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Europa-Reportage Ein neues Leben in Malta

Malta – der Inselstaat im Mittelmeer hat in seiner jahrtausendealten Geschichte schon viele Fremde kommen und wieder gehen sehen. Das kleinste und südlichste EU-Mitgliedsland auch heute noch ein beliebter Anlegehafen:

Von: Birgit Muth

Stand: 16.07.2017 | Archiv

Malta ist europäisch und multikulturell: viele Nationen haben ihre Spuren hinterlassen. | Bild: Honorarfrei lediglich für Ankündigungen und Veröffentlichungen im Zusammenhang mit obiger BR-Sendung bei Nennung: Bild: BR/Birgit Muth. Die Nutzung im Social Media-Bereich sowie inhaltlich andere Verwendungen nur nach vorheriger schriftlicher Vereinbarung mit dem BR-Bildmanagement, Tel. 089 / 5900 10580, Fax 089 / 5900 10585, Mail Bildmanagement@br.de

Ob für Touristen, Geschäftsleute oder Auswanderer wie die Deutsche Sabine Sausmekat, die seit mehr als 20 Jahren hier ihren Anker ausgeworfen hat.

Sabine liebt die Entspanntheit und Toleranz auf der Insel Malta und gleichzeitig den Stolz ihrer Bewohner: Es ist wohl die wechselhafte Geschichte und die Hinterlassenschaft der vielen Völker zwischen Orient und Okzident, die alle ihre Fußspuren hinterlassen: haben. Sie geben der kleinen Insel ein erhabenes Gefühl.

Eine Deutsche wird einheimisch

Vittoriosa

Wie auch hier in Vittoriosa, von den Maltesern Birgu genannt, an der Nordostküste der Insel. Gerne besucht Sabine den Wochenmarkt – hier gibt es alles für den täglichen Bedarf – oft günstiger als anderswo. Sabine Sausmekat ist nicht nur heimisch, sondern nach mehr als zwei Jahrzehnten Leben und Arbeiten fast einheimisch. Sie gilt als Insiderin und daher auch der Ansprechpartner für deutsche Investoren, Unternehmer oder Privatleute.

Die strategisch günstige Stadt wurde von den Johannitern 1532 sogar – noch vor Valletta - zur Hauptstadt erkoren. Nach der Abwehr des Türkenangriffs bekam die Stadt den Ehrennamen "die Siegreiche", Vittoriosa. Kommen, Sehen und Siegen – ganz so einfach freilich ist es im Inselstaat nicht.

"Malta ist erfolgreich und boomt, warum?"

Reporterfrage

"Weil Malta clever in die Ausbildung seiner jungen Leute investiert hat. Alles was mit IT zu tun hat, das saugen die Kinder sozusagen mit der Muttermilch auf, weil es in der Schule schon sehr früh unterrichtet wird. Und weil es sich auf Nischen spezialisiert hat, wo andere Länder nicht so gut sind. Und damit fahren die relativ erfolgreich. Und sie haben ihr Bruttosozialprodukt in viele verschiedene Bereiche aufgeteilt. Sie sind kein Land, das nur vom Tourismus abhängig ist oder nur Bankensektor hat wie viele andere Länder. Deshalb ist Malta politisch stabil, aber auch wirtschaftlich wesentlich stabiler als viele andere europäische Länder."

Sabine Sausmekat

Günstige Bedingungen für Investoren

Thomas und Elisabeth beim Online-Wettenanbieter Tipico

Tipico ist einer der bekanntesten Anbieter von Sportwetten. Neben den niedrigeren Steuersätzen ist Malta weniger restriktiv als Deutschland bei der Lizenzvergabe für Online-Glücksspiele. Der gebürtige Rostocker Thomas arbeitet derzeit im Bereich Kundendialog im Online-Geschäft. Die gebürtige Münchnerin Elisabeth ist erst seit ein paar Monaten hier – zum Reinschnuppern als Praktikantin in der Personalabteilung. Sie kam hierher mit der Option länger zu bleiben. Nicht so sehr die Arbeit, sondern ihr maltesischer Freund ist für sie das wichtigste Argument. Arbeitskollege Thomas ist für sie ein guter Ratgeber. Schließlich hat er nicht nur "Ja" zu Malta, sondern auch zu einer maltesischen Ehefrau gesagt.

Fischerei wie anno dazumal auf Malta – ein inzwischen nostalgisches Bild und was da in die Netze kommt, ist für den heimischen Markt und nicht für den Export. Längst ist die boomende Dienstleistungsbranche den traditionellen Wirtschaftszweigen davongeschwommen. Doch für den Tourismus sind neben Kultur und Klima die Postkartenmotive die Attraktion.

Tauchparadies Malta

Auch wer untertauchen will, ist hier an der richtigen Adresse. Felsküsten, Höhlen, Grotten, klares Wasser: Auswanderer Heike und Thomas haben vor über 25 Jahren ihr Hobby zum Beruf gemacht: mit eigener Tauchschule auf der Nachbarinsel Gozo. Heute sind sie zu Besuch auf der Tauchbasis Octopus Garden auf Malta: Begrüßung durch Kollege und Freund Jürgen Hinsen, im früheren Leben gelernter Rettungsassistent und jetzt Tauchlehrer.

