im 19. Wiener Gemeindebezirk. Seit mehr als 80 Jahren wohnen und leben hier vor allem SPÖ-Wähler. Doch in den vergangenen Jahren haben - so wie im Rest des Landes - auch hier viele zu den Rechtspopulisten der FPÖ gewechselt. Folge eines zunehmenden Vertrauensverlustes der Sozialdemokratie.

Von: Till Rüger

Stand: 15.05.2016 | Archiv

Karl-Marx-Hof | Bild: BR

"Es hat niemand neus Ideen, das Volk hat es satt. Ich wünsche mir eine Politik, die näher am Bürger ist. Ein neues Gesicht wirkt immer ein Zeit lang, aber viel wird es nicht bringen. Es geht um die Partei."

Stimmen der Bevölkerung

Der Rücktritt von Werner Faymann als Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender überraschte denn auch kaum jemanden. Die große Koalition aus SPÖ und ÖVP galt als versteinert und ohne Zukunftsvisionen. Auch die Flüchtlingspolitik der SPÖ hielten immer mehr Wähler für zu offenherzig. Nach dem schwachen Abschneiden des SPÖ-Kandidaten in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen war der Rücktritt Werner Faymanns seit Wochen intern diskutiert worden. Sein Nachfolger: Christian Kern, bisher Chef der ÖBB, der österreichischen Bundesbahn, soll es nun richten, denn der spektakuläre Erfolg des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer in der ersten Runde der Bundespräsidentenwahl spaltet nun die Alpenrepublik.

Aufzeichnung der Comedy-Show "Willkommen Österreich". Fester Bestandteil der TV-Sendung: Die Gruppe Maschek. Zwei Satiriker legen österreichischen Politikern das in den Mund, was sie vielleicht denken, aber garantiert nie offen sagen würden. Ihr derzeitiges Lieblingsthema: der Chef der rechtspopulistischen FPÖ, H. C. Strache, und sein Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer.

Robert Stachel

Die Mascheks sehen im Erfolg des FPÖ-Kandidaten vor allem auch ein Versagen der andern Parteien, die durch Anbiederung an die rechte Stimmung der FPÖ den Weg bereitet hätten.

"Dann, fürchte ich, wird es eine 'Orbanisierung' geben. Dann wird Österreich-Ungarn wieder auf der Landkarte erscheinen, aber nicht als Monarchie sondern als autoritäres Patriotengespenst."

Robert Stachel

Phillip Huema ist stolz Österreicher zu sein. Er gehört einer Gruppierung an, die sich "Identitären" nennt. Die Identitären-Bewegung kommt ursprünglich aus Frankreich, ist mit ihrer rechtsextremen Ideologie in Österreich auf fruchtbaren Boden gefallen:

"Was wir kritisieren, ist eine maßlose Massenzuwanderung, die Gefahr läuft, unsere Identität zu zerstören und uns zur Minderheit im eigenen Land zu machen."

Philipp Huemer, Identitären-Bewegung Wien

Aktion auf dem Dach des Burgtheaters

Nicht debattieren wollen sie, sondern Aufmerksamkeit erringen, mit Aktionen wie der vor zwei Wochen am Wiener Burgtheater: Während drinnen das Stück "Die Schutzbefohlen" von Literaturnobelpreisträgerin Elfride Jelinek aufgeführt wird, stürmen die Identitären das Dach, als Protest gegen Flüchtlingspolitik und Islamisierung in Österreich. Sie machen kein Geheimnis daraus, dass sie der FPÖ nahestehen und Norbert Hofer unterstützen. Politische Aktionen als Teil des Wahlkampfes, die an lange vergangene Zeiten erinnern?

"Ständig mit diesen SA- und Nazivergleichen zu kommen, die ich auch nicht nur verharmlosend und absurd und beleidigend finde uns gegenüber."

Martin Sellner

Deshalb beobachtet der österreichische Verfassungsschutz die Identitären-Bewegung. Immer wieder gibt es strafrechtliche Ermittlungen. Bisher endeten alle Anzeigen aber in Verwaltungsübertretungen mit einem Bußgeld.

Pfarrer Karl Schlögel

Ortswechsel: Wallfahrtskirche Maria Weinberg. Was geschürte Fremdenangst bewirkt, lässt sich im österreichischen Burgenland besichtigen. Allein die Nähe zur ungarischen Grenze macht vielen Gemeindemitgliedern von Pfarrer Schlögel Angst. Auf der ungarischen Seite der Grenze entsteht ein Flüchtlingslager. Ein knapp neun Kilometer langer Zaun soll den Ort deshalb wieder abschotten.

"Das war früher die Staatsgrenze, mit einem Stacheldrahtzaun gesichert. Und jetzt ist alles frei. Und jetzt soll hier, bei diesem Acker lang, nochmal ein Zaun errichtet werden, damit die Flüchtlinge hier nicht rüberkommen."

Pfarrer Karl Schlögel

Doch dieses Feld gehört der Kirche. Pfarrer Schlögel und sein Bischof wollen nicht, dass der neue Sperrzaun über Kirchengrund läuft. Es wird hier also ein 150 Meter großes Loch geben. Die Angst vor dem Fremden fresse den Verstand auf, meint Pfarrer Schlögel und erinnert an die christlichen Werte: Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Doch damit sind er und sein Bischof fast allein auf weiter Flur.

Die Realität habe sie hier wohl schon eingeholt, meinen die Mascheks. Wovor sie immer satirisch gewarnt hätten, das sei nun politisch eingetreten: ein fühlbarer Rechtsruck. Und trotzdem: Das Land aufgeben, was so manche österreichische Intellektuellen andeuteten, das sei die falsche Antwort.

"Es ist eine Horrorvorstellung, mit der man leben könnte. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die jetzt großmäulig behaupten 'Ich wandere aus, wenn Norbert Hofer Bundespräsident wird.'"

Robert Stachel

Denn der Bundespräsident hat in Österreich kaum etwas zu entscheiden. Doch egal wer hier in die Präsidentschaftskanzlei am 22. Mai einzieht. Der politische Blick geht nach gegenüber ins Bundeskanzleramt. Einen Kanzler von der FPÖ schließen viele in Österreich nun nicht mehr aus.


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