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euroblick spezial Gift im Honig, tote Bienen

Die Verwendung von drei Insektiziden wurde in der EU 2013 befristet verboten, im April 2018 schließlich endgültig. Doch was nutzen die Verbote, wenn Mitgliedsstaaten wie Rumänien immer wieder Ausnahmegenehmigungen erhalten?

Von: Susanne Roser

Stand: 19.08.2018 | Archiv

Rumänische Imker auf der Wanderschaft. | Bild: BR

Wilhelm Tartler

Wilhelm Tartler ist Berufsimker. Mit 150 Völkern ist er derzeit auf Wanderschaft. Er lebt von ihrem Ertrag, doch jedes Frühjahr die gleichen Fragen: Wie geht’s den Bienen? Wieviel Gift ist im Honig? Sein Problem: In der EU verbotene Pestizide werden in Rumänien hemmungslos eingesetzt – mit dem Segen der Behörden.

"Das ist eine Schweinerei! Wie das zustande kommt, weiß ich nicht. Für mich ist eine Ausnahmegenehmigung eine Genehmigung für eine Ausnahme für einen besonderen Befall; aber ich meine, fünf Jahre ständig Ausnahmegenehmigungen, das hat ja jetzt nichts mehr mir Ausnahmen zu tun – das ist normal."

Wilhelm Tartler

Wilhelm Tartler hat um diese Jahreszeit nur wenige Bienenstöcke im Garten. Mit seiner Familie lebt er im alten Pfarrhaus von Hahnbach in der Nähe von Hermannstadt. Als Wanderimker ist er in der Saison viel unterwegs. Zwei Völker, die er zurücklassen musste, hat er im Bienenhaus hinter der Kirche untergebracht. Immer wieder kommt es in den Völkern zu Verlusten, die der Imker ausgleichen muss – eigentlich nichts Außergewöhnliches. Seit einigen Jahren beobachtet er aber einen Schwund der Bienen, der das übliche Maß um ein Vielfaches übersteigt. Um so penibler achtet er auf die richtige Haltung seiner Völker.

Das Bienensterben

Das Leben einer Arbeitsbiene dauert gerade einmal 35 Tage. Es gibt Stimmen, die deshalb sagen, das sogenannte "Bienensterben" gibt es nicht, die sterben schließlich immer. Doch Wilhelm Tartler beobachtet das Kollabieren ganzer Völker. In schlechten Jahren hat er sogar schon 30 und 40 Prozent seiner Bienen verloren!

Im Alltag der Bienen war das Wasserhohlen schon immer gefährlich – viele ertrinken. Es sind deshalb immer ältere, erfahrene Sammlerinnen, die diese Aufgabe übernehmen. Doch heute kommt eine neue Bedrohung dazu: mit Pestiziden belastetes Wasser, deren Gifte sie zu ihren Völker tragen. Dort lauert dann ein weiterer, nahezu unsichtbarer Feind, die Varroa-Milbe. Als Bio-Imker nutzt er giftfreie Methoden, um sie zu bekämpfen.

Weißdorn, ein Traum für den Bio-Imker. Er ist frei von Pestiziden, doch davon gibt es bei Hahnbach viel zu wenig; der Ertrag reicht nicht, um die Existenz des Imkers zu sichern. Deshalb muss er mit seinen Bienen wandern in Gebiete, die höchst problematisch sind…

Behandeltes Bienenfutter

Wilhelm Tartler gehört zur deutschsprachigen Minderheit, die im Norden Rumäniens, in Siebenbürgen lebt. Hier ist die Vegetation noch zurück, deshalb sind die meisten seiner Völker derzeit bei der Rapsblüte im benachbarten Banat. Bereits dessen Saatgut wurde mit Neonicotinoiden gebeizt. In der EU ist das seit 2013 eigentlich verboten. Doch Rumänien bekommt immer wieder Ausnahmegenehmigungen. Und das, obwohl kleinste Dosen der Nervengifte Bienen orientierungslos machen und die Brut schädigen. Als Imker kann Tartler aber trotzdem nicht auf den Raps verzichten, der großen Ertrag bringt. Für ihn ein Dilemma! Neben Raps werden in Rumänien auch Sonnenblumen mit Neonics behandelt, beide Blüten sind ausgezeichnetes Bienenfutter:

"Was soll ich machen? Ich brauche diesen Honig, weil ich lebe davon. Ich habe schon auf den Sonnenblumenhonig verzichtet, was eigentlich schon fast eine Katastrophe ist, weil wir haben immer sehr gute Ernten bei der Sonnenblume. Aber ich kann nicht immer auf 30 bis 40 Prozent der Völker verzichten, nur um eine gute Ernte zu haben."

Wilhelm Tartler

Mit der Regelmäßigkeit, mit der die Ausnahmegenehmigungen für Rumänien bewilligt werden, entsteht bei Tartler ein böser Verdacht: er fürchtet, dass die Agrochemie nicht ganz unschuldig daran ist:

"Was ist einfacher für eine Firma wie Bayer oder auch eine andere, wenn eben im Westen die gefährlichen Mittel verboten werden, die einfach im Osten weiter zu verkaufen, wo die Leute nicht auf die Straße gehen. Das wissen die hier auch und man kann hier mit wenig Geld viel erreichen."

