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Italien Montecristo - Insel im Tyrrhenischen Meer

Montecristo – über 50 Kilometer vor der toskanischen Küste gelegen und nur zehn Quadratkilometer groß: Dieser Steinhaufen ist ein Mythos.

Von: Florian Guthknecht

Stand: 22.11.2014 | Archiv

Blick auf die felsige Insel Montecristo | Bild: BR

Denn der Roman von Alexandre Dumas machte die unscheinbare Insel im 19. Jahrhundert weltbekannt.

In dem uralten Kamaldulenser-Kloster ließen Generationen von Abenteurern auf der Suche nach dem Schatz des Grafen keinen Stein auf dem anderen. Gefunden wurde hier nie etwas. Doch es gibt einen Schatz auf dieser Insel: Die Ziegen von Montecristo.

Giorgio Marsiaj

Luciana Andriolo und Giorgio Marsiaj kennen die biologische Bedeutung der ursprünglichsten Ziegenrasse der Erde. Vor tausenden von Jahren wurden sie aus Kleinasien nach Montecristo gebracht - als lebender "Fleischvorrat" für die anlegenden Schiffsbesatzungen.

Luciana Andriolo

Ihr Verhalten und ihre Wanderung zu dokumentieren, ist die Hauptaufgabe von Giorgio und Luciana, den einzigen menschlichen Bewohnern von Montecristo. Heute leben nur noch 300 Tiere. Fast alle sind markiert und haben sogar Namen. Die Ziegen von Montecristo sind zum Lebensinhalt für das Paar geworden.

"Diese Tiere haben mir die Seele der Insel offenbart. Wohin und wann sie wandern, wo sie ihre Jungen zur Welt bringen und sich paaren... Nur wer die Ziegen versteht, versteht diesen Ort. Sie ist viel mehr als ein riesiger Felsblock. Sie ist magisch."

Luciana Andriolo

Seit fünf Jahren wohnen die beiden im einzigen Haus auf der Insel – einer ehemaligen Sommerresidenz des italienischen Königs aus dem 19. Jahrhundert. Es ist der einsamste Arbeitsplatz Europas. Die nächsten Menschen wohnen über 50 Kilometer entfernt.

Montecristo-Ziege

Die angeblich giftigste Schlange Europas sonnt sich gerne bei der Königsvilla. Doch vor der Vipera di Montecristo hat Giorgio keine Angst. Der gelernte Landwirt weiß, Schlangen flüchten lieber als zu beißen. Die Vipera ist einzigartig wie die Ziegen. Angeblich haben Piraten sie als "Bio-Waffe" bei einem Überfall aus Afrika hierhergebracht.

Obst und Gemüse kommt aus dem Garten. Der nächste Supermarkt ist drei Bootsstunden entfernt.

"Zum Glück ist meine Frau gut im Organisieren. Sie hat den Überblick über alles, was wir am Festland bestellen. Wir können ja nicht einfach über die Straße, wenn wir was vergessen haben. Das macht es kompliziert. Wir müssen genau planen und wir können eigentlich nur Dinge mit langer Haltbarkeit kaufen und ...große Mengen!"

Giorgio Marsiaj

Nur alle zwei Wochen bringt das Boot des Corpo Forestale, der italienischen Umweltpolizei, die Supermarktbestellung der Inselwächter. Die Ankunft ist ein soziales Highlight für Giorgio und Luciana. Jemand zum Reden, Zeitungen und Post – und all die Sachen, die trotz Lucianas Vorsorge ausgegangen sind.

Montecristo ist nicht nur wegen Schlangen und Ziegen ein ökologisches Juwel. Sie ist die unberührteste Insel im Mittelmeerraum – über und unter Wasser: Überall tummeln sich Fische – anders als im sonst überfischten Mittelmeer.

Doch die Schönheit und der Fischreichtum wecken Begehrlichkeiten. Während der Regierungszeit von Silvio Berlusconi sollte die Insel versteigert und in einen riesigen Freizeitpark umgewandelt werden. Nur die Intervention der EU konnte dies verhindern.

Ein Netz am Meeresgrund

Und wenn Giorgio die Umweltpolizei zu Kontrollen in die kleinen Buchten fährt, entdecken sie immer wieder illegale Fischernetze. Die Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt sind katastrophal. Denn wenn das Wetter schlecht ist, wagen sich die Fischer nicht über das weite Meer. Immer mehr Meeresbewohner verfangen sich, je länger das Netz liegt. Deswegen kontrolliert die Umweltpolizei zusätzlich mit Hubschraubern und Schnellbooten. Aber in Zeiten der Finanzkrise, weiß niemand, wie lange diese Anstrengungen noch aufrechterhalten werden.

Und noch andere Gefahren bedrohen Montecristo. Ratten gibt es erst, seit Menschen die Insel betreten haben. Die Nager gefährden das sensible Ökosystem. So plündern sie die Nester von seltenen Seevögeln. Regelmäßig ist Giorgio deshalb zu den Fallen unterwegs, die auf der ganzen Insel ausgelegt sind.

"Im Hafen und wo die Boote ankommen und wo auch wir leben, sind am meisten Fallen aufgestellt. Dort kontrolliere ich alle 14 Tage. Doch ich glaube wir sind auf einem guten Weg. Rund um die Insel haben wir 150 Fallen stehen. Und nach vier Jahren Kampf, sind sie leer."

Giorgio Marsiaj

Auch die Pflanzen sind von einem Eindringling bedroht. Der aus Asien eingeschleppte Himmelsbaum wächst schneller als alle europäischen Bäume und überwuchert die Insel.

Die Einsamkeit ist das Problem der Inselwärter – manch einer ihrer Vorgänger wurde verrückt. Doch Giorgio und Luciana haben inzwischen Montecristo-Übung und einen besonderen Blickwinkel.

"Was habe ich am Anfang für Bedenken gehabt. Nur wir zwei hier auf einer einsamen Insel. Aber mal ehrlich: eigentlich ist das Leben ‚normaler‘ als man denkt. Klar Theater, Restaurant oder Konzert, das gibt es nicht. Aber die zwischenmenschlichen und die alltäglichen Probleme zwischen Mann und Frau, die sind doch auf einer Insel und auf dem Festland genau dieselben."

Giorgio Marsiaj

Und wenn Giorgio abends noch zu einer letzten Kontrollfahrt aufbricht, dann weiß er: Es war eine gute Entscheidung für ihn und Luciana. Denn Montecristo ist nicht nur der einsamste Arbeitsplatz Europas, sondern vielleicht auch der schönste.


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Mühldorfer Erich, Sonntag, 23.November 2014, 19:25 Uhr

1. Montecristo

Montecristo,eine der 7 Inseln im Toskanischen Archipel, ist von Elba aus bei günstigen Wetter gut zu sehen. Seit1970 gehört sie zum
Naturschutzgebiet. Die Besucherzahl für Touristen ist beschränkt. Nach Anmeldung beträgt die Wartezeit 3 Jahre.
Vor mehreren Jahren hatte der Wächter eine Familie mit Kindern. Die schulpflichtigen bekamen von Portoferraio(Elba) über das Fernsehen Unterricht.