BR Fernsehen - EUROBLICK


10

Nordzypern Aufschwung im Norden, Krise im Süden

Letzte Vorbereitungen für den großen Tag - zumindest für die hier Anwesenden und die erwarteten Gäste:

Von: Michael Schramm

Stand: 20.07.2014 | Archiv

Der Einmarsch 1974: Türkische Soldaten mit einer Flagge | Bild: BR

Mit einer Militärparade feiert man sich und das 40-jährige Bestehen eines Staates, den es, geht es nach internationalem Recht, eigentlich gar nicht gibt – die "Türkische Republik Nordzypern".

Die türkische Armee war es, die vor genau 40 Jahren mit ihrer Landung auf Zypern die faktische Teilung der mehrheitlich von Griechen bewohnten Insel erzwang. Vorausgegangen waren dem Terrorakte von beiden Seiten. Griechische Nationalisten hatten gegen die Regierung Zyperns geputscht und eine Angliederung der gesamten Insel an Griechenland angestrebt. Daraufhin erfolgte die türkische Intervention. Deren Folgen: Rund 1.500 griechische Zyprer sind bis heute verschwunden und mehr als 200.000 wurden zwangsumgesiedelt.

Victoria Butler-Sloss

Für die griechische Mehrheit waren und sind die Ereignisse von vor 40 Jahren ein Trauma. Victoria Butler-Sloss ist griechische Zypriotin. Als hier, in der Hauptstadt Nicosia, geschossen wurde, war sie gerade einmal 14 Jahre alt. Ähnlich wie die berühmte holländische Jüdin Anne Frank hat sie ihre Schreckenserlebnisse in ein Tagebuch gefasst – Szenen von Bombardements, Beschuss, Vertreibung und Flucht… Zum 40. Jahrestag hat sie daraus eine Ausstellung gemacht.

"Ich denke, es war einfach mein Versuch das Geschehen zu verarbeiten."

Victoria Butler-Sloss, Künstlerin

Nicosia – türkisch "Lefkosa" – ist seit 40 Jahren - und damit länger als Berlin - eine geteilte Stadt. Die sogenannte "grüne Linie" trennt griechische und türkische Inselbewohner und auch heute noch höchst unterschiedliche Geschichtsbilder. Dogan Ercag war damals auf türkischer Seite dabei.

"Hätte am 20. Juli der Einmarsch nicht stattgefunden, wäre er auch nur einen Tag später erfolgt, hätten die griechischen Nationalisten ihre Ziele erreicht und uns vernichtet!"

Dogan Ercag

Das Mahnmal der Landung der türkischen Armee, ein Mahnmal auch für einen der letzten Kriege im unmittelbaren Umfeld Europas. Schon sein Name ruft auf Zypern ein geteiltes Echo hervor: "Friedens- und Freiheitsmonument".

Noch heute sind rund 30.000 türkische Soldaten in Nord-Zypern stationiert – für die Einen sind sie "imperialistische Eroberer", für die Anderen "Retter" und "Beschützer". Zum 40. Jahrestag zieht es viele von ihnen hierher, sie wollen Teil einer ruhmreichen Geschichte sein…

Zwischen den Welten, in der von den UN kontrollierten Pufferzone gibt es eine überraschende "Insel", eine deutsche Insel: Das Goethe-Institut hat hier seinen Sitz.

40 Jahre Trennung – doch vieles hat sich entspannt zwischen dem EU-Mitglied Republik Zypern und dem nur von Ankara anerkannten Staatsgebilde im Norden der Insel. Inzwischen kann man sich zum Beispiel problemlos gegenseitig besuche – es sei denn, man ist türkischer Soldat oder Türke, der aus der Türkei direkt nach Nordzypern gereist ist; dann ist die Grenze dicht. Wer nicht rüber darf, den zieht es deshalb oft hierher, in ein kleines Kaffee mit bester Aussicht in die EU. Lange Zeit sah man von hier aus von einem ärmeren Zypern in ein reicheres. Bis vor einem Jahr, bis zur Krise pendelten viele über die Grenze in den griechischen Teil, um dort mehr Geld zu verdienen, so auch Ismail Sanli.

"Früher sind Tag für Tag Zehntausende über die Grenze gegangen. Heute sind es bestenfalls noch 200 bis 300…!"

Ismail Sanli

Leben neben und mit einer Grenze – viele junge Zyprer diesseits und jenseits der "grünen Linie" wollen das so nicht mehr. Vor zwei Jahren sorgte eine Aktion für weltweites Aufsehen – "occupy puffer-zone". Mihalis Elefterion war einer der Organisatoren.

"Es war wirklich interessant: Weil es eben die Puffer-Zone war, in der wir waren, wusste niemand so genau, wie man mit uns umgehen sollte!"

Mihalis Elefterion, Organisator

Hoffnung auf einer geteilten Insel – die Politiker reden seit kurzem wieder miteinander. Was sie zusammen führt: Gasfunde vor den Küsten, die man nur gemeinsam nutzbar machen kann, und Wasser aus der Türkei. Ab September soll die "Mangelware Zyperns" schlechthin per Pipeline auf die Insel sprudeln – da lohnt es sich, sich zusammen zu raufen.

Doch, noch immer sind die Gräben tief. In diesen Tagen wurde den vertriebenen, griechischen Bewohnern des Dorfes Gürpinar von den türkischen Behörden gestattet eine Messe in ihrer Kirche abzuhalten. Per Bus kamen sie über die Grenze und wir wären gerne dabei gewesen, hatten auch bereits eine Dreherlaubnis. Doch dann, im letzten Moment verbot uns die türkische Armee auch nur den Versuch einer Annäherung. Normalität sieht anders aus…


10