Wilhelm Tartler

Mittlerweile ist es Abend geworden. Jetzt erst, wenn die Bienen nicht mehr fliegen, können Wilhelm Tartler und sein Helfer Marius die 150 Völker auf den Transporter verladen. Noch heute Nacht geht’s weiter zum Akazienwald.

Die Pestizid-Lobby

600 Kilometer weiter östlich: riesige Monokulturen. Nur mit Pestiziden zu bewirtschaften und für Bienen ein lebensfeindliches Terrain. Im April 2018 hat die EU das befristete Verbot von drei besonders gefährlichen Neonics erneut bestätigt. Doch Rumänien plant, das Verbot schon wieder zu umgehen.

Laurentiu Baciu ist der Präsident des mächtigen Bauernverbands LAPAR. Er bewirtschaftet selbst einen Großbetrieb und gehört zu den entschiedenen Befürwortern der umstrittenen Schädlingsbekämpfungsmittel:

"Die Diplome werden von der Industrie- und Handlungskammer vom Land Bacau verliehen. Wie Sie sehen können, ist der Raum voll davon, ich habe sie wirklich verdient. Und wie Sie sehen können, war ich fast jedes Jahr auf dem ersten Platz. Außer den Diplomen hier habe ich viele Medaillen und Trophäen, die mir zu unterschiedlichen Anlässen von der rumänischen Landwirtschaftsakademie und vielen anderen Instituten verliehen wurden."

Laurentiu Baciu

Laurentiu Bacciu

Wir sind zu einer Fahrt auf seine Felder eingeladen. Mit 12 Hektar hat er einmal angefangen, jetzt sind es zweieinhalbtausend. Die erste Station: ein Maisacker. Hier wird gerade mit dem an und für sich harmlosen Stickstoff gedüngt, doch auf dem Feld sind mit Neonicotinoiden gebeizte Maiskörner ausgebracht. Die giftige Saat dürfte trotz Ausnahmegenehmigung eigentlich nicht an der Oberfläche liegen, sie ist auch für Vögel gefährlich! Ist das der Grund, weshalb der Verbandspräsident das rote Korn einfach nicht sehen mag?

"Wenn für Rumänien keine Genehmigungen für die Neonicotinoide mehr erlassen werden, dann wird das ein Desaster werden für die Maiskultur. Und wahrscheinlich hat man das auch genau beabsichtigt. Ich will nichts böswillig unterstellen, aber bei all den Treffen auf europäischer Ebene habe ich gemerkt, dass eigentlich jeder sein eigenes Süppchen kocht, wie man so schön sagt. Ich weiß nicht, ob alle glücklich darüber sind, dass Rumänien in der Landwirtschaft auf dem europäischen Markt ganz vorne ist."

Laurentiu Bacciu

Weiter geht’s zum Weizen. Der wird hier mit einem Fungizid, einem Mittel gegen Pilze behandelt, dessen genauer Name Laurentiu Baciu aber gerade entfallen ist. Er sieht sich nicht als Umweltsünder, eher als Entwicklungshelfer für die Landwirtschaft, eine Landwirtschaft, für die Pestizide unerlässlich sind.

Im Akazienwald

Wilhelm Tartlers Bienen stehen inzwischen bei einem Akazienwald. Auch andere Imker sind eingetroffen, der ganze Wald summt. Die Völker von Wilhelm Tartler müssen sich erst mal beruhigen. Bienen mögen keine Erschütterungen, sind deshalb schlecht gelaunt und entsprechend angriffslustig. Marius wurde bereits gestochen, darum hat er sich unterm Transporter versteckt. Jetzt müssen sich die Sammlerinnen einfliegen und die neuen Futterquellen erkunden. Doch auch hier ist mit Giften behandelter Raps in der Nähe, bei dem es, wie Wilhelm Tartler gerade erfahren hat, vor zwei Tagen zu einem Vorfall kam:

"Bei dem Akazienwald ist ein Imker aus Nordrumänien gekommen, eigentlich zur Akazie nicht einmal zum Raps. Aber da hat schon noch der Raps geblüht und die haben den gespritzt mit dem Flugzeug und der hat da seine kompletten Flugbienen verloren. Also, das hat er gesehen, dass auf einmal keine Bienen mehr in der Kiste waren und hat einen Herzinfarkt gekriegt. Und der liegt jetzt in Arad im Krankenhaus auf der Intensivstation."

Wilhelm Tartler

Zurück in Siebenbürgen, beim Wohnsitz des Wanderimkers Wilhelm Tartler. Wilhelm Tartlers Frau Anja möchte morgen auf den Markt. Dafür füllt sie die letzten Honigvorräte ab. Seit es bei den Sonnenblumen immer wieder zu hohen Verlusten an Bienen kam, haben sie auf diese Ernte verzichtet. Mindestens 3000 Euro kostet sie der Verzicht auf die Sonnenblumenernte. Das sind in Rumänien etwa drei Monatslöhne, das bedeutet ein gewaltiges Loch in der Haushaltskasse.

In Rumänien ist "Bio" noch ein neuer Gedanke. Neben Anja verkaufen hier überwiegend Kleinbauern, die eigentlich nur deshalb "Bio" sind, weil sie ganz einfach so produzieren, wie sie es immer schon gemacht haben – ohne Pestizide.

Mit der neuen EU Verordnung sollen jetzt wenigstens drei besonders bienengefährliche Neonicotinoide verboten werden. Doch was bringen solche Entscheidungen, wenn es immer wieder Schlupflöcher gibt?


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