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Tschechien Achtung, Troll!

Unterrichtsstunde in der Abiturklasse am Johannes-Kepler-Gymnasium in Prag. Auf dem Lehrplan im Fach Medien steht ein Film über russische Propaganda in Tschechien. Ein wichtiger Stoff auch für Lehrer Miroslav Pesek

Von: Jürgen Osterhage

Stand: 20.11.2016 | Archiv

Eine russische Propagandawebseite | Bild: BR

"Spätestens seit der Ukrainekrise spüren wir, wie der russische Einfluss in den Medien zugenommen hat. Das hat bei uns in der Schule viele Fragen aufgeworfen."

Miroslav Pesek, Lehrer Johannes-Kepler-Gymnasium Prag

Jakub Janda

Bereits seit zwei Jahren beobachtet Jakub Janda, wie russische Propaganda mehr und mehr Einfluss auf die öffentliche Meinung in Tschechien nimmt. Er leitet bei der Denkfabrik "Europäische Werte" das Programm "Kremlin Watch":

"Unser Schwerpunkt sind russische Desinformationen in Tschechien und in den tschechischsprachigen Medien. Es gibt rund 40 prorussische Webseiten, die verfälschte oder falsche Informationen verbreiten."

Jakub Janda, Leiter Kremlin Watch

Bei Kremlin Watch analysieren zehn Mitarbeiter, wie russische Falschinformationsgeschichten täglich lanciert werden, zum Beispiel nachdem der tschechische Kulturminister Herman, der für seine guten Beziehungen nach Deutschland bekannt ist, zuletzt beim Sudetendeutschen Tag in Nürnberg gesprochen hat:

"Hier gibt es die russische Verschwörungstheorie, dass der Kulturminister als Agent der Sudentendeutschen die Rückgabe des Eigentums an die Vertriebenen vorbereitet."

Jakub Janda

Auf einer anderen russischen Webseite ist eine Hitler-Merkel-Karikatur zu sehen mit der Überschrift: "Wenn Du groß bist, machst Du ganz Europa kaputt."

"Das hier spielt auf eine andere Verschwörungstheorie an, die besagt, dass Merkel die Tochter von Hitler ist. Das wird überall und immer wieder verbreitet."

Jakub Janda

Allein von Oktober 2015 bis Juli 2016 hat Kremlin Watch 1649 russische Desinformationsgeschichten im Internet entdeckt. Minutiös wurden alle Falschinformationen in einer Tabelle aufgelistet. Und die gezielten Falschinformationen bleiben nicht ohne Folgen. Nach einer jüngsten Umfrage, so Jakub Janda, glauben 40 Prozent der Tschechen, dass in der Ukraine Faschisten an der Macht sind. Und gar 50 Prozent der Tschechen sind der Meinung, dass die USA für die syrischen Flüchtlinge in Europa verantwortlich sind.

"Das sind besorgniserregende Zahlen, an denen wir sehen können, dass Desinformationen, wenn sie systematisch angelegt sind, wirklich Einfluss auf die öffentliche Meinung haben können."

Jakub Janda

Jakub Tomasek vom Prager Institut für Sicherheitsfragen beobachtet seit zwei Jahren, wie russische Anti-Nato- und Anti-EU-Propaganda immer größeren Einfluss bekommen. Russland habe viel gelernt, die neuen Medien wie Internet und soziale Netze wie Facebook und Twitter zu nutzen.

"Der Informationskrieg ist Realität geworden. Die Medien werden instrumentalisiert, um die öffentliche Meinung gemäß der russischen Perspektive zu beeinflussen."

Jakub Tomasek, Prager Institut für Sicherheitsfragen

Die Experten in Tschechien sprechen von einem neuen Kalten Krieg zwischen Russland und Europa, der im Internet bereits in vollem Gange sei, vor allem von russischer Seite. Mehr als 1,4 Milliarden Euro investiere Russland jährlich in die Internetpropaganda. In 18 Sprachen, darunter auch in Tschechisch, werden die Falschinformationen verbreitet. Hunderte russische Cyber-Mitarbeiter sind involviert. Europa reagiert: Seit November 2015 gibt es in Brüssel die so genannte "Taskforce Stratcom East", die Falschmeldungen aus Moskau dokumentiert und richtig stellt. Allerdings: Während Russland mit geballter Kraft auf ganz Europa zielt, stehen der Brüsseler Taskforce im Augenblick gerade mal elf Mitarbeiter zur Verfügung.

Eva Romancovova

Jetzt handelt auch die tschechische Regierung. Ab Januar wird im Innenministerium ein Zentrum mit rund 25 Mitarbeitern gegen Terrorismus und hybride Bedrohungen eingerichtet.

"Europa und die westliche Gesellschaft müssen in der Lage sein, ihren Lebensstil und ihre Werte zu verteidigen, gegenüber allen, die versuchen, diese Werte zu zerstören."

Eva Romancovova, Tschechisches Innenministerium

Auch die Schülerinnen und Schüler des Johannes-Kepler-Gymnasiums beschäftigen sich jetzt verstärkt mit der russischen Internetpropagandainitiative und sind gewarnt.

"Das ist ein großes Problem: Das kann bis zum Zusammenbruch des politischen Systems führen."

Christina, Abiturientin Johannes-Kepler-Gymnasium, Prag

Fazit: Die russische Cyber-Propaganda sei wohl genauso bedrohlich wie Extremismus und Terrorismus.


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