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Europa-Reportage vom 15.7.2018 Jugend in Schottland - Cool und weltoffen

Ob Kunstschmiedin, Whiskey-Hersteller oder der junge Geiger Euan von der Band Elephant Sessions – sie zeigen im Jahr der Jugend ihr Schottland, das alles andere als "old fashioned“ ist, und von dem Kreativität, Inspiration und Selbstbewusstsein ausgehen.

Von: Birgit Muth

Stand: 15.07.2018 | Archiv

Kupferschmiedin Rebecca | Bild: BR

In Schottland ist die Vergangenheit so nah, dass sie regelrecht zu spüren ist. Zahlreiche Schlösser und Burgen haben Jahrhunderte überdauert, beeindruckende und vielfältige Landschaften wurden vor Millionen von Jahren durch Gletscher geformt. Bei unserer Fahrt durchs Land erleben wir Natur und Kultur ganz nah beieinander.

Die schottische Hauptstadt

Unsere Reise beginnt in Edinburgh, seit dem 15. Jahrhundert Hauptstadt Schottlands und mit rund 500.000 Einwohnern die zweitgrößtes Stadt nach Glasgow. Wenn sich das schottische Wetter von seiner besten Seite zeigt, gibt es draußen in den Cafés und Pubs der Altstadt kein Plätzchen mehr: Jung und Alt, Einheimische und Touristen lassen sich anstecken von der coolen Lässigkeit der Schottenmetropole.

Buntes Leben im Herzen der Stadt und über allem thront Edinburgh Castle. Die Burg verkörpert Schottlands Geschichte und beherbergt die schottischen Kronjuwelen.

Burgen und Schlösser

Robyn Braham

Wir fahren weiter Richtung Norden in die Gegend um Aberdeen. In Schottland standen einst rund 3000 Burgen und Schlösser. Viele befinden sich immer noch im Privatbesitz jahrhundertealter Adelsfamilien. Die anderen wurden verkauft und werden entweder von Historic Scotland oder dem National Trust for Scotland verwaltet und gepflegt. So auch Fyvie Castle, dessen Name aus dem Gälischen stammt und Hirschhügel bedeutet: die Ländereien um die Burg waren im Mittelalter königlicher Jagdbesitz. Wir werden von Robyn Braham in Empfang genommen. Die 31-Jährige arbeitet für die gemeinnützige Organisation "National Trust for Scotland" zur Bewahrung des kulturellen Erbes. Für Robyn ist ihr Arbeitsplatz alles andere als verstaubt. Als Fotografin dokumentiert sie in den verschiedensten Anwesen das wertvolle Interieur.

"Für diese Organisation zu arbeiten, bei der Bewahrung unserer Geschichte dabei sein zu können und das Ganze auch zu dokumentieren, ist für mich sehr wichtig. Und außerdem: Jetzt will ich nur mehr das in meiner eigenen Wohnung und kein Ikea mehr."

Robyn Braham, Fotografin National Trust for Scotland

Robyn ist von ganzem Herzen Schottin, wie sie uns verrät:

"Ich glaube, Schottland ist eine Nation die nach außen sehr offen ist. Wir wollen ein Teil der Welt sein, wir wollen nicht nur Innenschau betreiben und über uns nachdenken. Ich bin der Meinung, die meisten jungen Leute wollen reisen und zu einem Land gehören, von dem positive Energie ausgeht."

Robyn Braham

Weiter geht es für uns Richtung Inverness, dem kulturellen Zentrum der Highlands. Die Schotten selbst unterteilen sich in Lowlander und Highlander. Inverness bedeutet auf gälisch, der alten keltischen Sprache, "Mündung des Ness".

Glasgow – die größte Stadt

Um eine allerdings inzwischen verzogene Highlanderin zu treffen, geht es in Schottlands größte Stadt Glasgow: Die renommierte Universität aus dem 15. Jahrhundert ist ein Hot Spot für Studenten aus aller Welt. Die rund 26 000 Studierenden kommen aus 140 Ländern. Dort treffen wir die 21-jährige Eilidh Cormack. Eilidh hat gerade ihren Abschluss im Studium der Gälischen Sprache gemacht und tritt jetzt an der Universität eine Forschungsstelle an. Die junge Frau, geboren auf der "Isle of Skye", der Insel des Nebels, ist als Kind mit gälisch, der alten keltischen Sprache aufgewachsen. Sie versteht sich als Botschafterin ihrer Muttersprache:

"Der Grund, warum ich gälisch unterrichten möchte und weshalb mir das so viel Freude bereitet ist, dass es ein Teil von mir und ein Teil meiner Identität ist. Der nächsten Generation, also Kindern einen Zugang zu der gälischen Sprache geben, die sie nie gelernt haben. Wenn ihnen der Unterricht Spaß macht, dann empfinde ich das als eine Auszeichnung."