Sabine Sausmekat, Mutter von drei Kindern gelang der Einstieg vor mehr als 20 Jahren mit einer kleinen Produktionsstätte des Schwiegervaters für PCs und Energiesparlampen auf Malta:

"Ich habe mir zwei Jahre lang Zeit genommen, um auszuwandern und ich wusste, worauf ich mich einlasse. Und das, was ich mir von Malta gewünscht habe, ist in Erfüllung gegangen. Die Löhne sind niedrig, die Lebenshaltungskosten sind nicht niedrig. Man lernt aber auch, mit weniger Spaß zu haben. Diese Erfahrung habe ich gemacht, dass man hier nicht perfekt sein muss, um Spaß zu haben. Man kann sich eigentlich darauf einrichten, das Doppelte zu arbeiten wie in Deutschland, aber man hat hier den Urlaub vor der Haustüre, das bringt dann auch schon wieder etwas. Also das ganze Jahr im Büro sitzen, damit man mal 14 Tage die Sonne sieht…nee!"

Sabine Sausmekat

Playmobil produziert in Malta

Playmobil in Malta

Pioniere scheinen in Malta mit offenen Armen empfangen zu werden. Ganz spielerisch haben diese Figuren nicht nur Kinderherzen erobert, sondern auch eine der größten Erfolgsgeschichten der deutschen Spielwarenbranche geschrieben. Rund 100 Millionen Playmobil-Figuren verlassen jährlich die Produktionsstätten in Malta.

Sabine Sausmekat und Helga Ellul

Geschäftsfrauen unter sich: Sabine Sausmekat besucht ab und an die Fachfrau für Spielfiguren, Helga Ellul. Diese machte sich 1974 aus Deutschland auf, um im Auftrag des Firmenchefs die 1971 aufgebaute Produktionsstätte am äußersten Rand Europas nach vorne zu bringen. Unter Helga Elluls Leitung wuchs der Standort auf Malta von anfangs 50 auf später 1000 Beschäftigte. 2012 zog sie sich dann aus dem operativen Geschäft zurück. Auch heute noch ist die "Grande Dame" als Ratgeberin gefragt.

Drehort Malta

Cornelia Azzopardi im Büro

Später sind wir im Café des deutsch-maltesischen Zirkels mit der gebürtigen Münchnerin Cornelia Azzopardi verabredet. Jahrelang hat sie internationale Filmproduktionen betreut. Für die Filmbranche sind die Hinterlassenschaften der Ritter auf Malta ein unbezahlbarer Fundus. Und dazu noch Meer, mediterranes Klima und eine weltoffene Bevölkerung – alles Argumente, mit denen Cornelia Azzopardi als Studiomanagerin der Malta Film Studios die internationale Filmbranche überzeugen konnte. Sie selbst hat vor mehr als 20 Jahren die Liebe zu einem Malteser hierher gelockt. Mit ihm hat sie zwei erwachsene Kinder. Inzwischen arbeitet Cornelia für ihre eigene Produktionsfirma. Malta darf sich ihrer Meinung nach zu Recht als Klein-Hollywood rühmen.
Als die Münchnerin und ihr heutiger Ehemann sich kennen und lieben lernten, war Malta noch kein EU-Mitglied. In dem traditionsbewussten, konservativen und streng katholischen Land musste sich die ambitionierte Münchnerin erst einmal behaupten:

"Ich habe studiert, ich wollte also nicht Hausfrau im klassischen Sinn sein. Die Malteser sind etwas konservativer als vielleicht sonst die Mitteleuropäer. Da muss man eben darauf achten, dass man jemanden aussucht, der eher in der Mentalität liegt, in der man aufgewachsen ist. Und da habe ich eben Glück gehabt."

Cornelia Azzopardi

Kleine Schwester Gozo

Fahrt nach Gozo

Mit Sabine Sausmekat wollen wir auch noch eine andere Seite des Archipels kennenlernen und fahren zur Schwesterinsel Maltas nach Gozo. Die kleine Insel ist nicht nur grüner und weit weniger dicht besiedelt, sondern kann auch mit einer grandiosen Unterwasserwelt aufwarten. Ob über oder unter dem Meeresspiegel: Wer ein ruhigeres Tempo mag, ist auf der zweitgrößten Insel des Archipels, auf Gozo genau richtig. Und die ist auch nur mit der Fähre zu erreichen.
Gozo ist weniger dicht bevölkert. als ihre große Schwester. Im Sommer kommen allerdings hunderte von Touristen wegen der schönen Strände und guten Tauchplätze hierher.

Doch auf der Insel lernt man auch, sich keine unnötigen Gedanken zu machen und sich durch nichts aus der Ruhe bringen zu lassen. Die so unterschiedlichen Schwesterninseln Malta und Gozo teilen in jedem Fall eine Eigenschaft: Sie arrangieren sich mit Neuankömmlingen. Vielleicht auch deshalb, weil sie in ihrer Geschichte schon viele Fremde kommen und gehen sahen.


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