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Europa-Reportage Von Bayern in die Bretagne

Bayern und Bretonen verbindet eine lange Freundschaft. Vielleicht liegt es auch an der Lebensart, die beiden nachgesagt wird: Leben und leben lassen.

Von: Birgit Muth

Stand: 16.10.2016 | Archiv

Eine Insel vor der Küste | Bild: BR

Nach Frankreich der guten Küche wegen – eine verlockende Verheißung. Dabei alles andere als Urlaub für die angehende Metzgerin Marie-Luise. Marie-Luise will im Rahmen eines Partnerschaftsprogramms für Lehrlinge in der Bretagne neues lernen und eine Woche lang vieles erleben.

Marie-Luise bei einem Ausflug

Von München geht es über Paris nach Rennes in die Bretagne. Für die knapp 22-jährige Marie-Luise keine Reise ins Unbekannte. Schon vor einem halben Jahr war sie mit einer ganzen Gruppe bayerischer Lehrlinge für eine gute Woche in der Bretagne. Dieses Mal will sie sich selbst nochmals auf Herz und Nieren testen, ob sie vielleicht als Gesellin für ein ganzes Jahr in Frankreich leben und arbeiten will.

Aufnahme in der Gastfamilie

Marie-Luise und Julien

Der 19-jährige Julien, Sohn der Gastfamilie, nimmt Marie-Luise zusammen mit den Betreuern von der bretonischen Handwerkskammer in Empfang. Die beiden kennen sich seit einem halben Jahr, als die junge angehende Metzgerin für ihr erste Austauschprogramm hierher kam. Seitdem stehen sie in Kontakt. Die Verständigung klappt ganz gut. Marie-Luise lernt fleißig Französisch, zwischendurch sprechen sie auch mal Englisch und sonst eben mit Händen und Füßen.

Wie Marie-Luise kommen auch die anderen Austauschschüler aus den unterschiedlichsten Handwerksbranchen bei Gastfamilien unter. Oft haben diese auch Kinder, manchmal sogar im gleichen Ausbildungsberuf. So wie Julien, der ebenfalls Metzgerlehrling ist. Für Austauschschüler wie Marie-Luise ist alles kostenlos. Mit einer finanziellen Unterstützung durch das Deutsch-Französische Jugendwerk kommt die Handwerkskammer für Fahrt, Kost und auch die Unterkunft auf, falls kein Platz bei einer Gastfamilie zur Verfügung steht.

"Marie-Luise warum macht man so etwas eigentlich, einen solchen Austausch?"

Reporter

"Ja, man sieht ja auch so Land und Leute. Man wohnt alleine mal, man kommt raus aus diesem Alltagstrott. Und das ist halt das Schöne an so einem Austausch und ja, es gibt schon viele Unterschiede. In Deutschland geht alles schneller und hier ist alles langsamer und hier wird auf Sachen wertgelegt, auf die bei uns keiner Wert legt, die Gemeinsamkeit, das Familiäre und das ist halt das Schöne zu sehen, was man vielleicht auch mit nach Hause nehmen kann."

Marie-Luise

Einstieg in die Arbeit

In der Markthalle der Fleischer wird Marie-Luise nun schnell die Touristenperspektive aufgeben und ins echte Metzgerhandwerk einsteigen. Julien arbeitet seit sechs Uhr morgens. Zusammen mit seinen Kollegen ist er aus dem normalen Geschäft in Bruz auf den Markt in Rennes umgezogen, im Gepäck ein üppiges Fleisch-und Wurstsortiment.

Die Eltern von Julien und Marie-Luises Gasteltern, Irène und Denis Thomas, kaufen selbstverständlich auch hier ein, aus Liebe zum guten Essen aber wohl auch aus Stolz auf das Handwerk ihres Sohnes. Den bayerisch-bretonischen Lehrlingsaustausch unterstützen sie aus voller Überzeugung.

Julien hat seinen Traumjob gefunden. Wird das Metzgerhandwerk dann auch noch von einer jungen Frau wie Austauschlehrling Marie-Luise ausgeübt, ist das in den Augen von Geschäftsinhaber Pierre Clermont beste Imagepflege.

"Nun Marie-Luise ist ein Beweis dafür, dass dieser Beruf auch dem weiblichen Geschlecht offen steht. Das ist sehr wichtig, dass es diese Blockade nicht gibt, dass das Metzgerhandwerk eine Männerbranche ist. Marie-Luise zeigt große Leidenschaft und das ist sehr wichtig, denn diesen Beruf kann man nicht ausüben, wenn man sich dafür nicht begeistert."