Eilidh Cormack

Viele Highlander wie Eilidh hat es hierher, in die mit mehr als 600,000 Einwohnern größte Stadt Schottlands, nach Glasgow, verschlagen. Mittlerweile hat sich Glasgow zu einer sehr lebendigen Studentenstadt gemausert. Alte Industriebrachen wurden zu hippen kulturellen Einrichtungen umgestaltet und einer Attraktion für Studenten genauso wie für Touristen: An jeder Ecke coole Treffs, Cafés und Pubs. Und das Klischee, dass Schottlands Wetter in der Regel aus Nieselregen und Nebel besteht, widerlegt der diesjährige schottische Sommer gründlich.

Whiskey – Wasser des Lebens

Und so wie Pubs sind im ganzen Land auch Destillerien zu finden. Zwar wird der Whiskey heute in modernsten Anlagen hergestellt, an dem Verfahren und den Grundzutaten hat sich jedoch seit Jahrhunderten nicht viel geändert. In einer der bekannten Whiskey-Destillierien dürfen wir einen Blick auf und in die Kessel werfen. Alistair McDonald, der Manager der Destillerie, ist ein gebürtiger Highlander und spricht auch gälisch. Für ihn ist die Whiskeyherstellung sein Traumberuf, hier fühlt er sich zuhause und zudem: das Wort Whiskey ist gälischen Ursprungs und bedeutet. Wasser des Lebens.

Sein junger Mitarbeiter, ebenfalls mit dem Namen Alistair, geboren auf malerischen Insel Islay, darf nicht nur den Herstellungsprozess überwachen und begleiten, sondern wird von seinem Chef auch regelmäßig in Sachen Geschmacksnerven geschult. Nicht nur für die Geschmacksnerven ein paar Tropfen Whiskey, auch eine Kostprobe fürs Ohr wird dem weitgereisten Besucher geboten. Gar nicht so einfach: Luft holen, um den Sack aufzublasen, mit den Armen gegen den Sack drücken, um einen möglichst konstanten Luftdruck zu erzeugen, der an die Spiel- und Bordunpfeifen abgegeben wird.

Rebecca Weir

Whiskey, Folk-Musik und Dudelsack – schottische Lebensart und Identitätsgefühl können wir auch etwas weiter nördlich von Glasgow erleben: Über Stirling fahren wir nach Aloa ins Industriegebiet. Hier steht eine der großen Firmen, in der die teuren Kupferkessel für die Whiskey-Brennerei hergestellt werden. In der modernen Kupferschmiede gibt es wenig Automatisierung, denn vieles muss wegen der größtenteils individuellen Stücke manuell gefertigt werden. Ausgerechnet in dem bisher traditionell männlich dominierten Beruf treffen wir auf eine junge Frau: Rebecca Weir, 19 Jahre alt. Sie macht derzeit eine Ausbildung zur Kupferschmiedin und arbeitet dort als einzige Frau unter mehr als 30 Männern. Wir wollen von ihr wissen, welche beruflichen Chancen sie für sich als junge Schottin sieht:

"Wenn man so etwas wie hier macht, wenn man in einer Fabrik wie hier arbeitet, wenn man sich Qualifikationen aneignet, dann hat man gute berufliche Aussichten."

Rebecca Weir, Kupferschmiedin

Rebecca wollte zudem unbedingt etwas traditionelles machen, was sie mit ihrer Heimat verbindet, wobei sie sich trotzdem auch als junge Europäerin versteht:

"Ich glaube ich bin mehr schottisch als alles andere. Hier zu leben, hier seine Wurzeln zu haben, hier zu arbeiten und in der Whiskey-Industrie zu arbeiten, das gibt mir das Gefühl schottisch zu sein – mehr als alles andere."

Rebecca Weir

Rebecca, eine junge moderne Frau in einem bisher traditionellem Männerberuf bekennt sich mit ganzem Herzen zu ihrer Heimat, Grenzen im Kopf zu haben, bedeutet das für sie aber nicht.

Die Lowlands

Sanfte Hügel, saftige Wiesen, kilometerlange  Felder – das ist die Landschaft im Süden Schottlands, den sogenannten Lowlands. Wir fahren Richtung Edinburgh und von dort noch eine gute halbe Stunde zum Ferienort North Berwick – Heimat von tausenden von Seevögeln. Vom Boot aus bietet sich ein atemberaubender Blick auf die brütenden Tiere Neben den Papageientauchern und Basstölpeln sieht man aber auch ab und an Wale und Delfine. Hier an der Ostküste Schottlands können Einheimische wie Touristen Zeugen eines grandiosen Naturerlebnisses werden.

Hier in Schottland mit seiner Kultur und Natur haben wir viele junge Leute angetroffen, die ihr Land und ihr Leben lieben, stolz sind schottisch zu sein und sich gleichzeitig in der Welt zuhause fühlen. Die jungen Schotten sind mehr als zuversichtlich, dass im Jahr der Jugend ihre Stimme erst recht gehört wird, gerade angesichts der Brexit-Diskussion : Schottland, auf 80 000 Quadratkilometern geballte Geschichte, Kultur und Natur.


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