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Ukraine Wie Kriegsversehrten geholfen wird

Als Alexander Stezenko diese orthopädische Werkstatt in Kiew gründete, wollte er Tschernobyl-Opfern mit Prothesen helfen. Nach dem Ausbruch des Militärkonflikts in der Ostukraine versorgt er auch amputierte Soldaten und Zivilisten.

Von: Galina Kirsunova

Stand: 11.02.2018 | Archiv

Melanja | Bild: BR

Alexander Stezenko

Über 24.000 Menschen wurden bereits dort verwundet, rund 3000 von ihnen sind Amputierte: Die fünfjährige Melanja stammt aus Mariupol, einer frontnahen Stadt am Schwarzen Meer. Ihre 27-jährige Mutter ist bei einem Raketenangriff gestorben. Das Mädchen saß bei ihr auf dem Schoss und wurde von einem Splitter verwundet. Jetzt muss festgestellt werden, warum die Prothese reibt. Alexander Stezenko, ist betroffen vom Geschehen im Donbass:

"Es ist Krieg, ein russisch-ukrainischer Krieg - eindeutig. Es ist furchtbar, wenn ein Nachbar gegen den anderen einen Krieg führt oder ein älterer Bruder gegen einen jüngeren Bruder. Und das Schlimmste ist, dass Menschen sterben, dass sie zu Krüppeln werden."

Alexander Stezenko

Bereits seit zwei Jahren trägt Melanja eine Prothese. Das Mädchen kann wieder herumtollen und mit anderen Kindern spielen. Ihre Oma freut sich für sie. Beide haben ihr ganzes Hab und Gut in Mariupol gelassen, um hier eine bessere prothetische Versorgung zu bekommen. Das Kind wächst und die Prothese muss stets angepasst werden.

Olga Abduraschitowa

Diese Wohnung in Kiew konnten sie nur dank Spenden anmieten. Für die Oma, Olga Abduraschitowa, war der Tod ihrer Tochter, die ebenfalls Olga hieß, ein schwerer Schlag. Sie hat viel Zeit gebraucht, um darüber sprechen zu können:

"Das war furchtbar! Alles stand in Flammen! Menschen rannten um ihr Leben. Der Raketenangriff kam so plötzlich. Alle wollten nur eins: sich und ihre Kinder in Sicherheit bringen. Ich habe mehrmals versucht, meine Tochter auf dem Handy zu erreichen. Endlich war jemand dran. Aber es war eine Männerstimme. Ich fragte: 'Wo ist Olja?' Er sagte: 'Sie ist tot!' Da bin ich zusammengebrochen…"

Olga Abduraschitowa

An dem Tag starben in Mariupol 31 Menschen. Ganze Wohnblocks brannten aus. Seit vier Jahren dauert der Militärkonflikt in der Ostukraine an. Die vereinbarten Minsker Abkommen werden nicht eingehalten. Der Krieg hat bereits über 10.000 Todesopfer gefordert und für Zivilisten, die entlang der Frontlinie leben, gehört er weiterhin zum grausamen Alltag. Auch 2017 starben über 400 Menschen. Kriegswaisen und Kriegsversehrte bleiben zurück.

Sergej Timoschuk hat als Frontsoldat in der Ostukraine gekämpft. Ob seine Familie ihn schon besuchen konnte?

"Wir haben einen kleinen Sohn und meine Frau hat niemanden, der auf ihn aufpassen könnte."

Sergej Timoschuk

Er ist 28 und stammt aus der Westukraine. Sergej hofft auf eine Beinprothese. Aber sein Beinstumpf ist so kurz, dass er fast keinen Halt für eine Prothese bietet - eine existenzielle Frage für den ehemaligen LKW-Fahrer und Familienvater.

"Doch, es wird gehen. Die Prothese wird noch zusätzlich am Rumpf befestigt."

Alexander Stezenko

Sergeij ist erleichtert. Das heißt, er bleibt mobil, kann vielleicht sogar arbeiten. Er wird zwar eine Invalidenrente bekommen, aber sie wird wohl nicht ausreichen, um seine Familie versorgen zu können.

Alexander Stezenko

Der 28-jährige Dima ist bereits seit zwei Jahren in medizinischer Behandlung. Regelrecht zusammengeflickt, schwebte er mehrmals zwischen Leben und Tod: Insgesamt 28 Operationen. Beide Beine verwundet, das rechte amputiert, schwerste Kopfverletzungen, ein Herzstillstand, zweimal im Koma gelegen. Der Krieg und extreme Erfahrungen veränderten seine Lebenseinstellungen:

"Nach allem, was ich erlebt habe, ist das Leben für mich anders geworden. Jetzt kenne ich den Wert jeder Sekunde in meinem Leben. Ich habe begriffen, wie unwichtig das Materielle ist und wie wertvoll Freunde, Kameraden und Familie sind."

Dima

Dima

Ob er Angst hatte?

"Angst hat jeder Mensch. Aber es geht um die Pflicht. Und wenn nötig, werde ich wieder an die Front gehen!"

Dima

Entlang der 500 Kilometer langen Frontlinie stehen sich derzeit rund 32.000 prorussische Separatisten und 100.000 ukrainische Soldaten gegenüber. Der Krieg geht weiter und niemand weiß, wann er endet und wie viele Tausende Leben er noch kosten wird.


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