Pierre Clermont, Chef der Metzgerei

"Gleich mit anpacken" heißt die Devise für die Austauschlehrlinge. Hier in der Bretagne essen die Verbraucher gerne gutes Fleisch. Diese Wertschätzung erlebt Marie-Luise zuhause nicht immer:

"Dass ich Metzgerin bin, erzähle ich nicht gleich sofort, wenn ich jemand neuen kennenlerne auch, weil es immer mit dem toten Tier verbunden ist, mit dem Schlachten, mit Blut – hat eher ein schlechtes Image, meiner Meinung nach."

Marie-Luise

Besuche und Austausch

In der rund 2500 Einwohner zählenden Gemeinde Sens-de-Bretagne will Marie-Luise Juniorchef Thomas Sauvée besuchen. Auch hier unterstützten alle Beschäftigten den Lehrlingsaustausch und sind immer bereit, bayerische angehenden Metzger hinter die Kulissen blicken zu lassen. Als Gastgeschenk hat Marie-Luise selbstgemachte Wurstwaren aus dem elterlichen Laden in Ottobrunn mitgebracht. Und was das Geschäft angeht, sind hier einige Inspirationen zu holen.

"Ja, hier gibt es auf jeden Fall Wein. Käse haben wir ja auch, aber nicht so viel und Milch und Joghurt. So etwas ist eher untypisch bei uns, untypisch für eine Metzgerei. Aber das kann ich mir gut vorstellen. Die Menschen kommen hierher und finden so etwas ist wie einen kleinen Supermarkt, der gute Sachen anbietet. Also, ich finde das gut."

Marie-Luise

In der Bretagne ist Handwerkernachwuchs gefragt: 12 Prozent der Erwerbstätigen sind im Handwerk beschäftigt, die meisten davon in der Bau- und Ausbaubranche sowie im Nahrungsmittelsektor. Was das duale System, die Kombination von Lehre und Unterricht betrifft, fühlt sich Marie-Luise an zuhause erinnert.

Familienanschluss

Fotoerinnerungen – im Kreis der Familie. Auch der 13-jährige Sohn Matthieu ist neugierig auf die Schnappschüsse von Marie-Luises letztem Besuch hier. Das Fotobuch spricht für sich: deutsch-französische Freundschaft mit Leben gefüllt. Und wer wie Marie-Luise das Glück hat, in einer Gastfamilie unterzukommen und nicht in einem Wohnheim, hat Familienanschluss garantiert. Stolz präsentiert Marie-Luise ihre kulinarischen wie touristischen Entdeckungen.

Nach Feierabend will Julien Marie-Luise die unbekannteren Naturschönheiten der Bretagne zeigen. Hier im Naturreservat nahe der Mühle Moulin du Boël in der Zentralbretagne durchzieht der Fluss Vilaine die wildromantischen Wald- und Hügellandschaft. In Sachen Natur stehen sich Bayern und die Bretagne wohl in nichts nach. Und überhaupt: Bayern und Bretonen sollen sich, was die Mentalität betrifft, ziemlich ähnlich sein. Beide sind heimatverbunden und stolz auf ihre Region. Vielleicht ist das das Geheimnis der über 50 Jahre alten Handwerkerpartnerschaft?

Neue Ideen mitnehmen

Auf der Tour durch die Bretagne werden Sehenswürdigkeiten genauso besucht wie Handwerksbetriebe, die auf der Strecke liegen. Einblicke in die Wirtschaft des Gastlandes zu gewinnen, läuft dabei "en passant". In der Regel öffnen sich viele Türen und vor allem die mittelständischen Chefs geben gerne Auskünfte.

Immer bringt Marie-Luise viele neue Ideen von ihren Reisen und Praktika mit und das ein oder andere setzt sie dann auch zuhause im Laden um:

"Mir bringt so ein Auslandsaufenthalt immer viel. Man lernt neue Sachen, man kommt in ein komplett neues Umfeld, man muss mit neuen Kollegen klarkommen. Das fördert das Selbstbewusstsein. Man muss die Sprache verstehen oder auch, dass man neue Produkte kennenlernt. So geht es mir hier in Frankreich. Ich lerne neue Rindfleischzuschnitte oder neue Gerichte oder wie kochen die Franzosen."

Marie-Luise

Der letzte Abend. Gastmuttter Irène und ihr Mann Denis wollen Marie-Luise nochmals mit bretonischen Köstlichkeiten verwöhnen. Für die Zubereitung des Fleischs ist selbstverständlich Julien zuständig. Direkt an der Quelle hat er sich ein besonders schönes Stück ausgesucht – gesponsort von seinem Chef. Sieht etwas martialisch aus…ist aber fachmännisch!

Marie-Luise fühlt sich heimisch in der Gastfamilie. Schlägt ihr Herz mehr für Bayern oder die Bretagne?

"Ich mag Deutschland und Bayern sehr gerne und ich möchte eigentlich nicht weggehen."

Marie-Luise

(Dieser Artikel ist eine stark gekürzte und redaktionell bearbeitete Fassung des Sendungsmanuskripts.)


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