Italien Handwerk hat doch goldenen Boden
Sie hauen, sägen, nähen und schlagen. Und das, obwohl die meisten von ihnen studiert haben. In Zeiten der Krise ist Handwerkersein in Italien plötzlich wieder attraktiv und oft die einzige Chance, Geld zu verdienen.
"Diese Arbeit hat mir geholfen meine Freiheit zu gewinnen. Ich kann entscheiden, was ich tue und welche Dinge ich herstelle."
Daniela Manca, Handwerkerin
Sofia Modena am Webstuhl
In den Hügeln südlich von Rom leben viele junge Akademiker, die ihre Zukunft trotz Studienabschluss im Handwerk sehen. Auch Sofia Modena hing ihren alten Job an den Nagel, wagte einen Neuanfang. Als Informatikerin entwickelte sie Software für Banken. Heute entwirft sie als Weberin moderne Muster für wohlhabende Kunden, alles in Handarbeit.
"Viele halten mich für verrückt, in dieser modernen Zeit nur Faden für Faden voranzukommen. Und ein bisschen haben sie ja auch recht. Weberei ist eine zeitraubende Angelegenheit. Man kann das verrückt oder magisch nennen. Ich finde es natürlich magisch."
Sofia Modena, Weberin und Informatikerin
Ihre Kunden findet Sofia auf dem digitalen Marktplatz. Sie kombiniert ihr Wissen aus Beruf und Studium mit den traditionellen Handwerkstechniken. Ein Konzept, das für Sofia gerade deshalb zeitgemäß und zukunftsorientiert ist.
"Weberei und Informatik haben auch einiges gemeinsam. Es gibt eine Projektentwicklungsphase. Und du musst die Sprache der Maschine beherrschen, auch beim Weben."
Sofia Modena, Weberin und Informatikerin
Neben der Zeit am Webstuhl ist Sofia viel unterwegs. Sie versucht ein regionales Netzwerk junger Handwerker zu schaffen. In Zagarolo, Sofias Heimatort, leben viele "Handwerker mit Studienabschluss". Heute sind sie mit Lokalpolitikern verabredet. Auch die haben längst das Potenzial der studierten Handwerker erkannt, sehen darin auch eine Chance für die Region, lokale Produkte besser zu verkaufen.
"Dein Heimatort ist ideal, um neue Ideen auszuprobieren und einzigartiges zu schaffen. Aber wenn du dich nur auf deine Region konzentrierst, wirst du es nicht weit bringen. Man muss also einerseits lokal agieren, aber sich auch global vermarkten."
Daniele dell´Orco, Handwerker
Daniele dell´Orco
Der studierte Anthropologe Daniele weiß wovon er spricht. In Zagarolo schuf er aus dem Nichts einen Wochenmarkt, der inzwischen jeden Sonntag Hunderte aus Rom aufs Land lockt. Auch ältere Handwerker finden dank Danieles Idee so wieder Kundschaft:
"Diese Produkte haben nur dann eine Zukunft, wenn wir es schaffen sie richtig zu vermarkten. Die Leute müssen den zusätzlichen Wert dieser Handwerksarbeiten erkennen. Das ist Aufgabe von uns jungen Leuten mit unserem akademischen Wissen."
Daniele dell´Orco, Handwerker
Verkauft werden auf dem Markt ausschließlich Produkte aus lokalen Rohstoffen, von Handwerkern der Region.
Danieles Handwerkskunst hat eigentlich keine Tradition in der Gegend. Schließlich ist die Hauptzutat seiner Produkte Kakao aus Südamerika. Vor knapp zwei Jahren wurde Daniele zum Schokoladenmacher und verdient damit jetzt seinen Lebensunterhalt. Bevor er mit der Produktion von Schokolade begann, gab es solche Rohschokolade in Italien nicht. Die Geschäftsidee brachte Daniele von Auslandssemestern in den USA und Holland mit. Inzwischen läuft seine Schokoladenmanufaktur so gut, dass sogar andere Firmen versuchen sein Erfolgsrezept zu kopieren.
"Na klar kannst du mich kopieren. Du musst einfach viel Kraft investieren und viel experimentieren. Mit zwei solcher Schokoladenformen habe ich angefangen. Jetzt haben wir hunderte. Zwei Kilo Kakao und ein Kilo Süssungsmittel, das waren meine ersten Zutaten. Heute verarbeiten wir diese Waren tonnenweise. Und das ist alles aus dem Nichts entstanden."
Daniele dell´Orco
Drei Angestellte arbeiten mittlerweile für Daniele. Auch sie haben studiert und sich dann doch für einen anderen Weg entschieden. Italiens junge Handwerker zeigen, dass man mit der richtigen Geschäftsidee seine Erfüllung finden und gut verdienen kann.